Berlin
Auf der Görlitzer Bahn sind von 2006 bis 2009 umfangreiche Bauarbeiten zur Instandsetzung der Infrastruktur geplant. Für den Bereich S-Bahnhof Baumschulenweg bis Brücke Britzer Verbindungskanal (auch als Britzer Zweigkanal bezeichnet) lagen im März 2004 die Unterlagen zur Planfeststellung aus.
1. Mai 2004
Der S-Bahnhof Baumschulenweg soll abgerissen und neu aufgebaut werden. Er soll auch künftig drei Bahnsteigkanten haben. Eine Kante vom Südring Richtung Süden, eine vom Ostring Richtung Süden (an einem Mittelbahnsteig) und eine Kante von Süden (am Außenbahnsteig).
Der Regionalbahnsteig wird beseitigt und nicht wieder aufgebaut. Die Brückenkonstruktion über die Baumschulenstraße wird abgerissen und mit einer Straßendurchfahrthöhe von 4 Metern und einer Straßenbreite von 26,90 Metern neu gebaut.
Für die Fernbahngleise ist eine Entwurfsgeschwindigkeit von 120 km/h vorgesehen, für die S-Bahn 100 km/h bzw. 60 km/h. Grundsätzlich wurde der Kapazitätsbemessung das bestehende S-Bahn-Betriebskonzept zugrunde gelegt.
Die S-Bahnsteige werden über die Baumschulenstraße verschoben und mit Zugängen zu jeder Straßenseite versehen. Die südöstlichen Ausgänge münden in den bestehenden Bahnsteigtunnel. Es sollen jeweils eine Steintreppe, eine Fahrtreppe sowie ein Aufzug installiert werden. Im Bahnsteigtunnel wird Raum für Geschäfte und eine Fahrkartenausgabe vorgesehen. Oberlichter in der Decke werden für Tageslicht im Tunnel sorgen.
Von der nordwestlichen Straßenseite führt eine neue feste Treppenanlage unter der Brücke auf die Bahnsteige.
Die Bahnsteige mit 152,5 Metern Länge werden mit den historischen Stützen des Bahnsteigdaches auf jeweils 81 Metern Länge überdacht. Der Bahnsteigbelag soll aus Kleinmosaikpflaster bestehen (Denkmalschutz), in den die Blindenleitstreifen integriert sind. Pro Bahnsteig werden 32 Sitzmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Auf dem Mittelbahnsteig entsteht ein Aufsichtshäuschen.
Neben dem Wiederaufbau des historischen Bahnsteigdaches wird auch die Nordost-Fassade des Außenbahnsteiges denkmalgerecht saniert. Ebenso werden historische gusseiserne Brückenstützen in den Bahnsteigtunnel integriert. Sein südwestlicher Zugangsbereich wird nach historischem Vorbild aufgearbeitet. Dennoch wird sich der Eindruck des Bauwerkes von außen völlig verändern, da auf der Brücke Schallschutzwände die Ansicht dominieren werden. Das historische Stellwerk auf dem alten Mittelbahnsteig steht, bleibt erhalten. Es steht künftig außerhalb des Bahnsteigbereiches zwischen den Richtungsgleisen.
Die Brücke über den Zweigkanal wird ebenfalls erneuert. Geplant ist eine Stahl-Stabbogenbrücke mit 43 Metern Stützweite und einer Durchfahrtshöhe von 5,35 Metern. Daher ist eine Anhebung der Gleisgradiente nötig.
Umfängliche Schallschutzwände werden die Ausbreitung des Eisenbahnlärms (und die Sicht der Fahrgäste) beeinträchtigen. An der südwestlichen (Fernbahn-) Seite ist eine Schallschutzwand vom Schöntaler Weg bis zur Kanalbrücke geplant (600 Meter). An der nordöstlichen (S-Bahn-) Seite verläuft die Schallschutzwand von der Trojanstraße bis zur Kanalbrücke. Dabei ist sie im Bereich des Bahnsteiges durch die bestehende historische Seitenwand unterbrochen. Die neue Schallschutzwand wird hier also ca. 500 Meter lang.
Um den S-Bahn-Betrieb während der Bauphase auf dieser wichtigen Strecke aufrecht erhalten zu können, soll der seit Jahren stillliegende Regionalbahnsteig zu letzten Ehren gelangen. Ein Fernbahngleis wird in diesem Abschnitt provisorisch mit einer Stromschiene ausgerüstet und die S-Bahnen halten am Regionalbahnsteig, der dafür mit einer Holzkonstruktion auf die bei der S-Bahn übliche Bahnsteighöhe gebracht wird. Der Regional- und Fernverkehr wird im Vorgriff auf diese Baumaßnahme schon seit dem Fahrplanwechsel im Dezember 2003 über den Außenring umgeleitet. Am Britzer Zweigkanal wird eine Hilfsbrücke genutzt.
Für die Baustellenzufahrt an der Ekkehardstraße werden leider einige Bäume fallen müssen, die später an anderer Stelle ersetzt werden sollen.
Aus Fahrgastsicht ist diese Bauplanung insgesamt positiv zu bewerten. Die Erneuerung der heruntergekommenen Bahnsteige und deren Verschiebung über die Brücke mit Zugängen von beiden Straßenseiten sind auf jeden Fall zu begrüßen. Ebenso ist der Einsatz von Fahrtreppen an diesem wichtigen Bahnhof wirklich angemessen. Dass Aufzüge geplant sind, gehört heute bei Neubauten ja zum Glück zum Standard.
Das Wiederverwenden historischer Elemente des alten Bahnhofes (Fassade, Bahnsteigdach, Mosaikpflaster usw.) wird dem Bahnhof weiterhin eine besondere Identität geben und sich aus dem Einheitsstil des Bahnsteigausstatter-Katalogs anderer Sanierungsbahnhöfe herausheben.
Für die Bauphase ist die Aufrechterhaltung des S-Bahn-Verkehrs unter Nutzung des Regionalbahnsteiges eine sehr gute Idee. Eine Streckensperrung über längere Zeit hätte hier sicher zum Chaos geführt. Die anschließende dauerhafte Beseitigung des Regionalbahnsteiges Baumschulenweg ist akzeptabel, da ja weiterhin der Regionalbahnsteig in Schöneweide zur Verfügung steht.
Für die Fahrgäste bleibt ein einziger Wermutstropfen: Die fortschreitende „Verschallschutzwandung". Für Fahrgäste geht das Reiseerlebnis des Fahrens auf dem Bahndamm mit Ausblick auf die Umgebung verloren. Und im Stadtbild verschwinden die charakteristischen S-Bahn-Züge, die seit bis zu 80 Jahren das Stadtbild bestimmen, hinter grauen Mauern. Direkte Anwohner mögen darüber anders denken. Grundsätzlich ist es schon lange überfällig, neue und verträglichere Methoden der Lärmvermeidung und des Lärmschutzes zu entwickeln und einzusetzen.
Ansonsten verwundert ein Detail der Planung: Die nordwestliche Treppenanlage zum Bahnsteig ist etwas unübersichtlich gestaltet. Hier würde ein geradliniger Verlauf Reinigungskosten einsparen, weniger Rückzugsräume für Sprayer bieten und die Sicherheit im Zugangsbauwerk erhöhen.
Nicht Bestandteil des Planfeststellungsverfahrens ist die Anordnung der Bushaltestellen. Durch die Aufweitung der Brücke über der Baumschulenstraße könnten die Bushaltestellen nun bedeutend besser als bisher in die Nähe der Bahnhofszugänge gelegt werden. Die Haltestelle Richtung Nordosten sollte optimal von der Einmündung Behringstraße bis unter die Bahnbrücke hinunterreichend angelegt werden. So steht die Brücke als Regenschutz zur Verfügung und bei großer Lärmbelastung durch Kraftfahrzeuge können die Fahrgäste auch außerhalb der Brücke direkt am Bahnhofszugang warten.
Die Haltestelle Richtung Südwesten ist unter der Brücke an der Einmündung zur Ekkehardstraße am besten aufgehoben. Allerdings wird durch die geplante Durchfahrthöhe von vier Metern hier der Einsatz von Doppeldeckbussen auch weiterhin nicht möglich sein.
Über die ab Ende März ausgelegten Planfeststellungsunterlagen für den benachbarten Bereich des S-Bahnhofs Adlershof werden wir in SIGNAL 3/2004 berichten, (fm)
IGEB S-Bahn und Regionalverkehr
aus SIGNAL 2/2004 (April/Mai 2004), Seite 13-14