Aktuell
Ohne Vorankündigung, geschweige denn Diskussion mit der Öffentlichkeit und den Anwohnern, hat die Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen in den letzten Wochen für ein einjähriges Fernbahnprovisorium der Hamburger Strecke zwischen Westkreuz und Ruhleben Bahnsteige und Aufbauten (Diensträume, Warteräume und Restaurationskioske) der Bahnhöfe Eichkamp, Heerstraße, Olympiastadion und Pichelsberg vernichtet.
1. Mai 1994
Die Anwohner stehen zusammen mit den Mitgliedern unseres gemeinnützigen Verbandes, der sich seit 1986 für die Erhaltung und Wiederinbetriebnahme der S-Bahn-Strecke nach Falkensee und Staaken einsetzt, in ohnmächtiger Wut und Trauer vor Sandhaufen und kahl in den Himmel ragenden Dachträgem, wo sich gestern noch drei vollständig erhaltene Bahnsteigensembles aus den Jahren 1909/11 präsentierten.
Rückfragen beim Projektleiter, Herrn Franz, am 24.9. und 2.11.1993 hatten ergeben, daß lediglich die Bahnsteigkanten und die Ränder Bahnsteigdächer abgetragen werden sollten. Der Westbahnverband hatte dagegen Einspruch erhoben, da die Strecke 1909 für den Vollbahnbetrieb (Dampfzüge) geplant wurde und auch heute noch das vorgeschriebene Lichtraumprofil für Bahnhofsdurchfahrten erfüllt.
Die für die Gestaltung der Bahnsteige zuständige Abteilung der DR (Hochbau) wurde ebenfalls im September 1993 auf den wertvollen Originalbestand und die Erhaltungsnotwendigkeit hingewiesen.
Ende Januar 1994 wurde der Berliner Landeskonservator über möglicherweise drohende Zerstörungen im Bahnhofsbereich informiert und gebeten, sich einzuschalten. Bereits 1984 hatte Herr Kloss (als Vertreter des Landeskonservator) den Bahnhöfen der Westbahn "Ensembleschutz" zugesichert.
Nach Eintritt dieser unglaublichen Zerstörung bleibt uns nur zu fordern,
[IGEB] Zur Erinnerung: Bereits 1989/90 hatte Prof. Karl Endmann, damals Vizepräsident der Bundesbahndirektion Köln, in einem Gutachten für den Senat zum Südring der Senatsbauverwaltung vorgeworfen, erhaltenswerte Bahnhöfe ohne bautechnische Notwendigkeit abzureißen und so die Kosten in die Höhe zu treiben und eine schnelle Wiederinbetriebnahme zu verhindern.
Interessen verband Westbahn
aus SIGNAL 4/1994 (Mai 1994), Seite 8-9