Titelthema Fahrgastinformation

Fahrgastinfo-Apps im Test

Die zunehmende Verbreitung von Smartphones und damit einhergehend die Verbreitung von Miniprogrammen, den sogenannten Apps, eröffnet den Verkehrsunternehmen neue Möglichkeiten, auf einfachem Wege dem Kunden genau diejenigen Informationen zukommen zu lassen, die er gerade braucht.


Berliner Fahrgastverband IGEB

20. Jun 2014

Nicht eine, nicht zwei, gleich drei neue offizielle Apps buhlen um die Gunst der Information suchenden Smartphone-Besitzer. Wir haben sie getestet in unserem Themenschwerpunkt. Foto: Marco Höfler

Diesen Weg der Kommunikation zum Fahrgast nutzen seit März 2014 alle großen Verkehrsunternehmen in Berlin sowie der VBB, indem sie mit eigenen Apps in den zwei großen Betriebssystemen Android und iOS (iPhone) vertreten sind. Ein guter Anlass also, diese Apps bezüglich ihres Umfangs und der Handhabbarkeit unter die Lupe zu nehmen.

Hacon Einheitsbrei versus EOS Uptrade

Der überwiegende Teil der Fahrinfo-Apps wurde nicht von Mitarbeitern der Verkehrsunternehmen, sondern von der Firma Hacon aus Hannover entwickelt. Daher gleichen sich die Apps in einigen Menüpunkten wie ein Ei dem anderen. Hier sticht die BVG-App heraus, die von „EOS Uptrade“ entwickelt wurde. Die Kosten der Entwicklung der BVG-App wurden sogar in einer

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Pressemeldung genannt: 30 000 Euro – in etwa so viel, wie ein Fahrkartenautomat kostet. Das zeigt, dass die Entwicklungskosten relativ niedrig sind. Es ist davon auszugehen, dass Marktführer Hacon für die Entwicklung seiner Apps den Verkehrsunternehmen höhere Kosten in Rechnung stellt.

Dafür gibt´s doch ´ne App?

Was sollten diese Apps dem Kunden bieten? Zu den wichtigsten Informationen, die der Fahrgast vor und während der Reise benötigt, gehören

Diese Funktionen sind Pflicht. Zur Kür gehören hilfreiche Informationen zum Gesamtverkehrsangebot wie zum Beispiel

Im Folgenden werden die Apps der BVG (BVG Fahrinfo), der S-Bahn Berlin GmbH (S-Bahn Berlin) sowie des VBB (Bus&Bahn) daran gemessen, ob und wie sie diese Pflichtanforderungen umsetzen und welche zusätzlichen Informationen sie dem Fahrgast bieten.

Von „Ab:” nach „An:”

VBB
Bild 1 und 2: Während man beim VBB (links) jede Verbindung einzeln anwählen muss, um Details zur Fahrzeit zu erhalten, hat die BVG (rechts) eine übersichtliche grafische Darstellungsform gefunden. BVG

Die Fahrplanauskunft ist sicher die am häufigsten genutzte Funktion in den Apps. Alle vier Apps schlagen spätestens nach der Eingabe des dritten Buchstaben mögliche Haltestellen bzw. Adressen vor. Bei der BVG-App sind die Haltestellen sogar offline hinterlegt, wodurch die Eingabe noch flotter von der Hand geht, da die Vorschlagsliste nicht online nachgeladen werden muss. Des Weiteren bieten alle Apps die Möglichkeit, nur bestimmte Verkehrsmittel zu nutzen (hilfreich bei Streiks), die Umsteigegeschwindigkeit vorzuwählen, sowie die Vorauswahl umsteigefreier Verbindungen. Alle bis auf die BVG-App bieten zudem noch das Auswahlfeld an, dass die Fahrradmitnahme möglich sein muss, sowie die Angabe von via-Haltestellen. Bei der VBB-App und der S-Bahn App lässt sich zusätzlich noch die Barrierefreiheit vorwählen.

Bei der Aufbereitung der Verbindungsergebnisse nutzen die Hacon-Apps (VBB, S-Bahn, DB) die von den Web- Fahrplanauskunften gewohnte Zeilendarstellung.

Um herauszufinden, wie lange mit welcher Linien gefahren wird, muss man hier zunächst die Detailansicht öffnen (Bild 1). Positiv sticht hier die BVG-App heraus, die mit einer grafischen Darstellung mit Farbbalken arbeitet. Das heißt, der Fahrgast kann auf einen Blick Fahrtdauer, Umsteigedauer und benutzte Linien erkennen.

Angezeigt werden immer 4 oder 5 Verbindungen, egal wie viel Patz durch Hoch- oder Querformat zur Verfügung steht. Für frühere oder spätere Verbindungen wurden beim letzten Update oben und unten Schaltflächen hinzugefügt. Ein horizontales Wischen mit Generierung neuer Verbindungen wäre hier wünschenswert. Ebenso ist das Einblenden von Zwischenhalten bei der BVG-App nicht möglich.

Hat man nun seine Verbindung ermittelt, lässt sie sich bei allen Apps, außer der BVG-App, auch im Kalender speichern.

Abfahrt!

Kurz vor der Abfahrt schnell checken, ob die Bahn pünktlich ist? Das geht nur, wenn man weiß, welche App welche Echtzeitdaten darstellt. Zudem leidet an großen Umsteigepunkten auch die Übersichtlichkeit der Aufbereitung. Wann fährt am Alex die nächste S-Bahn Richtung Zoo?

Wer das wissen will, muss sich zunächst durch eine Menge Busabfahrten und Abfahrten weiterer Züge scrollen (Bild 3) oder manuell einen Filter auf „nur S-Bahn“ setzen. Eine übersichtliche Darstellung nach Verkehrsmitteln und Richtungen wäre hier wünschenswert. Zumindest die Sortierung wäre ohne großen Programmieraufwand möglich.

Doch sind die angegeben Abfahrtzeiten überhaupt Echtzeitdaten? Das zu erkennen, ist leider nicht immer eindeutig möglich. Bei der BVG-App ist es anscheinend so, dass Echtzeitdaten im Format „in x min“ dargestellt werden und bei Solldaten die Uhrzeit. Selbsterklärend ist dies aber nicht. Die VBB-App schreibt unter die in schwarzer Schriftfarbe dargestellte Sollfahrzeit in einer anderen Schriftfarbe die prognostizierte Echtzeitabfahrt. Die S-Bahn-App erfordert Kopfrechnen und schreibt unter die Sollabfahrtzeit eine Minutenangabe für die Verspätung (z. B. „+3“ für 3 Minuten Verspätung). Drei Apps – drei unterschiedliche Darstellungen.

Ebenfalls wichtig ist die Funktion, ob alle Verkehrsmittel der geplanten Reisekette pünktlich sind. Auch hier kann keine App verkehrsunternehmensübergreifend punkten. Entweder fehlen die BVG-Echtzeitdaten, oder es ist (fast) alles außer den Daten der BVG vorhanden.

Wo bin ich?

Bild 3. Die ungefiltere Abfahrtstafel hilft bei großen Bahnhöfen in allen Apps kaum weiter. Hier ist eine intelligente Sortierung gefragt. S-Bahn Berlin
Bild 4. Hier sind in der S-Bahn-App die Umgebungspläne versteckt. Doch die gehören auch in die Verbindungsansicht. S-Bahn Berlin

Kaum eine Verbindung kommt ohne Umsteigevorgänge aus. Gerade auf großen Bahnhöfen sind Umsteigewege lang und unübersichtlich. Auf den großen farbigen Bildschirmen der Smartphones könnten die Apps hier Orientierung bringen. Doch obwohl zu fast jedem S- und U-Bahnhof übersichtliche Standortpläne existieren, werden diese schlecht in die Apps eingebunden. Dagegen wird meist unter dem Begriff „Umgebungskarte“ ein Plan von Google Maps dargestellt. Doch hier sind keinerlei Linienverläufe eingezeichnet und verschiedene Haltstellenstandorte lassen sich nicht abrufen. Bei der Orientierung an großen Bahnhöfen hilft das nicht weiter.

Obwohl die BVG für alle Berliner Bahnhöfe Standortpläne erstellt hat, stellt sie diese nur für BVG-Bahnhöfe in der App zur Verfügung. Reine S-Bahnhöfe sind nicht zu finden. Diese (von der BVG erstellten) erhält man wiederum nur in der S-Bahn-App. Dort sind sie dann jedoch gut versteckt unter Linien & Bahnhöfe -> Bahnhöfe -> Bahnhof auswählen -> Umgebungsplan -> Link. Man gelangt zu einer Webseite, die mit einem Browser geöffnet werden muss und anschließend mit einem PDF-Programm betrachtet werden kann. Komplizierter geht es nicht (Bild 4). Stattdessen sollten diese prominent in die Detailansicht der Fahrplanverbindungen und die Abfahrtstafeln integriert werden. Die Einbindung von Google Maps ist dagegen recht nutzlos und ohnehin auf den meisten Smartphones vorinstalliert. Hier machen es sich der Entwickler zu einfach!

BVG Fahrinfo

Die BVG-App kommt in gediegenen Grau-Gelb-Schattierungen daher und wirkt sehr spartanisch. Sie ist auf ihre wesentlichen drei Grundfunktionen beschränkt: Verbindungsauskunft, Abfahrten und Ticketkauf. Auf der Karte (Menüpunkt „Umgebung“) können auch Mietautos von Car2go eingeblendet werden. Unter dem Menüpunkt „Karten“ lassen sich nur wenige Liniennetze herunterladen. Warum nicht auch das Nachtnetz oder die oben erwähnten von der BVG erstellten Standortpläne? Hier ist noch viel Luft nach oben. Bleibt zu hoffen, dass die Entwicklung fortgesetzt wird.

S-Bahn Berlin

Bei der App der S-Bahn Berlin bekommt man den Eindruck, dass hier versucht wurde, alle Informationen der Webseite in die App einzubinden. Zur Not als Link auf die Webseite. Dies macht die App an einigen Stellen unübersichtlich. Andererseits können geübte Nutzer hier defintiv alle Informationen abrufen: Fahrplanänderungen, Aufzugstörungen, wo ist die nächste Toilette, Störungen, sogar, wie viele Fahrkartenentwerter auf dem Bahnhof vorhanden sind. Hier wäre weniger mehr gewesen. Das heißt, Informationen, die der Fahrgast tatsächlich braucht, sollten an prominenteren Stellen untergebracht werden. Ein Beispiel hierfür wurde oben genannt.

Das Design ist auf den ersten Blick etwas überfrachtet. Sehr viele Menüpunkte, die aber häufig zum selben Titel führen.

Bus & Bahn (VBB-App)

Mit der Möglichkeit, nun auch Handytickets direkt aus einer Verbindung heraus zu kaufen, erhielt die App des VBB im Januar ein Redesign. Besonderes Merkmal dieser App ist, dass es die Möglichkeit gibt, für eine Verbindung einen Alarm einzurichten. Hier lässt sich einstellen, an welchen Tagen wöchentlich geprüft wird, ob eine Verbindung voraussichtlich pünktlich durchführbar ist. Des Weiteren bietet die App den Ticketkauf direkt aus der Fahrplanauskunft.

Alternativen

Doch es gibt auch Alternativen, beispielsweise die bekannte App Öffi von Andreas Schildbach oder auch den Citymapper. Hier lohnt sich ein Ausprobieren, denn beide bieten interessante Funktionen, die eine Bereicherung für die hier untersuchten wären.

Fazit

Vom Minimalismusdesign (BVG) bis zur überladenen Darstellung aller Informationen der Webseite (S-Bahn) ist die Auswahl an Apps derzeit groß und wird voraussichtlich noch größer. Den perfekten Reisebegleiter als App gibt es jedoch noch nicht. Jede hat einige Stärken und diverse Schwächen. Zu den problematischsten gehört die Darstellung von Abfahrtstafeln in übersichtlicher und umfassender Art und Weise. Eine Ursache hierfür liegt darin, dass noch keine offenen Schnittstellen zur Verbreitung der Echtzeitdaten existieren. Eine weitere Ursache ist, dass zur übersichtlichen Darstellung auch etwas Handarbeit notwendig ist. Hier sollten die Unternehmen zur Einsicht kommen, dass man beispielsweise Studenten nicht nur zum Verteilen von Kundenzeitungen einsetzen kann, sondern auch zur Pflege von änderlichen Daten. Des Weiteren sind der Besteller des Nahverkehrs oder eine bundesweite Institution in der Pflicht, dafür zu sorgen, dass endlich Echtzeitdaten von allen für alle zur Verfügung stehen. Der Ansatz des zentralen Sammelns und Verteilens funktioniert nicht.

Ebenso lässt eine an die Bedürfnisse von Fahrgästen angepasste Darstellung von Stadtplänen stark zu wünschen übrig. In diesen fehlen Linienverläufe und detaillierte Haltestellenstandorte. Das Zurückgreifen auf Google Maps ist kein Ersatz.

Das Design der offiziellen Apps der Verkehrsunternehmen ist stark vom Marktführer in der Entwicklung – Hacon – geprägt. Hier zeigen andere Apps wie Öffi und Moovel, wie Inhalte ebenfalls aufbereitet werden können. Doch weiß der Fahrgast unter Umständen gar nicht, welche Datenquelle da gerade verwendet wird und ob die hinterlegten Solldaten vielleicht bereits veraltet sind. (hm)

Berliner Fahrgastverband IGEB

aus SIGNAL 3/2014 (Juni/Juli 2014), Seite 4-5