Titelthema Infrastruktur
Gut kommen sie inzwischen voran: Die Bauarbeiten für die neue Straßenbahnstrecke auf der Invalidenstraße in Berlin-Mitte. Trotzdem soll die Trasse, die ursprünglich zeitgleich mit dem Hauptbahnhof im Mai 2006 ans Netz gehen sollte, erst ab Ende 2015 befahren werden.
12. Feb 2014
Sommer 2013: Die Senatsverwaltung und die BVG laden die Presse zum Vor-Ort-Termin an der Gleisschleife am Hauptbahnhof, nachdem in einem Fernsehbericht die Invalidenstraße als unangefochtener Sieger der „nervigsten Baustellen Deutschlands“ gekürt wurde. Die beteiligten Institutionen seien inzwischen alle im Zeitplan, obwohl die Baustelle sehr kompliziert sei, so der Tenor in den Äußerungen der Vertreter von Senat und BVG. Überraschende Flussläufe (Panke) und falsche Pläne aus DDR-Zeiten hätten für große Probleme gesorgt. Und dann wurden die Daten bekanntgegeben:
Demnach wäre eine Teilinbetriebnahme frühestens 2015 möglich. Man überlege aber, davon abzusehen, da für die komplette
Inbetriebnahme die Strecke wieder für viele Wochen gesperrt werden müsse und man dies den Fahrgästen nicht zumuten wolle. Daher rechne man mit einer Gesamtinbetriebnahme Ende 2015.
2,9 Kilometer ist die Gesamtstrecke kurz. Bei all den so unvorhersehbaren Unwägbarkeiten sollen die Fahrgäste bis zur Fertigstellung nun weitere zwei Jahre warten? Wo doch der bereits fertiggestellte westliche Abschnitt vom Hauptbahnhof bis zur Endstelle Alt-Moabit über die Aufstellanlage in der Emma-Herwegh-Straße bereits beginnt, von der Natur zurückerobert zu werden?
Auch kamen die Bauarbeiten in der Invalidenstraße zuletzt überraschend schnell voran. Gleise und Straße machen im milden Januar 2014 den Eindruck, in wenigen Wochen befahren werden zu können. Nur an der Haltestelle vorm Hauptbahnhof und der Straßenkreuzung mit der Chausseestraße, wo der U 6-Tunnel abgedichtet wurde, klaffen noch große Löcher.
Selbst die restlichen Haltestelleninseln sind fast fertiggestellt, auch wenn einige in ihrer Bauausführung überraschen. So hat die an den Bürgersteig angebaute Kaphaltestelle Invalidenpark (Richtung Osten) auf beiden Seiten freistehende Gitter an den Abgängen zur Straßenseite erhalten, die außer zum Fahrradanschließen oder Befestigen diverser Schwarzplakatierungsuntergründe keinen wirklichen Zweck erkennen lassen. Oder die Haltestellen am U-Bahnhof Naturkundemuseum, die zum Teil in der Kurve liegen und nicht die für GT6-Doppeltraktionen benötigte Länge aufweisen.
Im Großen und Ganzen befindet sich die Strecke aber optisch kurz vor der Fertigstellung. Eine Eröffnung erst Ende 2015 erscheint da geradezu grotesk. Auch die Behauptung, man müsse nach einer Teileröffnung nochmals für viele Wochen sperren, um den Abschnitt zum Nordbahnhof in Betrieb zu nehmen, ist nicht überzeugend. Denn für eine Teilinbetriebnahme muss zumindest der Kreuzungsbereich am U-Bahnhof Naturkundemuseum bereits fertig sein. Nur um Schienen und Fahrleitung des fehlenden Astes anzuschließen, genügt eine Wochenendsperrung – selbst für das großzügige BVG-Bautempo wäre mehr als eine Woche reichlich übertrieben.
Der Berliner Fahrgastverband IGEB fordert daher, die Strecke so schnell wie möglich fertigzustellen und spätestens zum Fahrplanwechsel im Dezember 2014 mindestens zum Teil in Betrieb zu nehmen. (hm)
IGEB Stadtverkehr
aus SIGNAL 1/2014 (Februar 2014), Seite 6-7