Aktuell

Potsdamer Gratwanderung
Angebotsverbesserungen trotz Finanzkürzungen

Zum Fahrplanwechsel Ende Mai wird der Verkehrsbetrieb in Potsdam mehrere Fahrpläne ändern, um so veränderten Bedürfnissen der Bevölkerung gerecht zu werden. Teüe dieser Änderungen sind das Resultat der Zusammenarbeit von PRO BAHN und ViP, aber auch eine Reaktion auf Fahrgasteingaben und den daraufhin erfolgten Kontrollen des Betriebsablaufes. Hervorzuheben sind die positiven Veränderungen bei der Tram. Kritikwürdig ist weiterhin die Situation beim Obus, dessen Zukunft nach wie vor ungeklärt ist.


ARGUS Potsdam Gruppe Stadtverkehr

1. Mai 1994

Tram

Auf der Potsdamer Tram-Linie 94 soll es ab dem Sommerfahrplan ein besseres Angebot geben. Sie wird dann - ebenso wie die Linie 92 - ganztägig verkehren, also etwa in der Zeit von 4 bis 24 Uhr. Foto: I. Schmidt

Die Linie 91 erhält eine um 2 Stunden längere Betriebsdauer, um so auch in der Zeit bis 20.00 Uhr noch eine gute Verbindung von der Innenstadt und den westlichen Stadtteilen zum Bahnhof Rehbrücke bzw. zu den dortigen Wohngebieten zu ermöglichen. Das Anbebot auf der Linie 92 wird nach ihrer Einführung im vergangenen Jahr jetzt auf die Zeit von etwa 4 Uhr bis gegen 24 Uhr erweitert. Neu ist bei dieser Linie auch die Verlegung der Betriebspausen von der Endstelle Robert-Baberske-Straße zum Kapellenberg, um so die immer wieder durch Fremdverschulden entstehenden Verspätungen besser abfangen zu können. Bei der 93 bleibt die Betriebsdauer unverändert, aber der 8/12-Takt wird durch einen reinen 10 Minuten-Takt ersetzt. Die 94 erhält ihre alte Betriebsdauer zurück und verkehrt nun wie die 92 täglich von ca. 4 bis 24 Uhr. Dafür wird die 95 zu einer werktäglichen Linie, die ab Beginn des Frühberufsverkehrs bis etwa 20 Uhr verkehrt. Die Linie 96 bleibt unverändert. Die 98 behält ebenfalls ihre Fahrtzeiten, wird aber jeweils in den Früh- und Abendberufsverkehren von einer Einsatz-98 verstärkt, die nur zwischen Platz der Einheit und Bisamkiez mit modernisierten Wagen verkehrt, um so die Spitzen durch das Wohngebiet "Schlaatz" von der Sterntrasse zu nehmen.

Somit entstehen ein dichter Berufsverkehrstakt von zum Teil unter 5 Minuten und ein dichtes Tagesverkehrsangebot mit einem 10-Minuten-Takt als Minimalangebot auf allen Streckenästen. Besser wird das Angebot besonders in der Schwachlastzeit nach 20.00 Uhr und an den Wochenenden zu den Potsdamer Neubaugebieten durch einen 10-Minuten-Takt zum Bahnhof Pirschheide und in Richtung Drewitz, wo es erhebliche Kritik wegen einer Unterversorgung zu diesen Zeiten gegeben hatte und wo es bei den in den Abendstunden verkehrenden Solowagen (aus Sicherheitsgründen für den Betrieb und die Fahrgäste) Überfüllungen gab.

Durch das Zusammentreffen der Züge am Platz der Einheit in den Schwachlastzeiten besteht zudem noch ein weiteres günstiges Angebot zum Durchqueren der Stadt, egal in welcher Richtung, so daß der Verlust der 95 in den Schwachlastzeiten verkraftet werden kann. Dieser Wegfall, der an den Wochenenden und Feiertagen einen 20-Minuten-Takt nach Babelsberg bedeutet, muß nun von der Buslinie 693 bzw. vom Bahnhof Potsdam Stadt aus mit der S-Bahn abgefangen werden.

Bus

Hier bleibt es im wesentlichen beim selben Angebot. Es gibt aber Verbesserungen durch die Einführung des 20-Minuten-Taktes auf der Linie 692, auch an Wochenenden und Feiertagen, und durch die Verstärkung des 693 ers auf Teilstrecken zum Beginn des Frühberufsverkehrs und des Nachmittagsberufsverkehrs sowie zum Ende des Abendberufsverkehrs. Diese Verbesserungen sind das Ergebnis einer Integration der Ausrückfahrten von Bussen anderer Linien vom und zum Bushof im Industriegelände in Rehbrücke. Damit übernimmt der Verkehrsbetrieb offiziell eine bisher geduldete Praxis der Busfahrer, die beim Ausrücken oft auch Fahrgäste aufnahmen. Leider ist diese Praxis in anderen Verkehrsbetrieben noch selten zu finden.

Zu kritisieren, aber nicht vom Verkehrsbetrieb zu verantworten ist die Durchführung des Obusbetriebes in Babelsberg, denn die immer noch fehlende Entscheidung zum Thema Obus verhindert eine vernüftige Investitionspolitik und verteuert unnötigerweise dieses umweltfreundliche Verkehrssystem.

Ausblick

Durch eine immer fragwürdiger werdende Finanzpolitik der Stadt Potsdam gerät der Verkehrsbetrieb, seit 1. Januar eine 100%ige GmbH der Stadt, in große Finanzierungsprobleme, auch bei der Sanierung seiner Anlagen, und muß somit oft bis an die Grenzen seiner Kapazitäten gehen, um einen vernüftigen Verkehr für die Potsdamer und ihre Gäste bieten zu können. Leider zeigt unser neuer alter Oberbürgermeister, formell Dienstherr des Verkehrsbetriebes, wenig Bereitschaft zu neuen Überlegungen, und in der Diskussion um den immer noch nicht verabschiedeten Haushalt wird weiter über zum Teil massive Kürzungen zu Lasten des Verkehrsbetriebes nachgedacht.

Wenig hilfreich ist auch die Potsdamer Stadtverwaltung, besonders das Tiefbauamt, denn viele der von PRO BAHN und Verkehrsbetrieb zusammen mit betroffenen Ämtern nach einer Stadtrundfahrt im letzen Jahr entwickelten Vorschläge wurden trotz zum Teil wirklich minimaler Kosten bei gleichzeitig großer Wirkung immer noch nicht realisiert. Daß sich dieser Fakt nicht ändern wird, zeigt sich schon bei der Absicht des Oberbürgermeisters, in dem zuständigen Dezernat die alte Besetzung beizubehalten.

Wir haben deshalb nur die Möglichkeit, diese ÖPNV-feindliche Politik immer wieder publik zu machen und fundierte Gegenvorschläge zu unterbreiten - mit dem Verkehrsbetrieb als Partner.

ARGUS Potsdam Gruppe Stadtverkehr

aus SIGNAL 4/1994 (Mai 1994), Seite 7-8