Berlin

Es war einmal ein Jahresbauprogramm

„Zurückbleiben bitte!” Diese Aufforderung werden 2004 nicht nur die S-Bahn-Fahrgäste, sondern auch die Ingenieure und Bauarbeiter zu hören bekommen. Denn das Desaster bei der Einführung einer Lkw-Maut in Deutschland wird auch auf den Bahnbau erhebliche Auswirkungen haben. Vermutlich wird die Bundesregierung der Deutschen Bahn im Jahr 2004 eine Milliarde Euro weniger zur Verfügung stellen, als geplant war. Deshalb hat Bahnchef Hartmut Mehdorn angeordnet, alle Projekte auf den Prüfstand zu stellen. Ausgenommen sind in Berlin lediglich die Arbeiten am Lehrter Bahnhof, dem künftigen Hauptbahnhof, damit dieser zur Fußballweltmeisterschaft 2006 in Betrieb genommen werden kann.


IGEB S-Bahn und Regionalverkehr

1. Mär 2004

Die Priorität für den Lehrter Bahnhof nutzt der Berliner S-Bahn und ihren Fahrgästen allerdings nichts - im Gegenteil. Um die Fertigstellung bis 2006 sicherzustellen, wurde nicht nur die Überdachung der oberirdischen Bahnsteige eingekürzt, sondern außerdem wurde der Bau der S-Bahn vom Nordring zur Stadtbahn, der so genannten S21 Nord, auf die Zeit nach 2006 verschoben.

Die Bauarbeiten am Lehrter Bahnhof sind von den Einsparungen ausgenommen. Aber alles andere steht auf dem Prüfstand. Foto: Alexander Frenzel

Verschiebungen als Folge der aktuellen Mittelkürzungen sind vermutlich vor allem beim Ausbau der Görlitzer Bahn (S-Bahn-Strecke Treptower Park - Grünau) und - mal wieder - beim Ostkreuz zu befürchten. Bei der Görlitzer Bahn sah die bisherige Planung für 2004 den Beginn mehrerer Brückenerneuerungen vor, während beim Ostkreuz selbst bei ausreichenden Finanzen Bauverzug unvermeidbar wäre, weil das Planfeststellungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist. Das ist besonders ärgerlich für viele Fahrgäste der RB 36, da diese seit 14. Dezember 2003 zur „Baufeldfreimachung" von Berlin-Lichtenberg nach Berlin-Schöneweide zurückgezogen wurde, und für diejenigen Fahrgäste der RB 24, die bisher in Schöneweide ein- und ausgestiegen sind. Wegen der geplanten Bauarbeiten fahren diese Züge jetzt über den Außenring von Flughafen Schönefeld nach Lichtenberg und somit an Schöneweide vorbei.

Doch auch die anderen bereits begonnenen Arbeiten stehen nun „unter Finanzierungsvorbehalt". Zwar kann als gesichert angesehen werden, dass die Arbeiten im Abschnitt Zoo - Charlottenburg - Westkreuz wegen des Zubringerverkehrs zum Olympiastadion (Fußball-Weltmeisterschaft - siehe oben) ohne weiteren Verzug fortgesetzt werden, aber selbst beim Fern-, Regional- und S-Bahnhof Papestraße (künftig vermutlich „Berlin-Südkreuz") muss ein Fragezeichen gesetzt werden.

Während sich die Spediteure über die peinliche Vorstellung deutscher Großunternehmen bei der Einführung der noch immer nicht absehbaren Lkw-Maut freuen, müssen die Eisenbahn und ihre Fahrgäste auf viele Verbesserungen im Netz länger warten. Nur höfliche Menschen werden dies noch als „sehr ärgerlich" bezeichnen.

IGEB S-Bahn und Regionalverkehr

aus SIGNAL 1/2004 (Februar/März 2004), Seite 14