Aktuell
1. Sep 2006
Vor wenigen Wochen stimmte die Landesregierung des Landes Brandenburg im Bundesrat einer drastischen Kürzung der Regionalisierungsmittel durch den Bund zu, die jedoch durch einen betragsmäßig mehrfach höheren Landesanteil am Mehrwertsteueraufkommen ausgeglichen wird. Ein gutes Geschäft für das hoch verschuldete Land Brandenburg, das von ungedeckten Ausgaben zwischen 200 und 400 Millionen Euro im Jahr gedrückt wird. Und ein schlechtes Geschäft für den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) des Landes Brandenburg, da nach Maßgabe des Finanzministers sowie des Ministers für Infrastruktur und Raumordnung die Mehrwertsteuer-Mehreinnahmen nur zum Teil die verloren gegangenen Regionalisierungsmittel des Bundes zur ÖPNV-Finanzierung ersetzen sollen.
Damit kassiert das Land Brandenburg die höheren Mehrwertsteuereinnahmen vom Bund und verweigert trotzdem in erheblichem Maße die 1996 auf die Länder übertragene Verantwortung für die alltägliche Mobilität der Bürger. Dazu mit Rezepten aus der ÖPNV-Mottenkiste, die sich schon vor Jahrzehnten in den alten Bundesländern als Sackgasse erwiesen haben: Ausdünnungen der ÖPNV-Verkehre bis hin zur Abbestellung jeglicher öffentlich zugänglicher Mobilität. In Brandenburg sind sogar Schienenstrecken betroffen, die noch kurz zuvor mit Millionen Euro Steuergeldern von Grund auf saniert wurden und demzufolge mit Rückzahlungsverpflichtungen der Fördermittel belastet sind.
Eine Steigerung der Effizienz des ÖPNV und damit eine Reduzierung des Zuschussbedarfs durch die öffentliche Hand ist wünschenswert und nach Überzeugung von PRO BAHN auch machbar! Nicht jedoch die Fortsetzung der sattsam bekannten ÖPNV-Abwärtsspirale, wo auf ein schlechteres ÖPNV-Angebot eine noch geringere Akzeptanz der Fahrgäste mit noch geringeren Fahrgeldeinnahmen folgt. Weil es gerade für Kinder und Jugendliche keine Alternative zum ÖPNV gibt, wird mit falschen ÖPNV-Rezepten einer weiteren Entvölkerung des Landes Brandenburg Vorschub geleistet. Das Gebot der Stunde sind zweckmäßige und am Bedarf des Kunden ausgerichtete Streckenführungen und erheblich bessere Vernetzungen der verschiedenen Verkehrsmittel. Bus und Bahn sollen nicht im - unbezahlbaren - Wettbewerb gegeneinander stehen, sondern sich sinnvoll ergänzen. Zubringerverkehr statt Parallelverkehr muss die Devise lauten!
Die fortgesetzte Streichung von Halten auf Nebenstrecken ist angesichts einer immer stärkeren Motorisierung moderner Nahverkehrstriebwagen kontraproduktiv und vielfach können außerhalb von Orten liegende Halte durch eine Verschiebung mit geringen Mitteln den Fahrgästen besser zugänglich gemacht werden. Ist die Erreichbarkeit der Bahn zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit einem akzeptablen Busanschluss nicht gegeben, wandern potenzielle Fahrgäste auf das Auto ab und gehen dem ÖPNV für immer verloren.
PRO BAHN LV Berlin/Brandenburg
aus SIGNAL 5/2006 (Oktober/November 2006), Seite 7-8