Planung

Bahn zeigt: Es geht auch schneller


IGEB

1. Apr 1994

Foto: Thomas Billik
Mit einem in Berlin ungewohnten Tempo wird die Potsdamer Bahn zwischen Steglitz und Gleisdreieck eingleisig wiederaufgebaut. Das Bild zeigt im Vordergrund das neue Gleis am S-Bf Schöneberg, dahinter (westlich) die S-Bahn-Gleise der Wannseebahn. Auf dem oberen Bild ist die Baustelle für die neue Eisenbahnüberführung über die Yorckstraße zu sehen (Sanierung der Widerlager, neuer Überbau). Im Vordergrund liegt das Gleis der Wannseebahn, die hier östlich der Potsdamer Bahn verkehrt. Foto: Thomas Billik

Seit einigen Monaten stellt die Reichsbahn/Deutsche Bahn AG die Potsdamer Bahn zwischen Steglitz und Potsdamer Güterbahnhof wieder her. Noch in diesem Frühjahr soll der Verkehr zum Potsdamer Güterbahnhof wieder aufgenommen werden, obwohl neben der Gleiserneuerung auch Brücken saniert werden müssen. Die Bahn liefert damit ein bemerkenswertes Beispiel, wie schnell und einfach verfallene Bahntrassen wieder benutzbar gemacht werden können, wenn man auf Luxusmodernisierung verzichtet und der Wille bzw. Druck vorhanden ist. Im vorliegenden Fall steht hinter dem Auftrag (neben anderen) immerhin einer der größten und einflußreichsten Automobilhersteller, Für dessen Bauvorhaben am Potsdamer Platz der Güterverkehr über die Wiederaufgebauten Gleise abgewickelt werden soll. Damit stehen der Bahn ein paar geldbringende Jahre ins Haus. Demgegenüber werden die vielen noch immer fehlenden Schienenverbindungen ins Berliner Umland vor allem von den weniger Geld bringenden Reisenden im Nahverkehr vermißt.

Man stelle sich vor, daß mit ebenso großer Geschwindigkeit, wie jetzt auf der Potsdamer Bahn gebaut wird, gleich nach dem Sturz der Mauer Gleise erneuert, Bahnsteige errichtet und ein funktionierender Regionalbahnverkehr aufgebaut worden wären. Dem Absatz der oben erwähnten Firma hätte das sicherlich nicht geschadet, aber den Reisenden und der Umwelt hätte es viel genutzt. Zu spät.

Nicht zu spät ist es dagegen für eine Doppelnutzung der Potsdamer Bahn. Es ist nicht einzusehen, daß die Gleise hier - ebenso wie auf dem Südring - nur für den Güterverkehr hergerichtet werden. Mit entsprechender Zugsicherung dürfte es überhaupt kein Problem sein, zwischen den Baustellenzügen auch eine stündlich verkehrende Regionalbahn unterzubringen. Dann könnten die von Brandenburg kommenden Züge der Linie R3 über Potsdam hinaus nach Wannsee und weiter auf die Potsdamer Bahn fahren. In Zehlendorf ist bereits ein Bahnsteig vorhanden, in Steglitz und Schöneberg könnten Behelfsbahnsteige einen Halt ermöglichen

IGEB

aus SIGNAL 2-03/1994 (April 1994), Seite 25