Titelthema Infrastruktur
12. Feb 2014
Sieben Jahre nach Baubeginn für den Neubau des Bahnhofs Ostkreuz verfolgt der Senat die Planungen, die Straßenbahn direkt zum Bahnhof zu führen und damit die Umsteigewege zu verkürzen, nun endlich mit größerem Nachdruck. Jetzt wird dieses Projekt sogar als „Straßenbahnneubau“ vermarktet, obwohl es im Kern um die Verlegung einer existierenden Strecke geht: Die Linien 21 und zukünftig 21 E (zzt. bis Alfred-Kosanke-Siedlung in der Planung) sollen eine Haltestellenanlage neben dem zukünftigen Regionalbahnsteig der Ostbahn unter den Ringbahnbrücken erhalten (siehe auch SIGNAL 6/2012 ).
Am 5. Dezember 2013 informierte die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz auf einer gutbesuchten Bürgerveranstaltung über den Stand des Verfahrens. Im Zentrum stand die Frage,
welche der vielen Trassenvarianten Grundlage für das Planfeststellungsverfahren wird. Nun ist es so, dass Veränderungen in einer Wohngegend immer mit großer Vorsicht zu planen sind. Auch ist eine Einbeziehung der Anwohner in Senatsplanungen bereits im Vorfeld keine besondere Gnade der Verwaltung, sondern muss eine Selbstverständlichkeit sein.
Für Kontroversen sorgte zuvor insbesondere die Idee einer „Spitzkehre“ aus der Marktstraße unter den Ringbahnbrücken, was auf die Initiative einer lokalen Bürgerinitiative zurückgeht, die die Sonntagstraße frei von Straßenbahngleisen halten will. So wurden tendenziöse Fotomontagen der derzeitigen Sonntagstraße mit querparkenden Autos publiziert, durch die sich (zukünftig) Busse und Straßenbahnen „quetschen“. Auch wurde behauptet, künftig würde durch eine „ruhige, beschauliche“ Wohnstraße eine Straßenbahn „auf Kopfsteinpflaster“(!) „poltern“, die „durch die Kurven quietscht“, „Grün vernichtet“, „arglose Familien und kleine Kinder totfährt“ und – das ist der eigentliche Kern hinter der Kampagne – einige Parkplätze in der mittlerweile von luxuriösen Wohnungen geprägten Gegend kostet.
Während der Senat mittlerweile klar die Führung der Straßenbahn über Holteistraße und Sonntagstraße zum Bahnhof und weiter durch die Marktstraße favorisiert, gaben sich die Gegner einer Führung durch die Sonntagstraße nach wie vor unversöhnlich. Allerdings ist ihr Einfluss angesichts eines Bündnisses von zehn Inititiven und Verbänden pro Sonntagstraße, darunter die IGEB, deutlich geringer geworden.
Die 21 ist eine zunehmend nachgefragte Verbindung für Fahrgäste aus dem Raum Oberschöneweide, Karlshorst und Rummelsburg zum Frankfurter Tor mit Umstieg dort in die U 5. Jede Verlängerung der Durchfahrtzeiten auf dieser Relation würde die Verbindung entwerten und mühsam gewonnene Fahrgäste kosten. Die Variante mit Stichstrecke würde bis zu sechs Minuten kosten, was einen Zug (Umlauf) mehr erforderte.
Es ist gut, dass der Senat bei der Untersuchung der einzelnen Varianten jetzt zu demselben Ergebnis kam und die Spitzkehre nicht weiter verfolgen wird. Erfreulicherweise hat sich der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg in Gestalt des Baustadtrates Hans Panhoff ebenfalls klar für die Straßenbahn durch die Sonntagstraße positioniert, da man die Chancen der Umgestaltung der Verkehrsflächen in dem Gebiet ergreifen will.
Selbstverständlich muss die zu bauende Strecke durch die Holtei- und Sonntagstraße lärmmindernde Flüstergleise nach Stand der Technik erhalten. Es gilt aber auch: Wer sich am zukünftig wichtigsten Regional- und S-Bahnhof Berlins eine Wohnung zulegt, kann nicht ernstlich damit rechnen, dauerhaft in einem abgeschiedenen Vorstadtviertel zu leben.
Im Mai 2014 wird die Senatsverwaltung vor der Einleitung des Planfeststellungsverfahrens auf einer weiteren Bürgerversammlung die Detailplanungen vorstellen. (mg)
IGEB Stadtverkehr
aus SIGNAL 1/2014 (Februar 2014), Seite 12