Nahverkehr
Die BVG vernachlässigt die U-Bahn-Linie 5
1. Apr 1996
Geht es im SIGNAL um die U-Bahn, so erreicht derzeit keine andere Berliner U-Bahn-Linie so viel Aufmerksamkeit wie die U5. Im folgenden geht es aber ausnahmsweise mal nicht um Sinn oder Unsinn der geplanten West-Verlängerung vom Alexanderplatz zum Lehrter Bahnhof und weiter nach Moabit, sondern um den vorhandenen Ost-Abschnitt zwischen Alex und Hönow - und hierbei ausschließlich um die Fahrgastinformation und das Erscheinungsbild. Eine Reihe der im folgenden angesprochenen Probleme, insbesondere hinsichtlich des Zustandes vieler baulicher Anlagen, resultieren aus dem Erbe der DDR-Ära und sind nur sukzessive durch die inzwischen begonnenen Sanierungsarbeiten zu beheben. Umso ärgerlicher aber sind die vielen Unzulänglichkeiten, die eigentlich nur mit Gleichgültigkeit der BVG gegenüber dem Informationsbedarf ihrer Fahrgäste zu erklären sind und die es in diesem Umfang auf den U-Bahn-Linien im Westen Berlins nicht gibt.
Bezüglich der Fahrzeuge gibt es noch ein kleines Kuriosum: Auf den 1995 gefertigten Zugzielfilmen fehlen die U5-Zielbahnhöfe Friedrichsfelde und Louis-Lewin-Straße. Beide sind seit der Streckeneröffnung Endstationen im Berufsverkehr für Aussetzfahrten. Dafür ist auf den Filmen die noch gar nicht existente Station Lehrter Stadtbahnhof berücksichtigt worden. Hierbei wurde übersehen, daß die alten U-Bahn-Züge bei Fertigstellung dieser Streckenverlängerung sehr wahrscheinlich nicht mehr im Einsatz sind und der künftige Zentralbahnhof sicher nicht Lehrter Stadtbahnhof heißen wird.
Das auf der U5 vorhandene Kundeninformationssystem hat im großen und ganzen bis jetzt allen Neuerungsversuchen beharrlich widerstanden. Es gibt Schilder, die seit 6 1/2 Jahren, dem Zeitpunkt der Streckenverlängerung nach Hönow, falsch sind.
Die auf den Bahnhöfen der U5 verwendeten Zugzielanzeiger können in Richtung Hönow nicht alle sechs fahrplanmäßigen Ziele (Friedrichsfelde, Tierpark,Biesdorf-Süd, Kaulsdorf-Nord, Louis-Lewin-Straße, Hönow) anzeigen. Dazu kommen dann noch Ziele bei Bauarbeiten und Notfällen, z.B. Frankfurter Allee und Lichtenberg. Zwischen Alexanderplatz und Tierpark müssen sicherlich moderne Fallblattanzeiger verwendet werden, um alle Möglichkeiten abzudecken. Auf einem Bahnhof wie Grottkauer Straße genügt es auch, die vorhandenen freien Flächen an den vorhandenen Anzeigern zu verwenden. Es sage keiner, die BVG habe kein Geld dafür: Notfalls sollte man Geräte von solchen Bahnsteigen austauschen, wo sie überhaupt nicht benötigt werden, z.B. Olympiastadion Ost in Richtung Ruhleben.
Darüber hinaus sind die Zugzielanzeiger auf den oberirdischen Bahnhöfen bei ungünstigem Licht kaum zu lesen (falsche Typographie und schwarze Schrift auf hellem Grund), und es gibt auf der Mehrzahl der Bahnhöfe zu wenige. So befindet sich auf den meisten Bahnsteigen nur ein Zugzielanzeiger je Richtung. Diesen kann man, wenn man gerade am anderen Ende des Bahnsteigs steht, nicht mehr entziffern.
Die sonstige Ausschilderung der Bahnhöfe ist häufig unvollständig oder fehlerhaft. Hinweise auf die Liniennummem anderer Verkehrsmittel fehlen fast immer. Beim Bahnhof Cottbusser Platz hat niemand bemerkt, daß die Bahnhofsschilder falsch montiert sind, und bei Grottkauer Straße, der eigentlich "Neue Grottkauer Straße" heißen müßte, weist die BVG zu Bushaltestellen am nördlichen Ausgang des U-Bahnhofs, die es nicht gibt.
Im Jahre 1991 wurden einige Bahnhöfe umbenannt, so auch Rathaus Friedrichshain und Weberwiese. Seit dieser Zeit sind die Bahnhofsschilder auf diesen beiden Bahnhöfen nur provisorisch ersetzt. An einer Vielzahl von Stellen sind nur Bohrlöcher geblieben, wo eigentlich mal Bahnhofsschilder hingen und wo auch wieder welche hingehören.
Auch sonst scheint die BVG der Ausschilderung keine große Aufmerksamkeit zu schenken. So sind eine Vielzahl nicht mehr vorhandener Straßennamen wie Hans-Beimler-Straße, Bersarinstraße, Waldemar-Schmidt-Straße oder Erwin-Kramer-Straße auf den Schildern der BVG noch existent. Im Zugangstunnel des U-Bahnhofs Cottbusser Platz führt ein Wegweiser mit dem Hinweis "Bus Marzahn" zur Bushaltestelle in Richtung Mahlsdorf - und das seit 5 Jahren.
Geradezu exemplarisch ist die Ausschilderung des U-Bahnhofs Hellersdorf. Der Berliner Fahrgastverband IGEB zählte mindestens fünf falsche oder fehlerhafte Ausschilderungen. Da wird auf eine Schwimmhalle und ein Rathaus hingewiesen, die nie gebaut wurden. Die Ausschilderung "Rathaus" suggeriert eine unmittelbare Nähe zum U-Bahnhof Hellersdorf, aber die Dienststellen des Bezirksamtes Hellersdorf sind entweder am U-Bahnhof Cottbusser Platz oder aber zwei Straßenbahnhaltestellen vom U-Bahnhof Hellersdorf entfernt. Ein Schild ist völlig weiß, verziert mit einem weißen Aufkleber. An einer Tafel ist der Hinweis zur Straßenbahn seit 1991 überklebt, dafür fährt die Straßenbahn an anderer Stelle laut Schild schon nach Mahlsdorf, tatsächlich aber - leider - nur bis zur Riesaer Straße in Hellersdorf. Daß die sonst im Berliner U-Bahn-Netz auf Bahnhöfen obligatorischen Stadtpläne auf der U5 fast gänzlich fehlen, kann kaum noch überraschen.
Eine Selbstverständlichkeit sollte es sein, daß die BVG auf all den Bahnhöfen, wo es noch besetzte Schalter gibt - z.B. Cottbusser Platz und Rathaus Friedrichshain, auch verbindliche Öffnungszeiten aushängt und diese auch einhält.
Und noch etwas zum Thema Fahrgastinformation: Der Fahrplan sollte auf Bahnhöfen wie Alexanderplatz keine "dichte Zugfolge" im Berufsverkehr vortäuschen. Bekanntermaßen fährt nur jeder zweite Zug über Kaulsdorf Nord hinaus. Und das ist wohl keine dichte Zugfolge.
Bei der BVG scheint sich keiner für das Äußere der U5 zu interessieren. Wie sind sonst die vielfältigen Spuren allgemeiner Verwahrlosung zu erklären?
Auf dem Bahnhof Weberwiese ist seit bald zwei Jahren der Name "Memeler Straße" an einer Wand zu erkennen, weil alte Fliesen abfielen und darunter der Bahnhofsname aus der Zeit zwischen 1930 und 1950 zum Vorschein kam. Anfangs empfanden die meisten das als kurios, nach so langer Zeit ist es aber nur noch ärgerlich und verwirrend.
Die aktuelle, durchaus gelungene BVG-Werbung "Wir haben den Lichtschutzfaktor verdoppelt" muß bei fast allen unterirdischen Bahnhöfen der U5 als Verhöhnung der Fahrgäste empfunden werden. So wurde bei einer Reihe von Bahnhöfen genau die Hälfte der Leuchtstofflampen außer Betrieb gesetzt. Das ist besonders bei Bahnhöfen mit dunklen Wandfliesen, z.B. Weberwiese, fatal.
Auf manchen Bahnhöfen regnet es seit Jahren durch, z.B. auf Frankfurter Allee. Dort wurde zwar ein edler Übergang zum Ringcenter geschaffen, aber zu der in wenigen Metern Entfernung notwendigen Tunnelabdichtung hat es nicht gereicht.
Die Sauberkeit der Züge, die in Hönow gekehrt werden, ist häufig unzureichend. Natürlich kann in Hönow keine Grundreinigung erfolgen. Aber leere Bierdosen und alte Zeitungen kann man sehr wohl entfernen. Und auch die oberirdischen Streckenabschnitte werden viel zu selten gereinigt. Auf einem Bahnhof wie Kaulsdorf-Nord seinen Blick über die Gleise schweifen zu lassen, sollte man unterlassen. Man könnte meinen, auf einer Müllkippe zu stehen.
Die Fahrgäste erwarten keine Wunder, aber der Berliner Fahrgastverband IGEB hat noch die Hoffnung, daß viele der baulichen Unzulänglichkeiten durch die bevorstehende Streckensanierungbeseitigt werden. Bezüglich der katastrophalen Fahrgastinfomation aber ist unverzügliches Handeln angesagt. Das jetzt vermittelte Bild, daß der west-geprägten BVG die Ost-Berliner U-Bahn-Linie 5 vollkommen gleichgültig ist, muß umgehend korrigiert werden.
IGEB
aus SIGNAL 2/1996 (April 1996), Seite 20-22