Nahverkehr

Weitere Bauarbeiten bei der Berliner S-Bahn

Wann hört endlich der "ewige" Pendelverkehr im Nord-Süd-Tunnel auf? Wie gestalten sich die Betriebseinschränkungen auf der Stadtbahn ab September? Mit welchen Vorteilen können die Fahrgäste nach Beendigung der Arbeiten rechnen? Diese und andere Fragen standen im Mittelpunkt eines Mitte April geführten Gesprächs zwischen dem Berliner Fahrgastverband IGEB und dem Bereich Betrieb und Infrastruktur der DB AG für den Berliner Nahverkehr. Vorausgegangen war ein Schriftwechsel zwischen IGEB und Bahn AG (siehe Kasten).


IGEB

1. Mai 1994

"Ewiger" Pendelverkehr

Berlin, den 4.3.1994. Sehr geehrter Herr Gronau, über die Gründe für den Pendelverkehr auf der S1/S2 im Nord-Süd-S-Bahn-Tunnel nehmen wir wie folgt Stellung: Im Interesse einer schnellen Wiederinbetriebnahme des Nord-Süd-S-Bahn-Tunnels wurde der S-Bahn-Verkehr nach erfolgten Oberbauarbeiten sofort wieder aufgenommen. Dabei haben die vielen Nebenarbeiten wie Neuverlegung der Fernsprech- und Bahnstromkabel, Aufbau von Schaltstellen für die Bahnenergieleitungen, Neubau der Stützmauer Luisenhain, Aufbau der Blindenleitsysteme sowie Erneuerung des Bahnsteigbelages auf den Bahnsteigen Oranienburger Straße und Unter den Linden keine Berücksichtigung gefunden und müssen nun nachträglich erledigt werden.

Gegenwärtig finden Kabelarbeiten an den Außengleisen in Berlin Nordbahnhof ohne Einschränkungen des S-Bahn-Verkehrs statt. Ein Arbeiten nur in nächtlichen Betriebspausen verbietet das Wirtschaftlichkeitsprinzip, weil durch betriebliche Maßnahmen nur eine reine Arbeitszeit von 60 bis 90 Minuten verbleibt.

Um die Einschränkungen für den Fahrgast so gering wie möglich zu halten, haben wir beantragte Tages- und Wochenendsperrpausen abgelehnt und nur verlängerten nächtlichen Sperrpausen (ca. 21.30 bis 4.00 Uhr) von So/Mo bis Do/Fr zugestimmt. In den anfallenden Sperrpausen sind in der Regel drei verschiedene Firmen tätig. Viele Arbeiten werden an den Tunnelanlagen durchgeführt, die der Fahrgast nicht einsehen kann oder die ein Befahren der Tunnelgleise aus Sicherheitsgründen verbieten.

Da die Bauarbeiten im Nord-Süd-S-Bahn-Tunnel noch nicht abgeschlossen sind, ist auch in den nächsten Wochen mit weiteren nächtlichen Sperrpausen zu rechnen. Damit die betroffenen Fahrgäste und die Öffentlichkeit auch durch den Fahrgastverband entsprechend unterrichtet werden können, bitten wir Sie, uns einen Gesprächstermin zu nennen, um über die weitere Bautätigkeit bei der Berliner S-Bahn zu informieren.

Morgenroth
Deutsche Bahn,
Geschäftsbereich Nahverkehr,
Regionalbereich Berlin/Brandenburg

Zur Problematik des Nord-Süd-Tunnels baten die Baufachleute um Verständnis für die voraussichtlich bis Ende Mai dauernden abendlichen Pendelverkehre. In jeder Nacht stünden nur vier Arbeitsstunden zur Verfügung, um Arbeiter, Material, Geräte und Schutt in den Tunnel hinein- bzw. herauszufahren. Die Verlegung neuer Bahnstromleitungen und der Anschluß eines neuen Unterwerks in der Oranienburger Straße erforderten dies. Nur den aufwendigen Sicherheitsmaßnahmen, zu denen auch die halbseitige abendliche Sperrung gehört, sei es zu verdanken, daß es im Tunnel während der gesamten Rekonstruktionsarbeiten noch zu keinem schwerwiegenden oder gar tödlichen Unfall kam.

Eine Reihe von Baumaßnahmen im Bereich des Nord-Süd-Tunnels werden wiederum kleinere Einschränkungen erfordern. So wird zum Einbau zweier Aufzüge im S-Bf Nordbahnhof der Ausgang zur Invalidenstraße voraussichtlich zwei bis drei Monate geschlossen werden müssen, da wegen der Grundwasserlage die gesamte Tunneldecke geöffnet werden muß. Diese Arbeiten müssen spätestens mit der Wiederinbetriebnahme der S 25 abgeschlossen sein, da für diese Linie Nordbahnhof der Endpunkt sein wird, so daß alle vier Bahnsteiggleise benötigt werden. 1995 werden im S-Bf Oranienburger Straße ebenfalls Aufzüge eingebaut.

Im Juni 1994 ist dann die Sanierung des kleinen Tunnels auf der Wannseebahn zwischen Yorckstraße und Schöneberg geplant, um die über den Tunnel verkehrenden Güterzüge zum Logistikzentrum am Potsdamer Platz aufnehmen zu können. Im September 94 wird schließlich für den ersten Bauabschnitt des Nordkreuzes am Bf Gesundbrunnen das Richtung Schönholz führende S-Bahn-Gleis verlegt, um Baufreiheit für den zweiten S-Bahnsteig zu haben.

Die Bauarbeiten zur Erneuerung der Stadtbahn zwischen Zoo und Hauptbahnhof erfordern den Abbau der Kehranlage Alexanderplatz Mitte Juni und der Kehrmöglichkeit in Friedrichstraße Ende September 1994. Auch am Hauptbahnhof werden ab diesem Zeitpunkt nur noch drei Bahnsteiggleise zur Verfügung stehen. Auf langen Abschnitten der Stadtbahn wird die S-Bahn für fast eineinhalb Jahre auf die Fernbahngleise verlegt, so daß die S-Bahnhöfe Jannowitzbrücke, Hackescher Markt, Bellevue und Tiergarten umfahren und deshalb stillgelegt werden. Der Berliner Fahrgastverband kritisierte, daß noch immer kein Konzept für Ersatzbahnsteige vorliege. Eine ersatzlose Aufgabe aller vier Bahnhöfe sei für die Fahrgäste auf keinen Fall akzeptabel.

Pendelverkehre, geschlossene Bahnhofseingänge. Seit Jahren leiden die Fahrgästen unter den scheinbar unendlichen Bauarbeiten am Nord-Süd-Tunnel der S-Bahn. Foto: Frank Lammers

Über die Stadtbahn werden ab September 1994 sechs S-Bahn-Zuggruppen ganztägig verkehren. Alle anderen, von Osten kommenden Zuggruppen enden spätestens Hauptbahnhof, wobei ein Bahnsteigwechsel zur Weiterfahrt nicht zu vermeiden sein wird.

Für die Schuttbeseitigung zu Beginn der Bauarbeiten sind 30 Tage eingeplant, an denen jeweils vier Mal täglich eine 15-Minuten-Lücke im S-Bahn-Verkehr geschaffen wird, um Schuttzüge aus dem Baustellenbereich abfahren zu können. Von 24 Uhr bis 4 Uhr wird der Zugverkehr eingestellt und durch Omnibusse ersetzt.

Eine erheblich engere Zusammenarbeit vereinbarten die Gesprächsteilnehmer für den Bereich der Fahrgastinformation bei Bauarbeiten und Betriebseinschränkungen. Der Berliner Fahrgastverband IGEB wird in den Verteiler der monatlich erscheinenden Bauvorschau aufgenommen. Die DB AG erhofft sich dadurch, daß eine Reihe der Anfragen von Fahrgästen direkt beantwortet werden kann. Die IGEB-Fahrgastabteilung wird eine Konzeption zur Fahrgastinformation bei Bauarbeiten im S-Bahn-Bereich ausarbeiten und der DB AG zur Verfügung stellen.

IGEB

aus SIGNAL 4/1994 (Mai 1994), Seite 10-11