Planung
1. Apr 1994
Die Anti-Tunnel GmbH, das Bündnis gegen die Tunnel-Projekte im Großen Tiergarten, eröffnete am 18. Februar ihre Geschäftsstelle im Haus der Demokratie in Berlin-Mitte [Adresse und Telefon s. Seite 35], Gleichzeitig konnte die 50. Mitgliedsorganisation, die Baumschutzgemeinschaft Berlin, begrüßt werden. Dem Zusammenschluß, im September 1993 auf Initiative der Bürgerinitiative Westtangente gegründet, gehören damit alle nahmhaften Umwelt- und Verkehrsverbände Berlins, viele Bürgerinitiativen, Parteien und andere Organisationen an. Über ihre Mitgliedsorganisationen hat die Anti-Tunnel GmbH (Gesellschaft mit besonderer Hoffnung) insgesamt mehrere zehntausend Mitglieder.
Ziel der GmbH ist die Verhinderung der drei Tunnelprojekte (Straße, Eisenbahn und U-Bahn) sowie des Zentralbahnhofs Lehrter Bahnhof. Bis zum November 1993 war noch ein vierter Tunnel, der für die S-Bahn, in Planung.
Umweltschädigend ist der Bau des Tunnels besonders im Großen Tiergarten. Über Grundwasserabsenkungen erwartet die GmbH ein flächenhaftes Absterben der Vegetation in der größten innerstädtischen Park- und Erholungsanlage Berlins. Hinzu kommt die grundwasserbeeinflußende Wirkung der anderen Großbaustellen ringsum (Potsdamer Platz, Zentralbahnhof, Regierungsviertel).
Der Straßentunnel wird noch mehr Autoverkehr ins Herz der Stadt ziehen, und über die dann entstehenden Probleme an den Aus- und Einfahrten wird ein Sachzwang zur Weiterführung der hochleistungsfähigen Straße in Richtung Norden und Süden geschaffen. Die alte Planung der Autobahn Westtangente käme dann in leicht veränderter Form zur Realisierung. Sechs Spuren im Straßentunnel, wie von der CDU jüngst gefordert, ergeben schon im Teilstück Tiergarten die alte Westtangenten-Planung. Auch für das südliche Teilstück wurden jüngst Pläne von der Senatsverkehrsverwaltung vorgelegt: Eine vierspurige Straße soll den Sachsendamm mit der Yorckstraße verbinden. Dann fehlt nur noch ein kleines Zwischenstück über das Gleisdreieck bis zum Anschluß an den Tunnel am Landwehrkanal - fertig wären zwei Drittel der Westtangente. Die Tunnelrampen werden häßliche Löcher im Stadtbild bilden, eine der Rampen liegt direkt im Großen Tiergarten. Die Abgase werden geballt über Abgaskamine an die Oberfläche geleitet.
Wenn man in der Innenstadt wirklich eine Verkehrsmittelwahl von 80% öffentlichem Verkehr und 20% Autoverkehr will, wie vom Senat vorgegeben wird, dann kann dies für den zentralen Bereich um den Tiergarten nur heißen: Drastische Einschränkung der Straßenkapazitäten. So kann und sollte die Entlastungsstraße als Durchgangsstraße ersatzlos aufgegeben werden und die Mitte Berlins mit einem dichten Straßenbahnnetz versorgt werden. (Dazu liegen die Konzepte "Autofreie Grüne Mitte", "Verkehrsberuhigung Mitte" und "Tra(u)mstadt Berlin" vor).
Die Konzentration der Geld- und Planungskapazitäten auf den Eisenbahntunnel fördert nicht die notwendige bessere Anbindung Berlins an das Eisenbahnnetz, weil damit an vielen anderen Stellen im Berliner Eisenbahnnetz die Projekte nicht mehr finanzierbar sind. Der Zentralbahnhof am Lehrter Bahnhof ist zudem städtebaulich unverträglich. Es gibt billigere und schneller zu realisierende Alternativen. So wurden von GmbH-Organisationen immer wieder das Ringkonzept der Bürgerinitiative Westtangente und das Stufenmodell der IGEB vorgeschlagen.
Der U-Bahn-Tunnel macht nur Sinn mit einem Zentralbahnhof, und auch hier gilt das oben angeführte: Konzentration der Mittel an den falschen Stellen. Stattdessen sollten die Finanzen massiv in den Ausbau des Straßenbahn-Netzes gesteckt werden.
Das größte deutsche Verkehrsprojekt im Berliner Tiergarten mit Kosten in Höhe von 4,4 Mrd DM (einschließlich Zentralbahnhof) ist angesichts knapper öffentlicher Kassen auch finanzpolitisch untragbar. Im Bundesverkehrswegeplan sind 10 Mrd DM pauschal für den "Eisenbahnknoten Berlin" eingesetzt, wovon ein Teil für den Nord-Süd-Tunnel einschließlich Bahnhöfen verwendet werden soll. Nach offiziellen Angaben aus Bahnkreisen reichen aber 10 Mrd DM für die Eisenbahnprojekte Berlins nicht hinten und nicht vorne, so daß zu befürchten ist, daß bei der Konzentration auf Tunnel und Zentralbahnhof das Geld dort vergraben wird und z.B. die Zulaufstrecken leer ausgehen.
Der U-Bahn-Tunnel soll mittels Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz gebaut werden; auch hier die gleiche Befürchtung: Andere, wesentlich wichtigere ÖV-Projekte in Berlin (z.B. die Straßenbahn-Verlängerungen in den Westteil) fallen hinten runter. Am wenigsten geklärt ist die Finanzierung des Straßentunnels. Hierbei schieben Bonn und Berlin den Schwarzen Peter hin und her.Der Berliner Senat hat daraufhin eine Vorfinanzierung des Straßentunnels beschlossen und 200 Mio DM als erste Rate (von insg. 800 Mio DM) in den Landeshaushalt eingestellt. Zu befürchten ist aus Berliner Sicht, daß alles am Land hängen bleiben wird.
Die Anti-Tunnel GmbH wird mit Aufklärungsund Öffentlichkeitsarbeit den Kreis der Tunnelgegner in Zukunft vergrößern. So haben sich z.B. auch der DGB und der Bund der Steuerzahler gegen die Tunnelpläne ausgesprochen. Überraschende Aktionen, wie sie die Öffentlichkeit von Bürgerinitiativen kennt, wird es sicherlich geben. Der GmbH steht eine regelmäßige juristische Beratung zur Seite, die Möglichkeit einer Klage gegen die Planungen wird erwogen. Auf das Planfeststellungsverfahren zu den Tunnelbauten wird es eine intensive Vorbereitung geben, und alle Bebauungspläne, in denen die Tunnel enthalten sind, werden kritisch überprüft. Die Anti-Tunnel GmbH wird auf allen Ebenen alle legalen Mittel ausschöpfen, um die Tunnel zu verhindern.
ANTI-TUNNEL GmbH
aus SIGNAL 2-03/1994 (April 1994), Seite 21-22