Berlin

Ab durch den Tunnel
Planungen für den Berlin-Brandenburg-Takt 2006

Die magische Veranstaltung Fußballweltmeisterschaft im Sommer 2006 wirft auch für den Regionalverkehr ihre Schatten voraus. Es weis niemand, warum drei oder vier ausverkaufte Fußballspiele im Berliner Olympiastadion die vorhandene Verkehrsinfrastruktur überfordern sollten, aber trotzdem bietet sich mit dem Termin ein willkommener Fixpunkt für die Inbetriebnahme von Nord-Süd-Tunnel und Lehrter Bahnhof an.


IGEB S-Bahn und Regionalverkehr

1. Mai 2004

Jedoch zunächst zum Fahrplanwechsel im Dezember 2004. Zu diesem Zeitpunkt wird sich im Regionalverkehr Berlin-Brandenburg noch recht wenig ändern. Das Netz bleibt im Wesentlichen beim bisherigen Schema. Neu ist, dass auf den Linien

und

nicht mehr DB Regio den Betrieb durchführen wird. Neuer Betreiber ist die „Ostdeutsche Eisenbahn" ODEG, eine Tochter der Prignitzer Eisenbahn und der Hamburger Hochbahn.

Auf zwei Strecken sollen nach mehrjährigen Bauarbeiten ab Dezember 2004 endlich wieder Züge fahren:

Hier sollen die Bahnen künftig stündlich verkehren, ebenso wie auf dem Abschnitt Wittenberge - Wittstock. Wann auf der letztgenannten Strecke die Ausbaumaßnahmen für den Prignitz-Express beginnen sollen, ist nach dem Maut-Desaster offen.

Hoffnung gibt es dagegen für die (wegen schlampiger Sanierungsplanung seit etlichen Jahren im Schienenersatzverkehr befahrene) Strecke Bad Saarow-Pieskow - Beeskow. Es gibt Zeichen, dass nun Ende 2005 dort endlich wieder Züge fahren könnten. 12,5 der 15,5 Millionen Euro sind vom Ministerium als förderfähig eingestuft worden. Die Frage ist nur, ob die Bahn die 3 Millionen Euro Eigenmittel aufbringen wird.

Gut stehen die Signale für die S-Bahn nach Teltow Stadt. Sie soll im Dezember 2004 in Betrieb gehen.

2006: Große Pläne im Tunnel

Große Pläne haben beide Länder, VBB und Bahn dagegen für das Jahr 2006, wenn der Berliner Nord-Süd-Tunnel unter dem Tiergarten in Betrieb gehen soll.

Mit der Tunnelfertigstellung soll ein entscheidender Schritt zum „Berlin-Brandenburg-Takt" geleistet werden; bis zum Jahre 2009 sind weitere Schritte vorgesehen. Zu diesem Thema gibt es im Internet eine Broschüre vom brandenburgischen Verkehrsministerium (www.mswv.brandenburg.de/cms/media.php/2239/bahnkonzept2009.pdf ).

Die Anbindung der Halte um Falkensee ist bisher im Konzept des VBB noch nicht befriedigend gelöst. Der Einsatz solch kleiner Triebwagen auf der Relation Falkensee - Stadtbahn - Flughafen Schönefeld erscheint nicht angemessen. Foto: Florian Müller

Die Planungen sind von VBB und DB noch nicht im Detail ausgearbeitet und mit den Bestellern Berlin und Brandenburg auch noch nicht komplett abgestimmt. Die im Folgenden beschriebenen Planungen sind also nur als ein grundlegender Planungsstand zu betrachten und sicher noch nicht das letzte Wort.

Im Einzelnen sieht das Konzept für die Zeit ab Tunnelfertigstellung folgendes RE-Grundliniengerüst vor (siehe Farb-Grafik auf Seite 4). Die Taktfrequenzen dieser Linien entsprechen dabei den heutigen.

Einige weitere Linienführungen im Berliner Raum sind noch ungeklärt. Ob etwa die in der Grafik dargestellte Durchbindung der Linien aus Frankfurt/Oder - Eberswalde über die Stadtbahn in Richtung Michendorf-Jüterbog kommen wird, ist fraglich. Auch die dargestellte Durchbindung einer RB-Linie aus Nauen über Spandau - Jungfernheide - Gesundbrunnen nach Lichtenberg ist nach derzeitigem Stand eher unwahrscheinlich.

Bessere Lösungen wurden zugesichert für eine Anbindung des Flughafens Schönefeld. Auch wenn mit einem Ausbau des Flughafens bis Ende des Jahrzehntes nicht zu rechnen ist (und damit keine deutliche Nachfragesteigerung erwartet wird), soll es einen attraktiven Verkehr dorthin geben.

Der Vorschlag vom DB-Konzernbeauftragten für Berlin, Peter Debuschewitz, eine Pendellinie mit Oberleitungstraktion auf den Ferngleisen von Papestraße nach Gesundbrunnen als Ersatz für die fehlende S 21 durch den Tunnel zu leiten, stößt bisher beim Besteller auf eher mäßiges Interesse.

In Berlin wird es neben dem Lehrter Bahnhof, der sich dann zum Hauptbahnhof entwickeln kann, auf den Zulaufstrecken zum Tunnel Halte der Regionalzüge in Gesundbrunnen, Jungfernheide, Papestraße und Lichterfelde Ost geben. Bis auf Lichterfelde Ost, wo die Züge zur Dresdener Bahn möglicherweise nicht halten werden, sollen alle RB und RE-Linien auf den entsprechenden Stationen entlang ihres Laufweges halten.

Integrale Taktknoten

2006 soll in diesem Loch Berlins neuer Hauptbahnhof in Betrieb gehen. Ob die Fahrgäste wirklich gern zwischen den beiden Stadtzentren aussteigen wollen, wird sich zeigen. Foto: Florian Müller, März 2004

Ein erfreuliches Ziel des neuen Fahrplankonzeptes ist die Orientierung auf integrale Taktknoten. Hieß es noch vor ein paar Jahren aus Bahnkreisen, Brandenburg würde sich für integralen Taktverkehr nicht eignen, so hat nun anscheinend ein Umdenken eingesetzt. Taktknoten zur vollen Stunde sollen unter anderem in Wittenberge, Neustrelitz, Rathenow, Falkenberg (wie schon jetzt), Ruhland, Brandenburg und Cottbus entstehen. Auch in Orten, die keine Bahnknoten (mehr) sind, sollen Taktknoten zur Verknüpfung mit dem Busverkehr entstehen. Dazu gehören Wittstock, Schwedt, Bad Freienwalde, Zossen und Eisenhüttenstadt. Jeweils zur Minute 30 treffen sich nach diesem Plan Züge untereinander oder mit Bussen in Neuruppin, Neustadt/Dosse, Templin, Spremberg, Beelitz, Rheinsberg oder Hoyerswerda. In Frankfurt und Eberswalde sollen sowohl zur vollen als auch zur halben Stunde Taktknoten entstehen.

Es bleibt abzuwarten, inwieweit die Ziele auch umsetzbar sind.

Offene Fragen

Die Umsetzung dieses Programms ist vom Baufortschritt abhängig. Dabei sind einige Fragen bis jetzt noch nicht mit Sicherheit beantwortet. Dazu zählt die Eröffnung des Tunnels selbst. Ob wirklich bis zur Fußball-WM im Sommer 2006 das komplette Programm gefahren werden kann oder erst der Fahrplanwechsel im Dezember 2006 der entscheidende Stichtag ist, wird sich zeigen.

Nach gegenwärtigem Stand zeichnet sich ab, dass das Karower Kreuz bis 2006 noch nicht fertig sein wird. Dies betrifft vor allem die Überführung der Strecke aus Richtung Bernau über den Außenring (siehe Signal 6/2003 , Seite 27). Deswegen soll der RE 3 zunächst über den Außenring (Hohenschönhausen) nach Lichtenberg und dann den Innenring nach Gesundbrunnen fahren, bevor er in den Tunnel einbiegt. Auch an eine Durchbindung der Heidekrautbahn nach Gesundbrunnen ist dann noch nicht zu denken. Wünschenswert wäre es, wenn nach Fertigstellung der Weiche in Karow eine Führung nach Lichtenberg möglich wäre, was vielleicht auch langfristig gegenüber der Fahrt parallel zur S-Bahn nach Gesundbrunnen Vorteile hätte.

Der RE 5 Richtung Neustrelitz soll von der Problematik Karower Kreuz nicht betroffen sein.

Die Fertigstellung der Dresdener Bahn auf Berliner Gebiet ist in weite Ferne gerückt. Deshalb sollen die Züge in diese Richtung von Papestraße zunächst über die Anhalter Bahn und dann über den Außenring nach Blankenfelde geführt werden. Es bleibt zu hoffen, dass wenigstens die dazu nötige neue Verbindungskurve bei Genshagener Heide rechtzeitig fertig wird. Anderenfalls könnten umfängliche Änderungen am ganzen Konzept erforderlich werden.

Weitere Details der Linienführung sind noch nicht endgültig geklärt. Dazu gehört zum Beispiel eine Verbindung von Schönefeld nach Ludwigsfelde.

Schwachpunkte

Nach gegenwärtigem Planungsstand zeichnen sich schon einige Problemfälle ab. Dazu gehört in erster Linie die Anbindung der Stadtbahn. Diese erschließt derzeit in hervorragender Weise die zentralen Bereiche in Ost und West mit dem Umland. Mit der Führung durch den Tunnel verändert sich dies für etliche Relationen. Zwar ergeben sich so neue, attraktive Reisemöglichkeiten, etwa durch die Anbindung des Potsdamer Platzes oder durch die Verknüpfung mit der Ringbahn in Jungfernheide und Gesundbrunnen sowie Papestraße. Dennoch ist zu befürchten, dass sich für einige Bereiche deutliche Nachteile ergeben.

Betroffen könnte dabei vor allem die Region Falkensee sein. Bis die S-Bahn eines Tages endlich dorthin fährt, muss der Regionalverkehr ihre Funktion übernehmen. Da sich dieser Zustand anscheinend noch einige Jahre hinzieht, ist hier besondere Aufmerksamkeit geboten. Auf jeden Fall ist ein über den RE 6 hinausgehendes Angebot auf die Stadtbahn unbedingt nötig.

Als zusätzliches Angebot wäre die in der Liniengrafik enthaltene RB 10 von Nauen über Spandau - Jungfernheide - Gesundbrunnen nach Lichtenberg wünschenswert. Damit würde eine neue und unschlagbar schnelle umsteigefreie Verbindung von Spandau nach Wedding hergestellt. Diese Ergänzungs-Verbindung würde sich sicher zum „Renner" entwickeln. Aber leider wurde diese Linie inzwischen aus dem Konzept gestrichen.

Die Führung der RE 6 wie auch die mögliche Durchbindung einer RB Eberswalde - Stadtbahn - Michendorf - Jüterbog könnte auch hinsichtlich der Kapazität der Züge problematisch sein. Für beide Linien reichen auf den Berlin-fernen Abschnitten ihrer Laufwege relativ kleine Fahrzeug-Einheiten aus. Aber im Pendler-Bereich der Stadtbahn platzen sie sicher aus allen Nähten. Ebenso ist offen, ob eine Durchbindung dieser Züge über die Stadtbahn von den chronisch klammen Bestellern überhaupt bezahlt werden.

Denkbar wäre zumindest übergangsweise eine Führung der RB 10 aus Nauen über die Stadtbahn nach Schönefeld oder die Führung des RE 3 auf seinem jetzigen Laufweg.

Auffällig ist, dass von der neuen Führung durch den Tunnel vor allem der Regionalverkehr betroffen sein wird. Der Löwenanteil des Fernverkehrs, etwa die ICE Richtung Ruhrgebiet und Frankfurt am Main, soll nach jetzigem Stand dagegen auf der Stadtbahn verbleiben. Ob DB Reise&Touristik AG, die die Fernzüge auf eigene Rechnung betreiben, gemerkt haben, dass auf den Bahnhöfen der Stadtbahn mehr Fahrgastpotenzial vorhanden ist als in Lehrter Bahnhof und Papestraße?

Bedauerlich ist das Fehlen einer Fahrmöglichkeit für Regionalzüge auf der Kremmener Bahn von der Innenstadt nach Hennigsdorf, so dass es bei der unattraktiven Umwegführung des RE 6 über Falkensee bleiben wird. Von den reinen Fahrzeiten wäre man zukünftig vom Lehrter Bahnhof über Löwenberg/Mark mindestens genauso schnell in Neuruppin (und deutlich schneller in Rheinsberg) wie von Charlottenburg mit dem RE 6 über Falkensee.

Ebenso unbefriedigend ist im Konzept die Anbindung des Flughafens Schönefeld. Bisher ist der Flughafen vom RE 4 und RE 5 alle halbe Stunde von der Innenstadt recht günstig erreichbar, zusätzlich zur S-Bahn. Es bestehen viele umsteigefreie Verbindungen von brandenburgischen Bahnhöfen durch die sehr langen Laufwege der REs. Diese Qualität würde durch die Reduzierung auf Züge mit Regionalbahn-Charakter (kurze Linien, lange Reisezeiten, Umwegfahrten) verloren gehen. Daneben sind massive Einschnitte bei der Schönefeld-Bedienung durch den Fernverkehr zu erwarten.

Mit der Tunneleröffnung steht für den Berliner Raum die größte Änderung im Regionalverkehr seit der Stadtbahnsanierung bevor. Es bleibt zu hoffen, dass ein wirklich attraktives Regionalbahnnetz entsteht und die vielen neuen Fahrmöglichkeiten auch gut angenommen werden, (kut, fm)

IGEB S-Bahn und Regionalverkehr

aus SIGNAL 2/2004 (April/Mai 2004), Seite 21-22