Titelthema Fahrgastinformation
Die Information der Fahrgäste ist das A und O des öffentlichen Verkehrs. Umso mehr, wenn der Betrieb wegen Bauarbeiten vom Standard abweicht. Denn diese Situation stellt für Fahrgäste eine besondere Herausforderung dar und erfordert entsprechend zusätzliche umfassende Informationen, die für jeden Benutzer ohne technische Voraussetzungen leicht erreichbar und wahrnehmbar sein müssen.
20. Jun 2014
Niemand versteht es vor diesem Hintergrund, dass die S-Bahn Berlin ein bewährtes Informationsmedium jetzt sterben ließ: Die wöchentlichen Bauinfo-Faltblätter mit Max Maulwurf – zuletzt als „Fahrplanänderungen bei der S-Bahn Berlin wegen Bauarbeiten“ betitelt – wurden kürzlich eingestellt. Auf ihrem Lebensweg mehrfach bedroht, konnte die Publikation immer wieder gegen Widerstände im Unternehmen und im DB-Konzern gerettet werden, mit der Doppelausgabe 14+15/2014 vom 27. März war aber nach fast 20 Jahren endgültig Schluss. In den 20 Jahren hatte sich diese Publikation zu einem zuverlässigen, detaillierten und auch übersichtlichen Informationsmedium entwickelt. An dieser Entwicklung war die IGEB nicht ganz „unschuldig“, denn durch ihre vielen Hinweise zur Gestaltung konnte die Übersichtlichkeit erfolgreich ausgebaut werden.
Die Ausreden und Begründungen des Unternehmens für diesen Schritt klingen so bemüht, wie sie konstruiert sind. Während sich die BVG seit August 2013 mit den gedruckten „navi“-Heftchen aus dem allertiefsten Tal der Fahrgastdesinformation mühsam zu befreien sucht und zumindest das Bemühen zeigt, etwas für die Fahrgäste zu tun, verzichtet die S-Bahn nun ohne Not auf einen bewährten und von vielen Fahrgästen sehr gern genutzten Kanal, der die umfangreichen Bauarbeiten im Netz in einer handlichen Form den Kunden zur Kenntnis bringen konnte.
Nachdem die Max-Erlenbruch-Figur des Maulwurfs Max bereits im Sommer 1994 gelegentlich auf Plakaten in Berlin im Einsatz war, folgte ab Herbst des Jahres, als die baubedingten Einschränkungen im Berliner S-Bahn-Netz immer erheblicher wurden und abzusehen war, dass dieser Zustand für die nächsten Jahrzehnte – Stadtbahnsanierung,
Ringschluss, Neubau des Lehrter Bahnhofes, Neubau Ostkreuz – so bleiben würde, der regelmäßige Dienstantritt. Ausgabe 39/1994 zur Stadtbahnsperrung war die erste, dann erschien fast jede Woche eine Broschüre.
War es zunächst ein einfaches Leporello, so wurde die Gestaltung durch interessante Faltungen mit zunehmendem Umfang immer aufwendiger. Legendär sind die Ausgaben vom Ende der 1990er Jahre, die ausgebreitet locker A2-Format erreichten. Die Ausgabe 42/2002 kennzeichnete dann mit erneuerter Titelvignette den Wechsel zur neuen Max-Maulwurf-Figur des Grafikers Fritz Reuter.
Ab Oktober 2005 erschien das für den Nutzer wesentlich praktischere A5-Heft auf der Bühne, zunächst noch im eigenständigen S-Bahn-Design. Seit 2013 deutete sich dann der Niedergang an: Wurden die Bauinfos früher auf allen S-Bahnhöfen in großer Zahl gesteckt, so waren sie zuletzt oft nur noch auf Nachfrage in den Kundenzentren erhältlich. Das Bemühen des Unternehmens, das Medium verschwinden zu lassen, wurde im letzten Jahr immer deutlicher.
Während die Mitarbeiter der S-Bahn in den Fahrkartenausgaben und Kundenzentren nun bedauernd die Schultern heben und bekunden, dass sie das auch nicht verstünden, erklärt die Geschäftsführung, dass man alle diese Informationen ja weiterhin finde: Man habe doch die „punkt 3“, in der „das alles“ auch stehe. Das ist zwar nicht richtig, aber man kann es ja trotzdem behaupten – doch eine nicht lektorierte zweiwöchentliche Werbezeitung kann in punkto Aktualität nicht mit einem wöchentlichen Heft konkurrieren, und die Darstellungsweise in der mit seitenlanger und uninteressanter Bahn-PR und Veranstaltungswerbung zugepflasterten punkt 3 ist für den Leser eine Zumutung. Was im Max-Heftchen detailliert mit konkreten Fahrzeitangaben auf wöchentlich meist 12 A5-Seiten dargestellt wurde, dem wird in der zweiwöchentlich erscheinenden punkt3 nur zweieinhalb A4-Seiten zugebilligt. Dass dabei Informationen nur noch stichwortartig angeschnitten werden können ist klar. Hier wäre noch Potential, den Bauinfos im punkt3 mehr Raum einzuräumen und zur bisherigen Detailschärfe zurückzukehren.
Was bleibt den Fahrgästen? Die S-Bahn erklärt, dass Bauinformationen anlassbezogen zu einer bestimmten Baustelle auch weiterhin als Faltblätter erscheinen werden, die dann „auf den betroffenen Bahnhöfen“ ausliegen sollen. Klingt erstmal gut, ist aber für Gelegenheitsfahrgäste und solche, die sich zum Beispiel am Wochenende mal abseits ihrer Standardstrecken bewegen wollen, ungenügend: Wer regelmäßig auf dem Ring unterwegs ist, erhält so Informationen zu Bauarbeiten auf der Stadtbahn erst, wenn es bereits zu spät ist, Fahrgäste auf den Nord-Süd-Strecken erfahren auf diese Weise nichts von Bauarbeiten auf dem Ring.
Ansonsten verweist die Chefetage am Nordbahnhof auf elektronische Medien, die aber einen funktionsfähigen Computer samt Onlineverbindung voraussetzen, weil sich Informationen über Bauarbeiten nun mal nicht anders von Webseiten abrufen lassen. Ein Nachschlagen in einer gedruckten Broschüre wäre dagegen jedem Fahrgast jederzeit möglich, sogar im U-Bahntunnel, wenn dort mal wieder das Funknetz überlastet ist.
Was spart die DB-Tochter mit der Einstellung der Bauinfos? Dankenswerterweise schreiben die gesetzlichen Vorschriften weiterhin die schriftliche Information der Fahrgäste an den Zugangsstellen vor. Also müssen trotz Verzichts auf die Max-Maulwurf-Hefte weiterhin Aushänge erstellt, gesetzt, gedruckt und auf den Bahnhöfen ausgehängt werden. Der Spareffekt liegt folglich vor allem darin, dass kein PC am Nordbahnhof mehr alle diese Zettel in einer Datei zusammenfasst und an eine Druckerei zur Herstellung einer Broschüre schickt, und dass die gedruckten Hefte nicht mehr in die Körbchen auf den personalbefreiten Bahnsteigen gesteckt werden. Das dürfte nach überschlägiger Schätzung sagenhafte Einsparbeträge erbringen, Experten munkeln von Kosten etwa in der Höhe, die einst dadurch entstanden sind, dass man auf jede Tür der S-Bahn-Züge das DB-Logo aufgeklebt hat – es ist ja immer gut zu wissen, wem so eine Tür gehört.
Zur Aufrechterhaltung eines fahrplantreuen Betriebes (statt der beliebten täglichen Störungen auf Stadtbahn, Ring und Nordsüd-Bahn „Wegen eines Zugschadens“, „Wegen Verzögerungen im Betriebsablauf“, „Wegen einer Signalstörung“ oder „Wegen eines Polizeieinsatzes“) reicht der Einsparbetrag leider nicht. Auch die an die DB AG als Eigentümer zu zahlende Gewinnabführung kann mit der Summe nicht nennenswert aufgestockt werden.
Bezeichnenderweise weiß die große DB AG noch nichts vom Vorhaben der Tochter: Auf den erst jüngst neugeklebten Plakaten zur Verlängerung der Sperrung des Sterndamms am Bahnhof Schöneweide ist weiterhin zu lesen: „Damit Ihre Reise nicht zur sportlichen Herausforderung wird, bieten wir Ihnen vorab ausführliche Informationen : Faltblatt Bauinfos – auf den Bahnhöfen“. Schön, wenn die unternehmensinterne Kommunikation mal wieder richtig gut funktioniert.
Die S-Bahn Berlin GmbH hat sich mit der ausgesprochen kundenfeindlichen Einstellung der regelmäßigen Bauinfos keinen Gefallen getan. Sie beweist damit erneut, dass es mit der nach dem großen Debakel von 2008 bis 2011 angekündigten Kundenorientierung doch nicht so weit her ist, wie gedacht. Schade. (mg)
Die wöchentlich zusammengestellten Bahnsteigaushänge über Bauarbeiten gibt es zzt. im Internet unter s-bahn-berlin.de/bauinformationen/bauinfos_faltblatt
IGEB S-Bahn und Regionalverkehr
aus SIGNAL 3/2014 (Juni/Juli 2014), Seite 12-13