Nahverkehr
Tram-Sabotage durch Ampelschaltung
Eine neue Dimension von Behinderungen des öffentlichen Nahverkehrs durch
Ampelschaltungen hat die Berliner Senatsverwaltung für Verkehr und Betriebe
mit der Konzipierung einer neuen Anlage in Niederschönhausen an der
Grabbeallee/Pastor-Niemöller-Platz erreicht. Auf den ersten Blick entsteht
der Eindruck, daß hier im Interesse der Tram-Fahrgäste wichtige Neuerungen
berücksichtigt sind: ein ampelgesicherter Haltestellenbereich und eine
Anforderungsschaltung. Erst dem täglichen Benutzer wird deutlich, daß in
Berlin auch solche sinnvollen Einrichtungen zur Behinderung der Tram genutzt
werden. Die folgende Fotoserie zeigt, daß die auf Seite 15 abgedruckte
Antwort von Verkehrssenator Herwig Haase auf eine parlamentarische Anfrage,
in der er diese Ampelschaltung als Vorrangschaltung bezeichnet (Vorrang
für wen?), nur als blanker Zynismus gewertet werden kann.
IGEB
1. Mai 1994
Bild 1
Ein Zug der Tramlinie 53 steht vor dem durch eine zusätzliche Ampel abgesicherten Haltestellenbereich in der Grabbeallee/Pastor-Niemöller-Platz. Während das Tram-Signal rot zeigt, hat der Autoverkehr grün. Foto: I. Schmidt
Bild 2
Die Tram durfte in den Haltestellenbereich einfahren. Jetzt zeigt die vor dem Haltestellenbereich liegende Ampel für den Autoverkehr kurz rot, so daß die Fahrgäste gefahrlos aus- und einsteigen können. Foto: I. Schmidt
Bild 3
Für den Autoverkehr zeigen beide Ampeln wieder grün, während die nach links abbiegende Tram 53 noch rot hat. Inzwischen ist ein Straßenbahnzug der geradeausfahrenden Linie 52 eingetroffen, der jedoch nicht in den Haltestellenbereich einfahren darf, so daß die Fahrgäste weder ein- noch aussteigen können. Foto: I. Schmidt
Bild 4
Alle Autos sind durchgefahren, aber die Straßenbahnen haben nach wie vor rot. Foto: I. Schmidt
Bild 5
Nachdem für den querenden Autoverkehr zwischenzeitlich grün war, ist inzwischen der nächste Ampelumlauf mit einer erneuten Grünphase für den Autoverkehr zu sehen. Die Tram hat noch immer rot! Foto: I. Schmidt
Bild 6
Der Straßenbahnzug der Linie 52 erhält jetzt Einfahrt in den Haltestellenbereich, und der Fahrgastwechsel kann erfolgen. Der Zug der Linie 53 hat nach wie vor rot! Foto: I. Schmidt
Bild 7
Nach 150 Sekunden (2 1/2 Minuten) Wartezeit allein an der zweiten Ampel kann der nach links abbiegende Zug der Linie 53 endlich fahren, während der hinter ihm stehende Zug der Linie 52 noch auf den nächsten Ampelumlauf warten muß. Foto: I. Schmidt
Die Gesamtbilanz: Einschließlich der Wartezeit an der ersten Ampel und dem
Fahrgast Wechsel hat der Zug der Linie 53 fast 4 Minuten benötigt, um diesen
Bereich zu durchfahren. Der geradeausfahrende Zug der Linie 52 benötigte
knapp 2 l/2Minuten. Zum Vergleich: In Zürich, das seit 20 Jahren
flächendeckend mit Vorrangschaltungen für den dort umfangreichen Tram verkehr
ausgestattet ist, erhalten Straßenbahnen an über 70% der Lichtsignalanlagen
freie Fahrt. An den restlichen "Rot" zeigenden Ampeln gibt es spätestens
nach 30 Sekunden grünes Licht. Größere Standzeiten, heißt es in Zürich,
seien für Fahrgäste und Fahrer nicht zumutbar.
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IGEB
aus SIGNAL 4/1994 (Mai 1994), Seite 13-14