Hamburg

Zweiströmige S-Bahn-Innovation zwischen Hamburg und Niedersachsen

Mit der Verlängerung der Hamburger S-Bahn-Linie S 3 von Hamburg-Neugraben über das niedersächsische Buxtehude nach Stade ab 2007 folgt die Hamburger S-Bahn einer Entwicklung, die aus Karlsruhe bereits bekannt ist.


DBV Nord

1. Mär 2004

Erstmals verlässt dann die Gleichstrom-S-Bahn ihr Stromschienen-Netz und fährt unter Fahrdraht im Wechselstromnetz weiter. Der DBV begrüßt diese Innovation als beispielgebend auch für die Berliner S-Bahn.

Dem etwas höheren Aufwand bei den Gleichstrom-S-Bahnzügen, die zusätzlich mit Wechselstromtechnik ausgerüstet werden müssen, stehen eingesparte zusätzliche S-Bahn-Gleise gegenüber. Denn genauso wie in Stuttgart oder Frankfurt können dann in den Außenbereichen des Netzes die normalen Bahngleise von der S-Bahn mitbenutzt werden, wo noch Kapazitätsreserven der Strecken vorhanden sind.

Die ursprünglich geplante Verlängerung der S-Bahn von Neugraben nur bis Buxtehude ist Leitprojekt des Regionalen Entwicklungskonzeptes. Weil eine vorübergehende Insellösung zwischen einem S-Bahn-Endpunkt Buxtehude und Stade mit Regionalzügen sowie Umsteigen weniger sinnvoll und wirtschaftlich ist als eine sofortige Verlängerung bis nach Stade, einigten sich die Bundesländer gleich Nägel mit Köpfen zu machen und die S-Bahn bis Stade weiterzuführen. Rund 110.000 Einwohner, die im Einzugsbereich der Bahnhöfe im Süderelberaum wohnen, erhalten so eine optimale und umweltfreundliche Nahverkehrsanbindung. Dadurch können im Berufs- und Freizeitverkehr alle Haltestellen in Harburg und der Hamburger City ohne Umsteigen direkt erreicht werden. Umgekehrt können Hamburger dann mit „ihrer S-Bahn" Freizeitziele in Niedersachsen schnell und komfortabel erreichen. Bei dem Projekt wird auch die erfolgreiche Zusammenarbeit über Ländergrenzen hinweg betont, mit dem in deutlich steigende Fahrgastzahlen und die Erschließung des ländlichen Raumes investiert wird. Ein hochwertiger Regionalexpress zwischen Cuxhaven und Hamburg soll die Planungen ergänzen.

Der zur Zweistrom-S-Bahn zwischen Niedersachsen und der Deutschen Bahn geschlossene Verkehrsvertrag hat eine Laufzeit von zehn Jahren und gilt ab Dezember 2007. Er regelt das Fahrplanangebot, die Leistungsqualität der S-Bahn, die dem Standard des Hamburger Verkehrsverbundes entspricht, und die Zahlungen Niedersachsens an die S-Bahn Hamburg GmbH. Das vereinbarte Verkehrsangebot beträgt rund 700.000 Zugkilometer pro Jahr.

Ab 2007 soll es mit der Hamburger S-Bahn bis nach Stade gehen. Foto: DB AG/Jazbec

Der Fahrzeugfinanzierungsvertrag der Länder Hamburg, Niedersachsen und der S-Bahn Hamburg regelt die Finanzierung der 42 zweistromfähigen Fahrzeuge der Baureihe ET 474.3, von denen neun neugebaut und die restlichen aus dem Umbau von 33 existierenden Triebzügen entstehen. Der Gesamtwert des Auftrages beträgt rund 90 Millionen Euro, wovon jeweils etwa die Hälfte auf die Konsortialpartner entfallen. Die Kosten trägt zu fast 90 % Niedersachsen, den Rest Hamburg. Die dreiteiligen Triebzüge erhalten neben den seitlichen Stromabnehmern zusätzlich in den Mittelwagen die Dachstromabnehmer und die Ausrüstung für die im elektrischen Bahnbetrieb in Deutschland übliche Energieversorgung mit 15 kV, 16 2/3 Hz Wechselstrom. Sie werden von März 2006 bis August 2007 ausgeliefert. Bombardier Transportation in Mannheim fertigt die elektrische Ausrüstung, für den mechanischen Teil ist der Konsortialführer Aistom verantwortlich.

Über die Vereinbarung der Finanzierung der Infrastruktur, die auf der 32 Kilometer langen Strecke Neugraben - Stade an das S-Bahnsystem angepasst werden muss, wird noch verhandelt. Die Kosten der Infrastruktur (Wendeanlagen u.a.) in Höhe von 32,5 Millionen Euro sollen nach dem Territorialprinzip getragen werden, auf Hamburg entfallen danach 9,8 Millionen Euro, auf Niedersachsen 22,7 Millionen Euro. In Neugraben wird eine Systemwechselstelle zur Verknüpfung der heutigen S-Bahn-Infrastruktur mit der Strecke nach Stade gebaut. Hier stellen die S-Bahn-Fahrzeuge selbständig von Gleichstrom auf Wechselstrom um. Bis Neugraben fahren sie mit 1200 Volt Gleichspannung, ab Neugraben bis Stade mit 15.000 Volt/16,7 Hz Wechselspannung. Darüber hinaus wird zwischen Buxtehude und Stade zusätzliche Signaltechnik installiert, um die kurzen Taktfolgen des S-Bahn-Verkehrs zu ermöglichen. Zwischen Neugraben und Stade werden sieben bereits bestehende Bahnstationen voraussichtlich ab 2004 umgebaut. Die Stationen sind: Neu Wulmstorf, Buxtehude, Neukloster, Horneburg, Dollern, Agathenburg und Stade. Zu den Umbaumaßnahmen zählen unter anderem Bahnsteigerhöhungen auf 76 Zentimeter bzw. die beiden Bahnsteiggleise in Stade und Buxtehude, die nur mit den Zügen der Hamburger S-Bahn befahren werden, auf 96 Zentimeter. Darüber hinaus werden teilweise neue Zugzielanzeiger sowie Beschilderungen, Sitzgelegenheiten und Unterstände auf den Stationen gebaut. Im Hamburger Stadtteil Fischbek entsteht eine neue S-Bahn-Station.

Die 1983 von der damaligen Deutschen Bundesbahn eröffnete „Harburger S-Bahn" zwischen Hamburg Hauptbahnhof und Harburg Rathaus wurde 1984 nach Hamburg-Neugraben verlängert und wird im Schnitt von über 80.000 Fahrgästen täglich benutzt.

Ein Verkehrsvertrag über den Nahverkehr im Gebiet von Hamburg wurde bereits im Juni 2003 mit der DB geschlossen. Dieser Verkehrsvertrag umfasst eine Laufzeit von acht Jahren und gilt rückwirkend seit dem 1. Januar 2002 bis zum Fahrplanwechsel im Dezember 2009. Der vereinbarte Umfang des Verkehrsangebotes beträgt über 12 Millionen Zugkilometer pro Jahr, wofür die DB AG jährlich 84 Millionen Euro erhält. Davon fährt die S-Bahn Hamburg mit ihren sechs Linien ein Gesamtvolumen von über 10 Millionen Zugkilometer pro Jahr. Der Rest wird von DB Regio AG mit Regionalzügen in die Nachbarländer Hamburgs gefahren. Mit Auslaufen des Vertrags im Jahre 2009 wird sich die Deutsche Bahn AG dem Wettbewerb im Schienenverkehr auch in Hamburg stellen müssen. Weitere Verkehrsleistungen - wie die geplante Flughafen-S-Bahn oder die S-Bahn nach Stade - werden in gesonderten Verträgen geregelt. (sm)

DBV Nord

aus SIGNAL 1/2004 (Februar/März 2004), Seite 25-26