Berlin
Berliner S-Bahn plant Vollringbetrieb
1. Nov 2005
Ab dem Fahrplanwechsel Ende Mai 2006 will die S-Bahn Berlin GmbH sogenannte Vollringzüge fahren, die nicht mehr von bzw. nach Schöneweide ein- und ausfädeln. Außerdem wird der 10-Minuten-Grundtakt auf dem Ring eingeführt.
Das derzeit praktizierte „Schneckenkonzept" auf dem Ring mit Übergang von Ringzügen nach Schöneweide ist relativ störanfällig. Häufig sind Verspätungen zu beobachten. Um die Betriebslage zu stabilisieren, favorisiert die S-Bahn Berlin nun den Vollringbetrieb. Sie hofft, dass sich auftretende Verspätungen durch bestimmte Maßnahmen reduzieren lassen und dass, wenn es doch Verspätungen gibt, diese für die Fahrgäste nur geringe Auswirkungen haben, weil alle Züge denselben Weg fahren.
Um einen glatten Takt von 10 Minuten zu gewährleisten, ist es nötig, die Umlaufzeit für eine Ringrunde von jetzt 63 Minuten auf 60 Minuten zu drücken. Dazu plant die S-Bahn:
Der Grundtakt soll 10 Minuten betragen anstatt 7/7/6 Minuten wie bisher, dafür werden 8-Wagen-Züge eingesetzt. Nur in der Hauptverkehrszeit (HVZ) wird der Takt auf 4/6-Minuten verdichtet. Die S-Bahn will die HVZ-Züge nur mit vier Wagen fahren. Der Berliner Fahrgastverband IGEB befürchtet dadurch verlängerte Aufenthaltszeiten auf den Bahnhöfen, da Fahrgäste unter Umständen erst 75 Meter über den Bahnsteig spurten müssen. Hier ist sicher der Einsatz von 6-Wagen-Zügen sinnvoller.
Zusätzlich zu den Vollringzügen fahren auf dem Süd- und Ostring abschnittsweise die Linien von und nach Schöneweide. Das ergibt folgendes Betriebskonzept:
Das bedeutet für das Querschnittsangebot eine Schwächung außerhalb der HVZ gegenüber dem heutigen Zustand. Besonders trifft es dabei den Nordring (Westend—Schönhauser Allee), denn hier kommt außerhalb der HVZ nur noch alle 10 Minuten ein Zug pro Richtung. Überlagernde Linien gibt es hier nicht. Das entspricht nach Ansicht der IGEB nicht den Erwartungen der Fahrgäste an eine strukturell so wichtige Strecke wie den Ring. Wünschenswert ist deshalb eine Verlängerung der S 46 von Westend nach Greifswalder Straße.
Die grundsätzliche Fragwürdigkeit des Vollringbetriebes aus Fahrgastsicht wurde bereits im SIGNAL Heft 3/2005 , Seite 8-9 besprochen, wo das Zielnetz 2010 vorgestellt wurde. Der Vollring, bereits von 1944 bis 1961 als Kriegsprovisorium betrieben, erzeugt für Fahrgäste Richtung Schöneweide zusätzliche Umsteigezwänge. Wer von Spindlersfeld in die westliche Innenstadt will, der kommt mit seinem Zug nicht einmal bis zur U 9 am Bundesplatz. Keinem normalen Fahrgast nützt eine volle Ringrunde etwas, denn er wird maximal eine halbe Runde mitfahren. Für die Betriebsleitung und die Marketingabteilung der S-Bahn sowie Eisenbahnfreunde ist der Vollring sicher ein Gewinn. Den meisten anderen Fahrgästen bleibt immerhin die Hoffnung auf einen stabilisierten Ringbetrieb mit pünktlicheren Zügen und gesicherten Anschlüssen. (fm)
IGEB S-Bahn und Regionalverkehr
aus SIGNAL 5/2005 (Oktober/November 2005), Seite 8-9