Berlin
Eine neue und auf Dauer wahrscheinlich sehr wirksame Methode, Kosten im ÖPNV zu senken, wird vom Verkehrssenator derzeit gerade auf der Linie 158 erprobt: keine Fahrten, keine Kosten
1. Mär 2004
Den Verschlechterungen im Berliner Nordnetz im Dezember 2003, mit vermehrten Umsteigezwängen und Taktausdünnungen im Pankower Bereich (siehe Signal 6/2003 ), sollte nach Planungen der BVG wenigstens eine kleine Verbesserung im Raum Weißensee entgegenstehen, nämlich die Durchbindung der Buslinie 158 von Buch über Pasedag- und Ostseeplatz zum S-Bahnhof Prenzlauer Allee. Diese bereits in den neuen Kursbüchern veröffentlichte und auch im Signal 6/2003 gelobte Maßnahme musste kurzfristig von der BVG rückgängig gemacht werden, da der Verkehrssenator die Genehmigung für diese Linienführung verweigerte und darauf bestand, dass die Linie 158 am Ostseeplatz endet, also drei Minuten vor Erreichen des eigentlich relevanten Ziels, dem S-Bahnhof Prenzlauer Allee. Als Grund dient die Senats-Befürchtung, Busfahrgäste aus dem Bereich Buch/Karow könnten in diesem Bus verbleiben und die Umwegfahrt über Weißensee zum S-Bahnhof Prenzlauer Allee vorziehen, anstatt, wie vom Verkehrssenator gewünscht, in Heinersdorf Kirche zunächst in die Straßenbahn-Linie 1 umzusteigen und mit dieser, auf direktem Weg, zum S-Bahnhof Prenzlauer Allee zu fahren.
Dass die Linienführung durch die Park-, Roelcke- und Hosemannstraße eine bislang nicht bestehende Verbindung zur Ringbahn, und damit an das Berliner Schnellbahnnetz, herstellt und sich in diesem Bereich zahlreiche öffentliche Einrichtungen wie zum Beispiel die Parkklinik Weißensee befinden, scheint der Senatsverkehrsverwaltung entgangen zu sein oder, noch schlimmer, von ihr bewusst nicht zur Kenntnis genommen zu werden. Der Bus endet nun gewissermaßen haltlos und ohne sinnvolle Umsteigemöglichkeiten am Ostseeplatz und steht dort schlicht seine Zeit ab, die normalerweise für die Fahrt zum S-Bahnhof Prenzlauer Allee vorgesehen war. Busumläufe werden nicht eingespart, die Attraktivität dieser Linie jedoch tendiert in diesem Bereich durch diese Maßnahme gegen Null.
Jeder Verkehrsplaner weiß, dass eine Linie, die vor einer Schnellbahnstation endet und nur stadtauswärtige Fahrmöglichkeiten anbietet, von Einzelfahrgästen abgesehen, keinen Verkehrswert bringt. Entsprechend ist die Auslastung der Linie 158 ab Heinersdorf Kirche gering, ab Pasedagplatz sind die Wagen faktisch leer. Dies ist dann natürlich ein guter Grund, die Linie 158 generell nur noch bis Heinersdorf Kirche fahren zu lassen, wie an Wochenenden und in der Spätverkehrszeit bereits heute praktiziert.
So schließt sich der Kreis: Zwinge Fahrgäste zu zusätzlichen Umsteigevorgängen (damit neben einer Reisezeitverlängerung zu Unbequemlichkeiten), biete eine Ersatz-Linienführung an, die bewusst unattraktiv ist (damit ja keine neuen Fahrgäste gewonnen werden) und schon kann man sagen, diese Linie wird zu schlecht genutzt und kann daher nicht aufrechterhalten werden. Das Sparziel ist nun erreicht: Busumläufe können gestrichen werden.
Dass bei derartiger Handlungsweise a) keine neuen Fahrgäste gewonnen, b) viele bisherige Fahrgäste vergrault werden und endgültig auf andere individuelle Verkehrsmittel (in der Regel auf den Pkw) ausweichen und somit c) nur noch die „minderbemittelten" Zwangsfahrgäste, die meist aus finanziellen Gründen keine Ausweichmöglichkeit haben, verbleiben, scheint gewolltes Ergebnis. Denn wenn man an vielen Stellen der Stadt nach diesem Prinzip verfährt, senkt man die Fahrgastzahlen im Gesamtnetz der Stadt. Die Folge: weitere Fahrtenausdünnungen auch in den stärker belegten Linienbereichen.
So schafft man sich Argumente, Zahlungen an die ÖPNV-Betreiber ständig zu reduzieren. Wichtige Ziele wie die Verminderung der Verkehrsbelastung im Innenstadtbereich auf ein Verhältnis von 20:80 zugunsten des ÖPNV, gelten zwar theoretisch noch heute, nur real wird genau das Gegenteil praktiziert.
Klar ist, dass eine ständige Verschlechterung des ÖPNV-Angebotes zum weiteren Anwachsen des Autoverkehrs mit den bekannten weitreichenden Folgen für die Umwelt ebenso wie für die Berliner Finanzen (Straßenbau und -Unterhaltung) führen wird. Insofern sind auch vermeintlich kleine Maßnahmen wie beim Bus 158 Tropfen, die den Stein stetig höhlen. Wir appellieren deshalb an die Verkehrsbehörde, trotz knapper Kassen Entscheidungen auf ihre weitreichenden Folgen hin zu überdenken. Beim Bus 158 könnte man ja mal anfangen ...
IGEB Stadtverkehr
aus SIGNAL 1/2004 (Februar/März 2004), Seite 17