Nordrhein-Westfalen
Die Zweiteilung in Hoch- und Niederflurnetz bringt für Fahrgäste mehr Verdruß als Nutzen.
1. Mär 2004
Mit der Entscheidung aus dem Jahr 1997, ein Teil des Kölner Stadtbahn-Netzes nur noch mit Niederflurfahrzeugen zu betreiben, gehen nun jahrelang gewohnte Direktverbindungen verloren. Mit der seit dem Fahrplanwechsel am 14. Dezember 2003 wirksam gewordenen Aufteilung des Netzes in einen Hochflurbereich (mit 90 cm hohen Bahnsteigen) und einen Niederflurbereich wurde die umsteigefreie direkte Nord-Süd-Verbindung von Chorweiler, Longerich, Niehl und Merkenich zur Innenstadt (Bahnhöfe Dom/Hbf und Neumarkt) gekappt. Die Kölner Verkehrsbetriebe (KVB) bot diese bisher mit den aufkommensstarken Stadtbahn-Linien 12 und 18 an. Nunmehr heißt es für alle Fahrgäste aus dem Kölner Norden kurz vor der Innenstadt am Ebertplatz, „Umsteigen bitte".
Mit Hochflur-Stadtbahnwagen bedient werden zukünftig nur noch die Linien, die über die Nord-Süd-Strecke von Mülheim über Ebertplatz - Dom/Hauptbahnhof - Barbarossaplatz (Linien 5, 16,18, 19) sowie Friesenplatz - Neumarkt - Severinbrücke - Bahnhof Deutz (oben) (Linien 3 und 4) bedient werden. Alle anderen Strecken, wie die Ost-West Verbindung über Bahnhof Deutz - Heumarkt - Rudolfplatz (1, 7, 8, 9) sowie die Strecke über die Ringe (6, 12,15) werden den Niederflurfahrzeugen vorbehalten bleiben. Im Hochflurnetz soll auch die „Gürtel"-Linie 13 verbleiben.
Betrieblich ist diese Netzteilung nicht notwendig, da überhaupt nicht absehbar ist, wann die Nord-Süd-Strecke Mülheim - Neumarkt mit Hochbahnsteigen ausgerüstet werden wird. Bislang fehlt der Stadt das Geld für den Bau - Hochbahnsteige sind in Köln nur auf dem Bocklemünder Streckenast vorhanden.
Doch schon jetzt preist die KVB die Vorzüge der neuen Netzstruktur: „Durch den stufenlosen Einstieg ergeben sich für die Fahrgäste spürbare Vorteile". Ausschliesslich mit Hochflurfahrzeugen werden und müssen die Linien 3 und 4 (Bocklemünd - Deutz - Mülheim Thielenbruch bzw. Schlebusch) bedient werden und nur dort sowie in Mülheim gibt es bislang den Vorteil des stufenlosen Einstiegs in Hochflurwagen. Die nach Bonn führenden Linien 16 und 18 bieten den Komfort des stufenlosen Einstiegs erst südlich von Wesseling an. An allen Innenstadtbahnhöfen des zukünftigen Hochflurnetzes müssen im Einstieg die herkömmlichen Hochflur-Stadtbahnwagen regelrecht geentert werden, da sie mit den alten 35 cm Bahnsteigen ausgerüstet sind.
Zwar muss in vielen U-Bahn-Netzen kurz vor dem Ziel in der Innenstadt von Tangentiallinien auf Radiailinien umgestiegen werden (Beispiele sind etwa Hamburg und München), doch galt bisher als besonderer Vorzug Kölns, dass sich die Stadtväter statt für die klassische U-Bahn für eine U-Straßenbahn, wie es in den 1960er Jahren hiess, entschieden haben, so dass damit viele Direktverbindungen angeboten werden können. Ohnehin ermöglichten die zwischen 1968 und 1974 eröffneten U-Tram-Strecken in der Innenstadt, dass diese nach dem Kriegsende wieder durch die Straßenbahn erschlossen wurde. Die KVB fährt ihre Linien seit Dezember 2003 so, als ob alle dafür vorgesehnen Bahnhöfe mit Hochbahnsteigen ausgerüstet sind. Erst wenn die zweite Nord-Süd-Tunnelstrecke Strecke Dom/Hauptbahnhof - Heumarkt - Ubierring am Ende des derzeitigen Jahrzehnts fertiggestellt sein wird, kann mit der Einrichtung einer Entlastungslinie auf der Rheinuferbahn gerechnet werden.
Mit der Netzaufteilung und dem Umstellen der Linie 6 auf Niederflur-Stadtbahnwagen wurde auch die Straßenbahn-Strecke nach Marienburg stillgelegt.
Natürlich wäre es besser, konsequent das Kölner Stadtbahnnetz auf Niederflurbetrieb umzurüsten. Zwei Dinge stehen dem aber entgegen: Die Bonner. Dort gibt es eigentlich nur noch auf der Siebengebirgsbahn nach Bad Honnef (Linie 66) keine Hochbahnsteige, sie müssten ihre in die letzten 25 Jahren erbauten Bahnsteige auf Niederflur umrüsten. Zudem beschaffen sowohl die KVB als auch die Bonner Stadtwerke neue Hochflurfahrzeuge von Bombardier (Typ K 5000), die die Stadtbahnwagen der ersten Generation von Duewag ablösen. In den kommenden 30 Jahren macht daher auch fahrzeugseitig die Umrüstung auf Niederflur keinen Sinn. Experten befürchten indessen, dass die Ausrüstung der Bahnsteige im nunmehrigen Kölner Hochflurnetz auch 30 Jahre dauern könnte. So bleibt als einziger Vorteil, den die KVB entsprechend herausstellt, dass durch die entfallenden Zugkreuzungen am U-Bahnhof Ebertplatz die chronischen Zugverspätungen im Kölner U-Bahn-Netz künftig etwas weniger werden.
Als Fazit bleibt festzustellen: Statt, wie etwa Stuttgart oder Hannover, das Stadtbahnnetz wo immer möglich, konsequent auf Hochbahnsteige umzurüsten, die genau wie der Niederflurbetrieb den stufenlosen und bequemen Einstieg ermöglicht, werden in Köln dem neumodischen Fetisch „Niederflur" Fahrgastinteressen in massiver Weise geopfert.
Aber vielleicht gilt die alte kölnische Weisheit: „Es kütt wie es kütt, unn et es bisher emmer noch jott jejange". Für Kölner Fahrgäste ist es für die Zukunft zu wünschen.
DBV West
aus SIGNAL 1/2004 (Februar/März 2004), Seite 29-30