Der Bahnhofsvorsteher informiert
Eine Rolle rückwärts macht die Deutsche Bahn mit ihren innerdeutschen Autoreisezügen und verlagert die Autobeförderung ihrer Fahrgäste auf die Straße.
20. Jun 2014
Bereits in den 1920er Jahren gab es die ersten Bestrebungen, das Automobil als besonderes Statussymbol auch auf Reisen mitnehmen zu können, um am Ziel mobil zu sein. Wurde in den Anfangsjahren das liebe Gefährt noch in einem separaten Güterzug befördert, so setzte sich schnell der Wunsch durch, dass der Reisende mit seinem Auto direkt zum Zug und am Ziel unmittelbar weiter fahren kann. Mit der Marke „Auto im Reisezug“ perfektionierte die Deutsche Bundesbahn in den 1950er und 60er Jahren das System, nachts im Zug zu schlafen und am Zielort ausgeruht seine Reise mit dem Auto fortzusetzen. So ist es möglich, die Straßen- und Umweltbelastung zu minimieren, indem das Auto auf die Schiene verlagert wird, sowie Zeit und Geld für eine Hotelübernachtung zu sparen.
„Zu teuer“ meinte die DB AutoZug und verkündete, die innerdeutschen AutoZug-Verbindungen Berlin—München und Düsseldorf—München aufzuteilen und das Auto von der Schiene zu verbannen. Grund dafür sind nicht nur die ohnehin hohen Unterhaltungs- und Vorhaltekosten für die Autotransportwagen. Das schwierige an dem Geschäft ist, dass die Nachfrage starken saisonalen Schwankungen unterliegt. In den letzten Jahren waren die Erträge unzureichend,
heißt es aus Bahnkreisen. Da die Wagen das Ende ihrer Lebensdauer erreicht haben und sich eine Neuanschaffung dieser speziell für schnelle Personenzüge konzipierten Typen nicht rentiere, wurden die zeitweise täglich verkehrenden Verbindungen auf drei bis vier in der Woche ausgedünnt und die Autobeförderung auf die Straße verlagert.
Der Fahrgast liefert, wie bisher auch, sein Auto am Verladeterminal ab. Statt auf die Schiene verlädt ein beauftragter Logistiker dann das Auto auf einen Lkw, um zum festgelegten Abfahrtstermin die Reise über Deutschlands Autobahnen anzutreten. Der Fahrgast indes besteigt seinen Zug und fährt mehr oder weniger parallel neben seinem Auto her. Zumindest einen Vorteil hat das für den Kunden: Er kann nicht mehr nur den Schlaf- oder Liegewagen nutzen, sondern auch in der 1. Klasse mit speziell festgelegten ICE-Zügen am Ablieferungstag, Folgetag oder bei Ablieferung freitags auch am Sonntag reisen.
Diese Flexibilisierung ist zwar ein guter Gedanke der Bahn, aber wegen der Beschränkung auf zwei, drei ausgewählte Alternativzüge nur halbherzig umgesetzt. Diese starre Festlegung ist unnötig. Ferner besteht die Problematik, dass außer dem Nachtreisezug CityNightLine keiner z. B. am Verladebahnhof in Berlin-Wannsee hält. Der Fahrgast ist also gezwungen, nach der Ablieferung seines Autos zeitaufwendig nach Berlin Hauptbahnhof oder Südkreuz zu fahren.
Die Fahrkosten setzen sich aus einem Ticket für das Auto und einem für die Fahrgäste zusammen. Bei der Nutzung von Tagesreisezügen werden die Reisenden in die 1. Klasse „gezwungen“ – eine Nutzung beispielsweise des Kleinkindabteils für Familien ist damit leider nicht möglich. Über die Angebotspreise indes kann man nicht meckern. Ein Beispiel: Für die Fahrt Berlin—München beträgt der pauschale Preis im ICE für den Erwachsenen 70 Euro, mit dem Autozug-Spezial sogar nur 30 Euro. Allerdings gibt es für Kinder bis 14 Jahre leider nicht die sonst übliche Familienkinderregelung, bei der sie kostenfrei in Begleitung der Eltern mitreisen. Sie kosten 35 Euro auf den „Normaltarif“ oder auch 30 Euro beim Spezialpreis. Das Auto ist parallel normal für 135 Euro (Spezial: 89 Euro) unterwegs. Zum Vergleich: Ein Reisender ohne BahnCard zahlt im ICE normal 211 Euro oder mit dem Sparpreis beispielsweise ab 64 Euro aufwärts.
Da die Personenfahrkarten als sogenannte Globalpreise (Reservierung mit inkludierter Fahrkarte) nur für den gebuchten Fernzug (ICE, IC/EC, CNL) gelten, besteht für den Fahrgast die Notwendigkeit, zusätzliche ÖPNV-Fahrkarten für die Fahrt mit Regionalzug oder S-Bahn zwischen Verladestation und Hauptbahnhof/Südkreuz zu kaufen. Eine Nutzbarkeit des Nahverkehrs als Zubringer ist tariflich nicht geregelt, da es für den Bahnhof Berlin-Wannsee keine tarifliche Gleichstellung mit dem Hauptbahnhof gibt. Unwissenden Fahrgästen könnte hier eine Fahrkartenkontrolle unangenehme Folgen bereiten.
Viel sinnvoller wäre die Kombination einer Autotransportpauschale mit den regulären Fahrkartenangeboten des Fernverkehrs. Dann kann der Reisende auch ein Ticket nach seinen Bedürfnissen z. B. von einem alternativen Startbahnhof in Berlin und Umgebung kaufen oder die „Schwarzfahrerlücke“ zwischen Verlade- und Hauptbahnhof schließen.
Laut Angaben der DB Ferverkehr AG (FAQ DB-Autozug.de Stand 11. April 2014) haftet diese bei unmittelbaren Sachschäden am Fahrzeug im innerdeutschen Verkehr bis zu 20 400 Euro. Bei dem neuen Angebot „Auto+Zug“ wird die maximale Entschädigungshöhe aber auf circa 8800 Euro beschränkt und der Abschluss eines zusätzlichen Reiseschutzes empfohlen.
Für Fahrten mit dem DB AutoZug bietet die Bahn in ihren Verkaufsstellen eine sogenannte „Autozug- und Fährversicherung“ der Europäischen Reise-Versicherung ERV an. In einer Information an die Reisebüros, die Bahntickets verkaufen, heißt es jedoch, diese Versicherung fände für das neue Produktionskonzept keine Anwendung. Was nun? Wer ersetzt das Fahrzeug bei Unfall oder Diebstahl? Wer haftet für Schäden, die beim Verladen oder Transport auftreten und die Obergrenze von 8800 Euro übersteigen? Der Logistiker? Die Bahn? Oder bleibt der Kunde auf den Kosten sitzen!? Die Gerichte freuen sich bestimmt schon.
Ein schlechtes Omen: Die DB AutoZug GmbH wurde am 30. September 2013 aufgelöst und in die DB Fernverkehr AG integriert. Wie sieht es da in der Zukunft mit dem Konzept AutoZug aus? Seit Jahren sollen die Nutzerzahlen rückläufig sein, das Geschäft sich immer weniger rentieren. Viele Verbindungen wurden in den letzten Jahren schon gestrichen. Selbst ein nur halb besetzter Liegewagen bringt mehr Geld ein als ein AutoZug-Wagen. Mit dem Betriebskonzept „Auto+Zug“ will die Deutsche Bahn testen, ob es überhaupt eine Zukunft für die Automitnahme von Bahnreisenden gibt. Dass der jetzt eingeschlagene Weg mit einer Autobeförderung auf der Autobahn erfolgreich ist, darf jedoch bezweifelt werden. (BfVst)
Berliner Fahrgastverband IGEB
aus SIGNAL 3/2014 (Juni/Juli 2014), Seite 26-27