Berlin
Anbindung des Flughafens Berlin Brandenburg International in Schönefeld
1. Sep 2003
Wenn in einigen Jahren der neue Flughafen in Betrieb gehen und die Schienenanbindung unter dem neuen Terminalgebäude gebaut werden sollte, könnte er mit der Einführung einer S-Bahn auf dem Berliner Aussenring - kurz „S BAR" - günstig angebunden werden.
Die „S-BAR" könnte im zentralen Abschnitt im 10-Minuten-Takt verkehrt und auf angrenzende Streckenabschnitte (mit geringerer Taktdichte) durchgebunden wird. Da die „S BAR" sowohl Gleich- als auch Wechselstrom-elektrifizierte Strecken nutzen würde, wäre der Einsatz eines elektrischen Duo-Fahrzeugs angebracht. Somit könnte mit geringem Aufwand eine sehr gute verkehrliche Wirkung erzielt werden.
Mit der - noch immer - angestrebten Inbetriebnahme des Single-Großflughafens „Berlin Brandenburg International" (BBI) ergeben sich im Hinblick auf ein Angebot im Schienenpersonennahverkehr (SPNV) entlang des Berliner Außenrings (BAR) völlig neue Prämissen. Hiervon besonders betroffen ist der Bereich des Grünauer Kreuzes und des Bahnhofs Grünau, da dort nicht nur BAR, Görlitzer Bahn und zwei Gleichstrom-S-Bahn-Strecken zusammentreffen, sondern zukünftig auch noch ein Ast der geplanten neuen Eisenbahnstrecke zum Flughafen und dessen Tunnel-Bahnhof. Welche Fahrgastnachfrage ist auf dem südöstlichen BAR zu erwarten? Wie können die genannten Eisenbahnstrecken miteinander verknüpft und im Rahmen eines schlüssigen SPNV-Konzepts genutzt werden? Wie könnte ein nachfragegerechtes Angebots- und Linienkonzept aussehen?
Einen Großteil des Fahrgastaufkommens auf dem BAR wird der Flughafen BBI verursachen. Während diesbezügliche Nachfrageprognosen für die südwestlichen Abschnitte bereits in den Planungsunterlagen enthalten sind, ist für die östlichen Abschnitte eine Abschätzung vorzunehmen (siehe Tabelle 1). Ausgehend davon, daß viele Ziele der in Richtung Ostkreuz gehenden Verkehre nördlich und östlich des Berliner Innenrings liegen, könnten etwa 50 % dieser Fahrgäste (also ca. 18.500 Fahrgäste pro Tag) von einem Angebot im Schienenpersonennahverkehr auf dem BAR profitieren.
Zudem bestehen ausgeprägte Pendlerströme, die teilweise erstmals auf den SPNV umgelegt werden können. Somit ist im gesamten Abschnitt zwischen der Dresdener Bahn und Wartenberg auf dem BAR mit einer Belastung von über 20.000 Fahrgästen pro Tag zu rechnen. Ähnlich wie die Ringbahn wird der BAR dabei in großem Maße von Umsteigerströmen leben.
Aufgrund der bereits vorhandenen Elektrifizierung ermöglicht der BAR, leistungsstarke und dennoch emissionsarme Fahrzeuge - zum Beispiel elektrische Triebzüge - einzusetzen. Die Teile des BAR, die von der Gleichstrom-S-Bahn befahren werden (Abschnitte der Linien S 75 und S 8), verfügen über eine eigene S-Bahn-Infrastruktur. Um die vorhandene Infrastruktur optimal nutzen und somit auf den Bau neuer Infrastruktur möglichst verzichten zu können, sind Duo-Fahrzeuge erforderlich, die in beiden Teilsystem verkehren können. Aufgrund ihrer Charakteristika (zum Beispiel: ungünstige Fahrdynamik, Abgasproblematik bei Anfahrten im Tunnel etc.) ist der Einsatz von Dieselfahrzeugen hierbei entschieden abzulehnen. Das heißt, es sind elektrische Duo- Fahrzeuge einzusetzen. Diese können ohne weiteres aus modernen Wechselstrom-S-Bahn-Fahrzeugen abgeleitet werden.
Mit Inbetriebnahme des Nord-Süd-Regional- und Fernbahn-Tunnels erfolgt die Verlagerung zahlreicher Zugfahrten im Personenverkehr in diesen Tunnel, so daß auf dem BAR Kapazitäten frei werden. Abschnittsweise verbleibt dann lediglich der Güterverkehr auf dem BAR, so daß hier auch mittelfristig überwiegend keine eigene S-Bahn-Infrastruktur erforderlich sein wird.
Die Akzeptanz des SPNV-Angebots auf dem Berliner Aussenring hängt stark davon ab, wie nutzerfreundlich es ist. Neben der Taktdichte wirkt sich hierbei die Gestaltung der Zugangsstellen und vor allem der Verknüpfungspunkte mit den kreuzenden Verkehrswegen aus. Die Verknüpfungen können prinzipiell dadurch erfolgen, daß Züge vom BAR auf radiale Strecken abzweigen, oder aber dadurch, daß alle Züge auf dem BAR verbleiben und die Fahrgäste auf die Radialen umsteigen.
Im Hinblick auf ein übersichtliches und dichtes Angebot sowie die Forderung nach einer tangentialen Verbindung, wurde ein leistungsfähiges Konzept entwickelt. Es sieht einen 10-Minuten-Takt im Abschnitt zwischen Wartenberg und der Dresdener Bahn vor, der sowohl im Sinne umsteigender Fahrgäste als auch unter Berücksichtigung der prognostizierten Nachfrage angebracht und realistisch ist.
An den Enden dieses Abschnitts bestehen vielfältige Varianten der Linienführung, der Wahl der Endpunkte und somit auch der dortig gen nachfragegerechten Ausdünnung des Angebots. So sollte im Süden die Integration der heutigen Regionalverkehrslinien RB 22, RB 24 und ex-RE 4 sowie des Flughafen-Expresses BBI - Potsdam angestrebt werden. Sowohl der RE 3 als auch der RE 4 dürften mit Inbetriebnahme des Nord-Süd-Regional- und Fernbahn-Tunnels auf direktem Wege zum Lehrter Tunnel-Bahnhof verkehren (Linienplan siehe Seite 29).
Im Norden sollten die Züge nicht bereits in Wartenberg enden, sondern mindestens bis zum Karower Kreuz bzw. darüber hinaus verkehren. Denkbar wäre hier die Führung von Zügen
Im Zusammenhang mit den zu erwartenden, für ein städtisches Schnellverkehrssystem teilweise relativ weiten Stationsabständen (siehe unten), ergibt sich eine Systemcharakteristik, die den S-Bahn-Konzeptionen westdeutscher Ballungsräume (Stuttgart, München) entspricht. Um einerseits die Nähe zur Berliner S-Bahn und andererseits die herausgehobene Stellung im S-Bahn-Netz zu symbolisieren, wurde das SPNV-Angebot „S BAR" getauft.
Die durch Umgestaltung des nordöstlichen Abschnitts der heutigen Linie S 75 auf der Stadtbahn freiwerdenden Fahrplantrassen könnten für einen „echten" 5-Minuten-Takt zur Hauptverkehrszeit auf den Linien S 5 und S 7 genutzt werden. Im Falle einer Führung von Zügen - beispielsweise im 20-Minuten-Takt - vom Außenring in Richtung Gesundbrunnen, würde der Bereich Wartenberg/Hohenschönhausen zudem eine weitere attraktive (Direkt-) Verbindung in das Stadtzentrum bekommen.
Die vorzusehenden Zugangsstellen liegen vor allem an den Kreuzungspunkten mit den Radialen - mit einer Ausnahme: An der Spindlersfelder Bahn sollte kein Halt auf dem BAR erfolgen, da die System- und Erschließungswirkung mit einem Halt unmittelbar südlich der Ottomar-Geschke-Straße um ein Vielfaches größer ist. Letztendlich kann derart auch eine Optimierung der Haus-zu-Haus-Zeiten aller Reisenden erreicht werden. Die Lage der übrigen Zugangsstellen orientiert sich am Verkehrsaufkommen. Zu berücksichtigen ist hierbei auch die Auslastung der Strecke: Insbesondere im Abschnitt Grünauer Kreuz - Wuhlheide ist mit starkem Güterverkehrsaufkommen zu rechnen, so daß hier die Errichtung zusätzlicher Stationen eine eigene „S BAR"-Infrastruktur voraussetzen dürfte bzw. zunächst auf einzelne Stationen zu verzichten ist.
Für den Bereich der verkehrlichen und infrastrukturellen Verknüpfung der Strecken im Bereich Grünau kommen drei Möglichkeiten in Frage.
Eine Abwägung der Vor- und Nachteile der einzelnen Varianten führt zu dem Ergebnis, daß der heutige Bahnhof Grünau um einen Bahnsteig für den Regionalverkehr und die „S-BAR" erweitert werden sollte. Nur so kann eine attraktive Einführung der Züge in den zukünftigen Flughafen-Bahnhof und deren Durchbindung nach Westen gesichert werden. Vorteilhaft ist zudem, daß auch im Über-Eck-Verkehr optimale (bahnsteiggleiche) Umsteigebeziehungen geschaffen werden. Nicht zuletzt würde der Umbau bereits einen Vorläuferbetrieb der „S BAR" zulassen, bei dem der Güterbahnhof Grünau als Wendeanlage dienen könnte.
Das Gesamtkonzept kann etappenweise in Betrieb genommen werden, wobei sich die einzelnen Etappen sinnvoll ergänzen. Die geschilderte Anpassung des Bahnhofs Grünau vorausgesetzt, basiert der erste Schritt streckenseitig ausschließlich auf vorhandener Infrastruktur; lediglich der Bau der Zugangsstellen ist erforderlich. Um durchgängig entlang des BAR verkehren zu können ist ein weiterer Schritt erforderlich: der Lückenschluß im Biesdorfer Kreuz. Zwar könnte die vorhandene Eisenbahninfrastruktur zischen Biesdorf Süd und Springpfuhl ohne weiteres genutzt werden, ausgesprochen problematisch gestaltet sich dann jedoch die (verkehrliche) Verknüpfung mit Ost- und Wriezener Bahn sowie die (betriebliche) Verknüpfung mit den vorhandenen S-Bahn-Gleisen nach Wartenberg. Daher sollte das Augenmerk in diesem Bereich von vornherein auf der Erstellung einer eigenen Infrastruktur entlang der freigehaltenen Trasse liegen.
Stufe 1: Inbetriebnahme südliche „S BAR" auf vorhandener Infrastruktur, südliche Zulaufstrecken - südlicher BAR - Flughafen BBI - Grünau - östlicher BAR - Lichtenberg
Neue Zugangsstellen: [Bergholz], [Mahlow Süd], Grünau, Köllnische
Vorstadt, Wuhlheide, [Bürknersfelde], Biesdorf Süd (provisorisch)
Fahrzeugart: Einsystem-Wechselstrom
Stufe 2: „Brückenschlag" Biesdorf Süd - Springpfuhl mit Ein- und Ausfädelung Springpfuhl (eigene Infrastruktur). Inbetriebnahme Gesamtkonzept „ 5 BAR ".
Neue Zugangsstellen: Biesdorf Süd (neu), Biesdorfer Kreuz
Fahrzeugart: Duo (Gleich- und Wechselstrom)
[...] optionale neue Zugangsstellen
Mikko Gumprecht, Berlin
Fabian Walf, Berlin
aus SIGNAL 4/2003 (August/September 2003), Seite 28-29