Planung

Trojanisches Pferd für den Großen Tiergarten

Oder: Wer die Bahntunnel nicht bekämpft, erhält die Westtangente.


VCD - Landesverband Berlin

1. Apr 1994

Unverändert kontrovers diskutiert wird das sogenannte Pilzkonzept für den Berliner Eisenbahnverkehr [abgedruckt in SIGNAL 6 und 7/92 ], so auch auf dem Stadtforum des Senators für Stadtentwicklung und Umweltschutz am 21./22.1.94 zum Thema Eisenbahn. Aber auch dort wurde das größte Manko des Projekts sorgfältig verschwiegen: Das Kernstück des "Pilzkonzeptes", der Tiergartentunnel für die Eisenbahn, ist gekoppelt mit den Tunnelröhren für eine mehrspurige Schnellstraße in der Art einer Nord-Süd-Autobahn, einst als Westtangente bezeichnet, jetzt als Bundesstraße 96.

Wer sich heutzutage für den Eisenbahntunnel stark macht, handelt sich - auch wenn er es nicht will - den Autotunnel mit allen Konsequenzen ein! Der Berliner Senat benutzt den Bahntunnel als Trojanisches Pferd, um die allein nicht durchsetzbare Autoschnellstraße durch den Großen Tiergarten nach langen vergeblichen Bemühungen mit diesem Trick doch noch bauen zu können. Dabei wissen alle Fachleute, daß dieser Autotunnel die Innenstadtstraßen nicht entlastet, sondern Nord-Süd-Verkehr anzieht und dadurch die Bezirke nördlich und südlich seiner Zufahrten von einer Autowelle mit Staus, Lärm und Abgasen ungeheuren Ausmaßes bedroht sind.

Da auch die Bundesregierung den Sinn dieses Tunnels nicht einsieht, ist sie weiterhin nicht bereit, ihn zu finanzieren. Deshalb plant der Senat, die erforderliche Milliarde aus dem Landeshaushalt zu bezahlen. Angesichts der drastischen Sparmaßnahmen bei der BVG, aber z.B. auch im sozialen und kulturellen Bereich, ist dies ein ungeheuerlicher und instinktloser Plan, der zudem den Eindruck aufdrängt, daß die Bundesregierung dem Land Berlin noch lange nicht genug Gelder gestrichen hat, solange sich der Senat einen solchen Luxus erlauben kann. Damit wird die gesamtstädtische Bedeutung der fatalen Fehlplanung des Berliner Senates deutlich, der anscheinend immer noch nicht wahrhaben will, daß das Modell der autogerechten Stadt gescheitert ist und neue Straßen die Probleme verschärfen und nicht lösen.

VCD - Landesverband Berlin

aus SIGNAL 2/1992 (März 1992), Seite 21