BVG

Für die BVG verkehren jetzt neue barrierefreie Fährschiffe

Berlin ist wasserreich. Traditionell gibt es in der von Havel und Spree durchflossenen Stadt einige Fährlinien, die zum VBB-Tarif verkehren. Im Südwesten ist das die F 10 zwischen Kladow und dem Bahnhof Berlin-Wannsee.


IGEB Stadtverkehr

16. Apr 2014

Eigene Schiffe hatte die BVG-West nie. Die Linien waren immer an einen Betreiber vergeben und wurden daher von verschiedenen Schiffen befahren.

Das neue Fährschiff „Wannsee“ als F 10 am Anleger Wannsee. Foto: Florian Müller

Die F 10 betrieb seit Jahrzehnten die Stern und Kreisschifffahrt im Auftrag der BVG. Sie setzte zunächst das Schiff „Kohlhase“ und später, aus Kapazitätsgründen, das größere Schiff „Lichterfelde“ ein.

Diese Linie bietet Berufspendlern und Schülern zwischen Kladow und Wannsee eine spürbare Reisezeitverkürzung, ist aber besonders im Sommer für Ausflügler interessant. Der Große Wannsee lädt geradezu zu einer Fahrt mit einem Schiff ein, zumal Inhaber von VBB-Zeitkarten und -Fahrausweisen ohne weitere Bezahlung mitfahren können.

In den letzten Jahren nahm der Anteil der Fahrradnutzer erheblich zu. An schönen Sommertagen war es mitunter kaum möglich, alle Fahrräder auf dem Schiff unterzubringen,

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obwohl Teile des Innenraums bereits zu Fahrrad-Stellflächen umgebaut worden waren. Dennoch hatte es immer seinen Reiz, dieses Schiff mit großem Freiluftanteil an Bug, Heck und kleinem Sonnendeck zu nutzen.

Klimatisiert über den Wannsee

Der ungestörte Blick nach vorn ist nur von wenigen Plätzen aus möglich, da das Ruderhaus die Sicht versperrt. Einen Freiluftbereich oder ein offenes Sonnendeck gibt es nicht mehr. Foto: Florian Müller
Der Fahrgastraum ist großzügig mit viel Fläche für Fahrräder, Kinderwagen u. ä. gestaltet. 300 Personen dürfen auf dem Schiff mitfahren. Foto: Florian Müller
Großen Wert wurde auf den barrierefreien Einstieg gelegt, hier am Anleger in Wannsee zum gleichnamigen Schiff der F 10. Foto: Florian Müller
Bei schönem Wetter ist die Nachfrage in Kladow groß. Foto: Florian Müller

Da unser aller Zukunft barrierefrei, kostengünstiger und umweltgerechter sein soll, wurden alle Fährleistungen in Berlin zum Jahreswechsel 2013/2014 neu ausgeschrieben. Während die Linien im Spreebereich (F 11, F 12, F 21, F 23) von der Berliner Stern- und Kreisschiffahrt auf die Weiße Flotte Stralsund übergegangen sind, wird die F 10 weiterhin von der Stern- und Kreisschiffahrt mit einem neuen Schiff „Wannsee“ betrieben.

Wer auf dem neuen Schiff wie bisher den erhöhten Erlebnisfaktor einer Schiffsfahrt erwartet und sich die Seeluft um die Nase wehen lassen will, wird allerdings enttäuscht. Die neue „Wannsee“ ist nach Zweckmäßigkeitsgrundsätzen gebaut. Natürlich, gebraucht wird ein Fährschiff, kein Ausflugsdampfer. So gesehen kann man sich mit dem größeren Schiffskörper durchaus anfreunden. Das Schiff ist 44 Meter lang, 8 Meter breit und zugelassen für – wie das alte Schiff – 300 Personen. Ein- und Ausstieg sind optimal barrierefrei mit selbsttätig ausfahrbaren Landungsstegen ausgerüstet, für Rollstuhlfahrer gut geeignet.

Außerdem bietet es Platz für 50 Fahrräder. Gerade bei der Fahrradbeförderung stieß das alte Schiff oft an seine Kapazitätsgrenze. Die großen Einstiegsbereiche lassen einen recht schnellen Fahrgastwechsel zu. Hat man das Schiff betreten, befindet man sich in einem riesigen verglasten Saal, der das gesamte Schiff vom Bug bis in den Heckbereich umfasst. Das Achterschiff ist faktisch von jeder Inneneinrichtung mit Ausnahme von Fahrradhaltebügeln frei und bietet eine entsprechend große Anzahl von Fahrradstellplätzen, Raum für Kinderwagen, Rollstühle und ähnliches.

Sitzen ist dort so gut wie nicht vorgesehen. Das kann man im Vorderschiff. Neben wenigen Panoramaplätzen mit guter Außensicht im Bugbereich befindet sich die Mehrzahl der Sitzplätze mittschiffs in hintereinander aufgereihten Einzelsitzbänken mit Blick auf das die Außensicht verdeckende Steuerhaus. Der Eindruck eines Flughafen-Transit-Wartebereiches drängt sich hier auf. Schön ist das nicht, aber 100 Prozent klimatisiert und mit schadstoffarmem Dieselmotor.

Ein Außenbereich ist für Fahrgäste nicht mehr vorgesehen, vorhandene Türen in kleine Bug- und Heckbereiche verschlossen, ein Sonnendeck nicht vorhanden. Wie immer erreicht man knapp zwanzig Minuten nach der Abfahrt das Ziel. Man wurde optimal befördert, das schöne Empfinden einer „Dampferfahrt“ jedoch bleibt aus.

Hintergrund könnte sein, dass die Betreiberin der F 10, die Stern und Kreisschiffahrt, ein Interesse daran hat, die Wannsee-Fähre zum „billigen“ VBB-Tarif möglichst wenig interessant zu gestalten. Denn die Ausflugsschiffe derselben Firma mit offenem Deck fahren natürlich als Vergnügungsfahrten über die Havel – zum deutlich höheren Preis.

Elektrisch auf Spree und Dahme

In Treptow-Köpenick verkehren vier bauähnliche kleinere Katamaran-Fährschiffe mit Solarstrom, die 35 bis 49 Fahrgäste befördern können, hier die F 11. Foto: Florian Müller
Im Gegensatz zur großen Fähre „Wannsee“ gibt es bei den kleinen Fähren auch einen offenen Außenbereich am Bug. Hier können z. B. Fahrräder verstaut werden. Foto: Florian Müller
Vorbei. Die F 24 war nicht barrierefrei, aber dafür mit einem hilfreichen Fährmann besetzt. So konnten z. B. auch Fahrräder verladen werden. Foto: Florian Müller, Sommer 2013
Für den Betrieb der Ruderfähre fehlen 60 000 Euro pro Jahr. Eine Bügerinitiative sucht nach einer privaten Weiterführung des Fährbetriebs. Foto: Florian Müller, Sommer 2013

Der Eindruck der von der Weißen Flotte Stralsund betriebenen Fährschiffe im Dahme-/Spreebereich ist deutlich besser. Es handelt sich um mit Elektromotoren ausgerüstete Schiffe in Katamaran-Bauweise mit einer Länge von 18,5 Meter und einer Breite von 5,22 Meter. Neben stationärer Aufladung versorgen Solarzellen auf dem Dach zusätzlich die Batterien.

Die Schiffe ähneln den bislang eingesetzten Diesel-Schiffen, die Aufteilung in einen größeren Innen- und angemessenen Außenbereich erscheint sinnvoll. Sie verfügen über 28 Sitzplätze, zwei Rollstuhlplätze sowie über zehn Fahrradstellplätze. Während das Schiff in Flussmitte vom nahezu lautlosen Elektromotor angetrieben wird, überschattet das Dröhnen der Seitenstrahlruder die Stille beim An- und Ablegen.

Ein Wermutstropfen ist allerdings die Einstellung der Ruderfähre F 24. Noch im letzten Jahr konnte man sich zum VBB-Tarif in einem kleinen Ruderboot von einem leibhaftigen Fährmann mit wenigen Ruderstößen über die Müggelspree übersetzen lassen – und das sogar auf Zuruf. Weil es unmöglich ist, eine Ruderfähre barrierefrei zu gestalten, ist eine Ausschreibung dieser Linie daran gescheitert. Die neue F 23 wird die Anlegestelle Kruggasse weiterhin bedienen, der Halt Spreewiesen der F 24 jedoch wird aufgegeben. Ein Halt der größeren Katamaran-Schiffe ist dort nicht genehmigt worden. Ersatzweise bedient die F 23 nun Neu-Helgoland in beiden Fahrtrichtungen und stellt somit die Verbindung zwischen Müggelheim und Kruggasse her.

Hier stand die Barrierefreiheit dem Erlebnisfaktor der Ruderfähre gegenüber, auch wenn die Verkehrsverbindung als „Basisleistung“ erhalten blieb (jetzt nur noch stündlich nach Fahrplan und nicht auf Zuruf bei Bedarf).

Auf jeden Fall ist der Fortbestand der Fährlinien zu begrüßen. Positiv ist, dass die „Sommersaison“ mit verdichtetem Fahrplan nun vom Besteller großzügiger gefasst wurde und dass ein Beitrag zur modernen Elektromobilität geleistet wird. Auch der Einsatz schadstoffarmer Dieselmotoren bei der Wannseefähre ist sicher ein Schritt in die richtige Richtung. Inwieweit aber dazu der zusätzliche Energieverbrauch einer in dieser Schiffsbauform unverzichtbaren Klimaanlage passt, sei dahingestellt. (kju)

Fähren in Berlin

Die VBB-Fährlinien in Berlin folgen durchaus immer einer echten Verkehrsnachfrage. Es sind bedeutende Anteile von Berufsverkehrsnutzern unterwegs, was sich auch an den Verkehrszeiten Mo-Fr 6 bis 20.30 Uhr und Sa-So 8 bis 20 Uhr im Ganzjahresbetrieb ablesen lässt (F 10 stündlich, F 11 und F 12 im 10- bis 20-Minuten-Takt).

Die Einstellung der F 11 ist abzusehen, da in unmittelbarer Nachbarschaft eine Straßenbrücke gebaut wird, deren Eröffnung für 2016 geplant ist. Dann soll das Schiff als Reservefahrzeug dienen. Die F 11 ist inzwischen die Fährlinie mit der geringsten Nachfrage. 1896 zur Berliner Gewerbeausstellung eingerichtet, bediente sie zu DDR-Zeiten die zahlreichen Beschäftigten des Rundfunkgeländes an der Nalepastraße.

Die beiden Saisonfähren F 21 und F 23 dienen überwiegend dem Freizeitverkehr. Betriebszeit ist vom ersten Sonnabend im April oder Karfreitag (was zuerst eintritt) bis zum letzten Sonntag im Oktober oder dem Ende der Herbstferien (was zuletzt eintritt) täglich außer montags von 10 bis 19 Uhr. Bis 2013 war die Saison kürzer definiert, nämlich von Ostern bis 3. Oktober.

Die F 23 bedient vier Haltestellen in Folge und braucht für eine Richtung 25 Minuten. Die Ruderfähre F 24 wurde mit Saisonende 2013 aufgegeben.

IGEB Stadtverkehr

aus SIGNAL 2/2014 (April/Mai 2014), Seite 10-12