Überregional

BestZeit und HöchstPreis

Ausbaustrecke Berlin—Hamburg für Hochgeschwindigkeit in Betrieb genommen


IGEB Fernverkehr

1. Mär 2005

Erstmals wurde in der Bundesrepublik eine bestehende Eisenbahnstrecke für eine Geschwindigkeit von 230 km/h ausgebaut. Die Fahrzeit zwischen Alster und Spree konnte dadurch seit dem 12. Dezember 2004 für ICE-Züge auf rund eineinhalb Stunden verkürzt werden. Die Deutsche Bahn AG läßt sich die deutlich reduzierte Reisezeit allerdings auch teuer bezahlen. Die Fahrpreise zwischen Berlin und Hamburg wurden überdurchschnittlich angehoben.

Der Ausbau der Strecke von Berlin über Wittenberge nach Hamburg für den Hochgeschwindigkeitsverkehr ist seit Dezember 2004 weitestgehend beendet. Mit der Höchstgeschwindigkeit von 230 km/h wurde damit ein völlig neuer Standard für den Ausbau bestehender Strecken geschaffen, denn bisher waren 200 km/h die maximal zulässige Geschwindigkeit bei Ausbauprojekten.

Nur noch 1 1/2 Stunden benötigt der ICE zwischen Hamburg und Berlin. Auf die drastisch erhöhte Fahrpreise wurde bei den Feierlichkeiten am 12. Dezember 2004 in Hamburg Hbf mit Bundesverkehrsminister Stolpe natürlich nicht eingegangen. Foto: Christian Schultz

In den neunziger Jahren wurde die Verbindung von Berlin nach Hamburg im Rahmen des Verkehrsprojektes Deutsche Einheit (VDE) Nr. 2 grundlegend erneuert, modernisiert und für eine Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h ausgebaut. Ab Juni 1997 konnte der ICE fahrplanmäßig in 2 Stunden 14 Minuten von der Spree an die Alster fahren - das entsprach der Fahrzeit des legendären Fliegenden Hamburgers aus der Vorkriegszeit.

Im Februar 2000 beschloß die Bundesregierung gemeinsam mit der DB AG, die zwischen Hamburg und Berlin geplante Transrapid-Strecke aus wirtschaftlichen Gründen nicht zu bauen. Um eine Beschleunigung mit dem bestehenden Rad-Schiene-System zu erreichen, wurde zugleich der Ausbau für 230 km/h beschlossen. Rund 650 Millionen Euro wurden für dieses Vorhaben zur Verfügung gestellt.

Zweimaliger Ausbau der Bahnstrecke brachte Mehrkosten und viele Beeinträchtigungen für die Bahnkunden

Unter weitgehender Aufrechterhaltung des Zugverkehrs mußten auf 263 der 287 Streckenkilometer eine Vielzahl von Arbeiten durchgeführt werden. Dazu gehörten unter anderem:

Verzichtet wurde bei den Ausbaumaßnahmen auf eine Ausrüstung für bogenschnelles Fahren (Neigetechnik). Letzteres ist angesichts der sehr günstigen Linienführung mit langen Geraden und wenigen großen Gleisbogen auch nicht unbedingt notwendig. Es verbleiben nach dem Ausbau kurze Streckenabschnitte mit geringen Geschwindigkeitseinbrüchen wie z.B. in Hagenow Land oder Ludwigslust.

Insgesamt wurden seit 1991 2,46 Milliarden Euro in den zweistufigen Ausbau dieser Strecke durch Bahn und Bund investiert.

BestZeit für den Kunden, verbunden mit einer deutlichen Fahrpreiserhöhung

Die mit dem Ausbau der Strecke Berlin—Hamburg erzielte Fahrzeit setzt zweifellos neue Maßstäbe; der ICE erreicht mit 189 km/h die höchste Durchschnittsgeschwindigkeit zwischen zwei Großstädten in der Bundesrepublik und liegt damit sogar deutlich über dem Wert für die Neubaustrecke Köln—Frankfurt am Main, die eine Höchstgeschwindigkeit von immerhin 300 km/h zuläßt.

Die Deutsche Bahn läßt sich diesen Reisezeitvorteil allerdings auch teuer bezahlen. Dies soll an der Fahrpreisentwicklung verdeutlicht werden (angegeben ist der Normalpreis für die einfache Fahrt von Berlin Zoologischer Garten nach Hamburg Hbf, 2. Klasse):

Ankunft des Eröffnungszuges in Berlin Ostbahnhof am roten Teppich. Foto: Christian Schultz

Aus unternehmerischer Sicht mag der Versuch verständlich sein, mit dem nunmehr deutlich attraktiveren Angebot auch deutlich höhere Fahrpreise am Markt durchzusetzen. Bei Berücksichtigung des wirtschaftlichen Umfeldes - mit Rekord-Arbeitslosigkeit einerseits und der Kostensenkung in einer zunehmenden Anzahl von Betrieben durch verlängerte Arbeitszeit ohne Gehaltserhöhung andererseits - sind Fahrpreiserhöhungen über 15 Prozent innerhalb eines Jahres eine absolut unverständliche Entscheidung. Es bleibt abzuwarten, ob sich die seitens der Deutschen Bahn prognostizierten Zuwächse von 400.000 Reisenden auf insgesamt 2,8 Millionen Fahrgäste im Jahr 2005 tatsächlich einstellen und damit die Zahlungsbereitschaft realistisch eingeschätzt wurde.

Da auch der Mitfahrer-Rabatt seit dem 12. Dezember 2004 für Kunden ohne BahnCard entfiel, stellt sich die Situation beispielsweise für Familien, die gelegentlich eine Bahnreise in Fernverkehrszügen machen, noch wesentlich ungünstiger dar. Der Hinweis auf die BahnCard 50 kann dabei angesichts eines Preises von 200 Euro (2. Klasse) bzw. für Ehe-/Lebenspartner von 100 Euro nur wenig trösten. Um mehr Reisende von der Straße auf die Schiene zu locken, ist ein attraktiver Preis - neben der attraktiven Fahrzeit - unerläßlich!

IGEB Fernverkehr

aus SIGNAL 1/2005 (Februar/März 2005), Seite 10-11