Brandenburg
Als Wahlkampfgeschenk soll die Schiene bleiben –
auch noch nach der Wahl?
Bis jetzt war es jedes Jahr das gleiche Problem: Sind die Städte
und Gemeinden
Neustadt (Dosse), Kyritz, Pritzwalk und Meyenburg in der dünnbesiedelten
Prignitz
auch weiterhin mit der Bahn erreichbar? Ist die Landesregierung bereit,
Geld zur
Verfügung zu stellen? Jetzt scheint es so, als ob die Kommunalwahl im Mai
und die
Landtagswahl im September 2014 helfen, ein wenig mehr Verlässlichkeit
in die Verkehrspolitik
zu bekommen.
20. Jun 2014
Die berlinfernen Regionen Brandenburgs haben unter einem Dauerproblem zu leiden. Sie haben viel Landschaft, Abwanderung, Überalterung, Kaufkraftverlust, und es fehlen Arbeitsplätze, Schul- und Kindergartenplätze, Einkaufsmöglichkeiten sowie ein verlässliches Bahn- und Busangebot. Eigentlich sollten die Landkreise Prignitz und Ostprignitz-Ruppin so viel Aufmerksamkeit wie nur denkbar von der Brandenburger Landespolitik erhalten. Seit vielen Jahren wird hier, ganz unkonventionell, ein Verkehrsmodell gelebt, was Vorbild für ähnliche Regionen sein kann. Konkurrenz von Bus- und Bahnunternehmen gibt es nicht. Je nach Auslastung und Bedarf wird das passende Verkehrsmittel angeboten. Bahnverkehr findet zu einem Kostensatz statt, der nur unwesentlich über dem beim Busverkehr liegt.
Bis zum Fahrplanwechsel im Dezember 2013 war in Brandenburg alles klar: den Schienenpersonennahverkehr (SPNV) bezahlt das Land, die Landkreise und kreisfreien Städte kümmern sich als Aufgabenträger um den „übrigen ÖPNV“, also den Bus- und Straßenbahnverkehr. Nun hat das Land jedoch den
Geldhahn für die Prignitz zugedreht. Die Gelder, aus denen der Bahnverkehr bisher finanziert wurde, waren Gelder für Schienenersatzverkehr (SEV) per Bus – und daher von vornherein befristet. 2008, beim letzten Kahlschlag durch großflächige Abbestellungen von SPNV-Leistungen, hatten die Landkreise erreicht, dass die über 6 Jahre zur Verfügung stehenden SEV-Mittel auch weiterhin für Zugleistungen ausgegeben werden können. Diese 6 Jahre waren im Dezember 2013 vorbei.
Die Bedeutung der Bahnanbindung für Wirtschaft und Menschen haben die Kommunalpolitiker begriffen und kämpfen deshalb um „ihre“ Schiene. Eine Bürgerinitiative hatte sich 2012 gegründet, Unterschriften gesammelt und durch zahlreiche öffentliche Auftritte auf sich aufmerksam gemacht.
Da kommt es gelegen, dass in Brandenburg 2014 die Kommunal- und die Landtagswahl stattfinden. Vor diesem Hintergrund war eine komplette Abbestellung politisch nicht möglich. Es ist zu hoffen, dass auch nach den Wahlen eine neue Regierung zu den Zusagen steht und das Konzept tatsächlich umgesetzt wird.
Für den DBV und die Bürgerinitiative ist wichtig, dass es verlässliche Angebote gibt und endlich das jährliche Infragestellen des gesamten Zugverkehrs aufhört. Außerdem muss das Gesamtangebot, bestehend aus Bahn- und Busverkehr, besser aufeinander abgestimmt werden.
Auf der Strecke Neustadt—Pritzwalk—Meyenburg sind täglich 100 bis 400 Fahrgäste unterwegs.
Es gibt ein gemeinsames Gutachten vom Land Brandenburg, den Landkreisen und dem VBB, in dem verschiedene Varianten untersucht wurden. Land und Landkreise sollen sich die Kosten des Betriebs teilen.
Der aktuelle Verkehrsvertrag mit der Eisenbahngesellschaft Potsdam (EGP) läuft im Dezember 2014 aus. Daran anschließend soll eine Zwischenvergabe für ein Jahr erfolgen, die das bisherige Bedienkonzept fortführt. Währenddessen soll ein Verkehrsvertrag auf Grundlage des Gutachtens verhandelt werden, der dann ab Dezember 2015 für 10 Jahre laufen soll.
Es soll ein neuer Haltepunkt Kyritz Nord (ca. 600 Meter nördlich des Bahnhofs Kyritz am Bahnübergang Perleberger Straße) gebaut werden, wo sich ein guter Verknüpfungspunkt zum Busverkehr und eine P+R-Anlage realisieren lassen. Die Infrastrukturkosten der Strecke sollen gesenkt werden, da diese entscheidend für den weiteren Bahnbetrieb sind. Der bestehende Bahnhof Kyritz soll als Zugangsstelle erhalten bleiben.
Gemäß VBB-Gutachten soll der Schienenverkehr im bisherigen Umfang beibehalten werden, wobei der Stundentakt Montag bis Freitag von 5 bis 20 Uhr Neustadt (Dosse)—Wusterhausen—Kyritz dann bis Kyritz Nord angeboten wird, am Wochenende im 2-Stunden-Takt.
Zwischen Kyritz Nord und Pritzwalk werden kaum Potenziale gesehen. Die Strecke wird weiterhin für Überführungsfahrten genutzt, die ggf. für den Fahrgastverkehr freigegeben werden sollen. Bisher sind das zwei Zugpaare pro Tag. Als Grundangebot wird der Bus gesehen.
Der Abschnitt Pritzwalk—Meyenburg soll wie bisher Montag bis Freitag im 2-Stunden-Takt bedient werden.
Am Wochenende sind drei durchgehende Fahrtenpaare Neustadt—Pritzwalk—Meyenburg (ggf. weiter bis Plau am See) im 4-Stunden-Takt geplant, die touristisch ausgerichtet sind.
Die Strecke VGP 70/RB 70 Pritzwalk—Putlitz wird zzt. vom Landkreis finanziert, das Land hatte sich bereits vor Jahren zurückgezogen. Daher wird diese Strecke im VBB-Gutachten nicht betrachtet.
Unter einem Gesichtspunkt ist das Projekt „Bahnerhalt Prignitz“ wegweisend. Die eindeutige Zuständigkeit des Landes Brandenburg für den SPNV-Verkehr wird deutlich aufgeweicht. Die Landkreise Prignitz und Ostprignitz-Ruppin würden sich, sofern die Parlamente zustimmen, mit größeren Summen an den Zugbestellungen beteiligen. Wer zahlt, darf auch mitreden! Die scharfe Trennung zwischen der Finanzierung und Zuständigkeit des Landes für den SPNV einerseits und dem Straßenbahn- und Busverkehr gehört der Vergangenheit an – ein wichtiger Schritt in die Realität. Die nächste notwendige Konsequenz: An der Planung des Verkehrsangebotes sind selbstverständlich auch die Fahrgäste zu beteiligen. Hier fordert der DBV seit vielen Jahren, die unsägliche Geheimdiplomatie zugunsten größtmöglicher Transparenz aufzugeben.
Die Bürgerinitiative Regionalbahnlinien PE 73/74 ist erreichbar über Dr. Conraths in Kyritz, E-Mail: conraths@t-online.de, www.kyritz.de/seite/145442/bi_regionalbahn.html
Der bisherige Betreiber der Strecke „Eisenbahngesellschaft Potsdam” ist im Internet unter www.eg-potsdam.de zu finden.
Deutscher Bahnkunden-Verband, Landesverband Berlin-Brandenburg
aus SIGNAL 3/2014 (Juni/Juli 2014), Seite 20