Planung

Anhörung zum Transrapid

„Verkehrsausschuß billigt Transrapid-Pläne“, meldeten die Medien nach der Ausschußsitzung am 24. April. Derselbe Verkehrsausschuß des Deutschen Bundestages hatte mit einer Sachverständigen-Anhörung am 7. Februar dafür gesorgt, daß das umstrittene Transrapid-Projekt seither erneut im Rampenlicht der Medien stand. Daß dabei die kritische Sichtweise in den Vordergrund rückte, lag vor allem an der Stellungnahme des Bundesrechnungshofes. Sein Bericht erregte großes Aufsehen, war er doch eine Ohrfeige für die Politik der Bundesregierung und ihren Umgang mit Steuergeldern. Dieser Bericht sei vor allem denen, die in jedem Transrapid-Kritiker einen „technikfeindlichen Grünen“ sehen, zur lektüre empfohlen. Der Berichtsumfang zwingt uns allerdings, nachfolgend nur die Vorbemerkung und die Kurzfassung zu dokumentieren. Ergänzend dazu finden Sie auf Seite 20 einen zusammenfassenden Bericht über die Anhörung, herausgegeben vom Pressezentrum des Deutschen Bundestages.


IGEB

1. Mai 1996

Bundesrechnungshof

Bericht zur Transrapid- Strecke Berlin - Hamburg

Frankfurt am Main, 29.01.1996. Bericht nach § 88 Abs. 2 BHO über den Stand der Vorbereitungsmaßnahmen für die Entscheidung über den Bau der Magnetschwebebahnverbindung Berlin - Hamburg (Transrapid) (Abschluß der örtlichen Erhebungen: 15.12.1995)

Vorbemerkung

Die Bundesregierung hat am 04.03.1994 mit Drucksache 12/6964 den Deutschen Bundestag über das Finanzierungskonzept der Magnetschwebebahnverbindung Berlin - Hamburg unterrichtet. Sie hat als Folge daraus am 06.10.1994 gemeinsam mit Unternehmen der privaten Wirtschaft die Magnetschnellbahn-Planungsgesellschaft mbH, Schwerin (MPG), gegründet, die die Vorbereitung und die Erstellung der Unterlagen für die Durchführung des Raumordnungs- und des Planfeststellungsverfahrens für das Gesamtsystem der Magnetschwebebahnstrecke Berlin - Hamburg zu erstellen hat und dabei auch im Auftrag des künftigen Bauherrn und des künftigen Betreibers arbeitet.

Der Bundesrechnungshof hat die Vorbereitungsmaßnahmen zur Entscheidung über den Bau der Magnetschwebebahnverbindung Berlin - Hamburg und die Gesamtprobleme geprüft. Da ihm örtliche Erhebungsrechte nach § 54 Haushaltsgrundsätzegesetz in der Satzung der MPG nicht eingeräumt sind, konnte er allerdings nur prüfen, soweit dies im Bundesministerium für Verkehr (BMV) möglich war.

Einzelheiten der Magnetschwebebahntechnik oder anderer technischer Komponenten hat der Bundesrechnungshof nicht geprüft.

Der Entscheidungsprozeß wird voraussichtlich im Jahre 1996 in eine Phase eintreten, in der Weichen für die weitere Entwicklung und inbesondere für die künftige Belastung des Bundeshaushaltes gestellt werden. Dies und seine Feststellungen während der o.a Prüfung nimmt der Bundesrechnungshof zum Anlaß, den Bundestag, den Bundesrat und die Bundesregierung in einem gesonderten Bericht nach § 88 Abs. 2 BHO zu den anstehenden Entscheidungen und über mögliche Risiken zu beraten.

Kurzfassung

0.1

Das Finanzierungskonzept trennt organisatorisch zwischen Fahrweggesellschaft und Betriebsgesellschaft. Der Bund soll den Fahrweg finanzieren. Die beteiligte Privatwirtschaft und damit auch die Auftragnehmer für den Bau übernehmen den Betrieb.

Der Bundesrechnungshof meint, daß sich durch die organisatorische Trennung Abgrenzungsprobleme ergeben haben, die vor Vertragsabschlüssen über das Gesamtprojekt in allen Einzelheiten geklärt werden sollten.

Der Bund sollte die Verantwortlichkeiten so regeln, daß sich später für ihn möglichst keine Streitigkeiten mit den Vertragspartnern ergeben. Er sollte die Verantwortung der privaten Wirtschaft für die Funktionsfähigkeit des Gesamtsystem vertraglich festschreiben. [Alle Hervorhebungen im Original]

0.2

Bis zur Zulassung des Transrapid als neues Verkehrsmittel auf der Strecke Berlin - Hamburg ist noch eine Vielzahl von Arbeiten zu erledigen. Es fehlt die Erprobung des Winterfahrbetriebes, des Begegnungsverkehrs, des neuen Betriebsleitsystems. Für den Bordservice, die Gepäckbeförderung, den Gesamtbetrieb, die Rettung und Evakuierung für den Störungsfall, die Instandhaltung und den Lärmschutz liegen keine fertigen Konzepte vor. Zusätzlich ist die Modernisierung der Transrapid-Versuchsanlage im Emsland (TVE) als Realisierungsvoraussetzung für den Betrieb der Magnetschwebebahnverbindung Berlin - Hamburg nicht gesichert und der Versuchsbetrieb nicht in allen Punkten hierauf abgestimmt. Für das Jahr 1996 vorgesehene Baumittel von 268 Mio DM sind auf 1 Mio DM herabgesetzt worden.

Der Bundesrechnungshof hält den Bund in großem Maße für die Realisierung des Gesamtprojektes und die Begrenzung des Haushaltsrisikos für verantwortlich. Er deutet die Baumittelherabsetzung als Zeichen einer bereits eingetretenen Zeitverzögerung und sieht daher ein straffes Zeitmanagement für die abzuschließenden Arbeiten als erforderlich an.

>Der Bund sollte die Koordinierungsinitiative ergreifen und gemeinsam mit der Industrie für die pünktliche Abarbeitung der offenen, nicht nur finanziellen Fragen ein straffes Zeitmanagement einrichten, regelmäßig die Arbeitsergebnisse kontrollieren und den Zeitplan überwachen. Der Bundesrechnungshof empfiehlt, den Versuchsbetrieb auf der TVE effizient mit den Erfordernissen für die mehrere Milliarden DM teure Magnetschwebebahnverbindung Berlin - Hamburg abzustimmen und für die Erprobung neuer Bauteile von den Lieferanten eine Kostenbeteiligung zu verfangen.

03

Bevor eine Magnetschwebebahnverbindung erwogen wurde, war bereits ein Rad/Schiene-System zwischen Berlin und Hamburg geplant. Dieses wird für 4.441 Mio DM Gesamtinvestitionen auf 160 km/h (Option 200 km/h) bis Ende des Jahres 1997 verwirklicht werden. Der Ausbau beinhaltet einen großen Teil der für eine Geschwindigkeit von 200 km/h notwendigen Maßnahmen. Der Bund will auf die Ausübung der Option, die nur noch 800 - 1.000 Mio DM kosten und die Reisezeit von 2 Stunden 11 Minuten auf dann 1 Stunden 35 Minuten verkürzen würde, verzichten und keine weiteren Finanzzuschüsse zur Verfügung stellen. Auf diese Weise will er einen Wettbewerb zur Magnetschwebebahnverbindung ausschalten, um das erforderliche Fahrgastaufkommen zur Verfügung stellen zu können. Die Deutsche Bahn AG (DB AG) hat bisher nicht auf einen Wettbewerb verzichtet. Das BMV geht davon aus, daß die DB AG dies mit ihrem Engagement beim Transrapid tun wird. Bereits heute haben Dritte das Recht, den Rad/Schiene-Fahrweg zu nutzen.

Nach Auffassung des Bundesrechnungshofes schmälert eine Ausübung der verkehrswirtschaftlich für eine leistungsfähige Anbindung ausreichenden "Option 200 km/h" das wirtschaftliche Ergebnis der Magnetschwebebahnverbindung Berlin - Hamburg. Es ist fraglich, ob bei der beabsichtigten Privatisierung des Fahrweges oder im Falle des Verkaufs der Anteile der DB AG an Private der Bund die Ausübung der Option auf Dauer verhindern kann. Die EU könnte es für bedenklich halten, wenn die Nichtausübung der Option zur Sicherstellung des Fahrgastaufkommens für den Transrapid freien Wettbewerb eingeschränkt. Im übrigen könnten mit Inbetriebnahme der Magentschwebebahnverbindung Berlin - Hamburg große Teile der bis Ende 1997 durchgeführten Rad/Schiene-Ausbaumaßnahmen unwirtschaftlich werden.

Der Bund sollte bei seiner Entscheidung über den Bau der Magnetschwebebahnverbindung Berlin - Hamburg den Gesamtnutzen einschließlich der möglicherweise unwirtschaftlich werdenden Rad/Schiene-Ausbaumaßnahmen berücksichtigen. Der Bundesrechnungshof empfiehlt dem Bund verstärkt, frühzeitig zu prüfen, wie er dauerhaft eine Ausübung der "Option 200 km/ h" verhindern will, ob dies aus Sicht der EU unbedenklich ist und wie hoch der Einfluß eines internationalen Wettbewerbes durch Dritte sein könnte.

0.4

Nach dem Finanzierungskonzept soll sich die DB AG an der Betriebsgesellschaft beteiligen und zusammen mit der Deutschen Lufthansa (DLH) den Betrieb der Magnetschwebebahnverbindung Berlin - Hamburg übernehmen. Der Aufsichtsrat der DB AG will hierüber endgültig in seiner Sitzung am 28.02.1996 entscheiden. Die Betriebsgesellschafit ist nach Ansicht der Industrie deshalb noch nicht gegründet worden, obwohl sie bereits im Jahre 1995 ihre Arbeit aufnehmen sollte.

Die DB AG hatte bisher einen Ausgleich ihrer durch den Betrieb der Magnetschwebebahnverbindung Berlin - Hamburg erwarteten, jährlichen Erlösausfälle von 150 - 200 Mio DM verlangt und will nun darauf nach Auskunft des BMV verzichten. Der Bundesrechnungshof hält das Engagement der DB AG für das Gesamtprojekt für unabdingbar. Der Verzicht auf einen Ausgleich von Erlösausfällen seitens der DB AG beseitigt nicht die tatsächlichen Ergebnisbelastungen. Der Bund wird die durch die Magnetschwebebahnverbindung Berlin - Hamburg im Rad/Schiene-Bereich entstehenden Belastungen und Risiken in jedem Fall übernehmen müssen.

Der Bundesrechnungshof empfiehlt dem Bund, über seine Vertreter im Aufsichtsrat der DB AG sicherzustellen, daß über das von der DB AG vorgeschlagene Engagement unverzüglich entschieden wird. Er sollte die DB AG ferner um Aufklärung über die geänderte Haltung zum Ausgleich der Erlösausfälle bitten. Der Bund sollte die ihm im Rad/Schiene-Bereich entstehenden Belastungen und Risiken in seine Grundsatzentscheidung z um Bau der Magnetschwebebahnverbindung Berlin - Hamburg einbeziehen.

0.5

Gegenüber der im Finanzierungskonzept berücksichtigten Trasse ist nunmehr eine Vorzugstrasse ohne den Haltepunkt Hamburg-Billwerder-Moorfleet und mit einer Verlängerung in die Innenstadt von Berlin (Lehrter Bahnhof oder Papestraße) über mindestens 7 km geplant. Das BMV geht davon aus, daß für die Stadteinführungen überwiegend Gelände der DB AG genutzt werden kann. Der Fahrweg soll insgesamt 5.621 Mio DM (Preisstand 1993) kosten. Darin enthalten sind 7 vH Planungskosten, Investitionen, die auch dem Betrieb zugeordnet werden könnten und durchschnittliche Bodenpreise für die Innenstädte von 100,— DM/m2. Die Preissteigerungen sollen für das Gesamtprojekt, dessen Inbetriebnahme im Jahre 2004 geplant ist, 3 vH p.a. [3% pro Jahr] betragen. Das BMV erwartet einen "erhöhten Erkundungsaufwand" und eine bisher nicht berücksichtigte, aber möglicherweise erforderliche Baustraße für Schwerlastverkehr entlang der gesamten Trasse. Es beabsichtigt, den Fahrweg zum Festpreis bauen und mit genaueren Investitionskostenschätzungen eine neue Wirtschaftlichkeitsberechnung durchführen zu lassen. Das BMV geht davon aus, daß alle Partner an einer pünktlichen Inbetriebnahme des Gesamtsystems interessiert sind.

Der Bundesrechnungshof erwartet infolge der Trassenverlängerung in die Berliner Innenstadt erheblich über den derzeitigen Schätzungen liegende Fahrweginvestitionen. Außerdem wird die DB AG ihr Gelände nur zu marktüblichen Preisen zur Verfügung stellen. Der Bundesrechnungshof sieht daher eine genaue Ermittlung der tatsächlichen Bodenpreise für die Innenstadteinführungen als notwendig an. Er hält auch eine Überprüfüng des Budgets der Planungskosten in Anbetracht des erhöhten Erkundungsaufwandes für erforderlich. Der Bundesrechnungshof befürchtet im Falle einer ausschließlichen Festlegung auf einen Festpreis erhebliche Risikoaufschläge der Auftragnehmer und weist daraufhin, daß regelmäßige Preissteigerungen von 3 vH für jedes Jahr, um das sich die Fertigstellung des Fahrweges verzögert, mehr als 220 Mio DM Preissteigerungen zur Folge hätten.

Der Bund sollte darauf achten, daß die Investitionskosten des Fahrweges den veränderten Verhältnissen angepaßt und diese in seinen Finanzierungsplänen berücksichtigt werden. Alternativ schlägt der Bundesrechnungshof zur Minderung des Bundesanteils an den Gesamtkosten erneute Verhandlungen mit der privaten Wirtschaft über Investitionen vor, die möglicherweise dem Betrieb zugeordnet werden könnten.

Der Bundesrechnungshof schlägt vor zu prüfen, ob die Schlußabrechnungssumme für den Fahrweg in einem Festpreisbestandteil für herkömmliche Bauleistungen und einen Höchstpreis für systemabhängige Leistungen aufgeteilt werden kann, der allerdings nach tatsächlich entstandenen Kosten zuzüglich einer marktüblichen Gewinnmarge abgerechnet wird und einer Preisprüfung unterliegt. Er empfiehlt, in Anbetracht der hohen finanziellen Auswirkungen verstärkt auf eine pünktliche Inbetriebnahme hinzuwirken.

0.6

Im Finanzierungskonzept werden jährliche Fahrgastzahlen für die Magnetschwebebahnverbindung Berlin - Hamburg genannt, die auf veralteten Annahmen der Bundesverkehrswegeplanung 1992 basieren und von Gutachtern für einen von der Vorzugstrasse erheblich abweichenden Planfall ermittelt wurden. Minderungen des Fahrgastaufkommens aufgrund gestiegener Fahrpreis sind nicht berücksichtigt. Das BMV will auf aktualisierten Daten eine neue Prognose erstellen lassen.

Der Bundesrechnungshof ist der Auffassung, daß dies vor vertraglichen Festlegungen über das Gesamtprojekt geschehen und die Prognose nicht für Zwecke eines staatlichen Infrastrukturausbaus, sondern für betriebswirtschaftliche Planungszwecke und damit vorsichtiger erstellt werden sollte. Auswirkungen aufgrund gestiegener Fahrpreise sind darin angemessen zu berücksichtigen.

Der Bundesrechnungshof empfiehlt dem Bund dringend, neue, auf aktualisierten Werten basierende Prognosen des Fahrgastaufkommens erstellen zu lassen, die inbesondere für eine betriebswirtschaftliche Erfolgsplanungsrechnung der Betriebsgesellschaft geeignet sind. In den Prognosen sollte die Höhe der Fahrpreise angemessen berücksichtigt sein. Nur eine darauf aufbauende Erlösschätzzung gibt Gewißheit über die finanzielle Belastung des Bundeshaushaltes, die aus einer fehlenden Rendite der Betriebsgesellschaft erwachsen könnte.

0.7

In Hamburg soll nach Auskunft des BMV die gesamte Anbindung des öffentlichen und des Individualverkehrs ohne den Haltepunkt Billwerder-Moorfleet ausschließlich über den Hamburger Hauptbahnhof erfolgen. Eine ausgebaute Ost-West-Straße und das frei werdende Gelände eines Paketpostamtes südlich des Hauptbahnhofes sollen eine optimale Anbindung ermöglichen. Gutachter sehen die Anbindung des motorisierten Individualverkehrs an den Hamburger Hauptbahnhof als technisch schwierig und als nicht mit dem Ziel einer konsequenten Verkehrsberuhigung der Hamburger Innenstadt vereinbar an. In Berlin-Spandau waren die Straßen in Verkehrsspitzenzeiten bereits im Jahre 1993 überlastet. Anbindungsverbesserungen sind noch nicht absehbar. Die Gutachter haben in ihrem Planfall bei unterbliebenen Anbindungsverbesserungen im Individualverkehr ein Sinken des Verkehrsaufkommens von 14,5 Mio auf 9,2 Mio Fahrgäste im Jahre 2010 ermittelt.

Das BMV sieht die regionale Verkehrsplanung nicht als seine Aufgabe an. Der Bund gewährt jedoch im Einzelfall nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz bis zu 75 vH Fördermittel.

Der Bedarfshaltepunkt Schwerin soll gegenüber dem Ansatz in der Fahrgastprognose noch weiter von Schwerin entfernt liegen und eine schlechtere Anbindung an den Individualverkehr erhalten.

Der Bundesrechnungshof sieht durchaus das Interesse Hamburgs an einer konsequenten Verkehrsberuhigung seiner Innenstadt. Er ist allerdings der Auffassung, daß dadurch Auswirkungen auf die Attraktivität des Gesamtangebotes der Magnetschwebebahnverbindung und auf das Verkehrsaufkommen sowie die künftigen Erlös der Betriebsgesellschaft nicht auszuschließen sein werden. Er hält es in Anbetracht der hohen Fördermittel des Bundes für angebracht, wenn dieser z.B. in bereits vorhandenen Gremien versuchen würde, regionale Infrastrukturmaßnahmen mit seinen auf weltweiten Exporterfolg ausgerichteten Zielen im Rahmen des Baus der Magnetschwebebahnverbindung abzustimmen. Mit der beschriebenen Verlegung des Bedarfshaltepunktes Schwerin wären Beeinträchtigungen des Fahrgastaufkommens und damit der Wirtschaftlichkeit des späteren Betriebes nicht auszuschließen.

Der Bund sollte gegenüber dem Gutachter-Bestfall nachteilige Veränderungen der Haltepunktanbindungen, eine mögliche Beeinträchtigung des mit der Magnetschwebebahnverbindung Berlin - Hamburg verbundenenen Projektzieles und zögerliche Planungen auf kommunaler Ebene umgehend und einvernehmlich in zeitlicher und inhaltliche hinsicht mit den beteiligten Städten klären. Es sollte über seine Vertreter im Aufsichtsrat der Magnetschnellbahn-Planungsgesellschaft mbH darauf hinwirken, daß die Wirtschaftlichkeit des Betriebes bei der Auswahl der Lage der Haltepunkte berücksichtigt wird.

0.8

Der Bund soll einen Teil seiner Fahrweginvestitionen in Form eines zweigeteilten Nutzungsentgeltes zurückbezahlt bekommen. Der erste Teil ist vorrangig und bemißt sich nach den jährlichen Abschreibungen. Der zweite Teil ist vom Jahresüberschuß der Betriebsgesellschaft abhängig und soll nachrangig bedient werden. Zur Absicherung von 500 Mio DM Eigenkapitalbeschaffung der Betriebsgesellschalt soll der Bund gegebenenfalls sein Nutzungsentgelt mit zweijähriger Verzögerung erhalten.

Das BMV plant, sich den Betrieb der Magnetschwebebahnverbindung Berlin - Hamburg und die Nutzungsentgeltzahlungen von den Systemlieferanten vertraglich garantieren zu lassen.

Der Bundesrechnungshof meint, daß die private Wirtschaft das Nutzungsentgelt als weniger verbindlich ansehen könnte und begrüßt das Vorhaben des BMV, das eine erhebliche Abweichung vom bisherigen Finanzierungskonzept darstellt. Er hält es für den Fall, daß das BMV mit seinen Begehren keinen Erfolg haben sollte, für erforderlich, daß der Bund die Schaffung aller Voraussetzungen für einen rentablen Betrieb des Gesamtsystems zur Minimierung seiner eigenen Risiken und zur Absicherung der Nutzungsentgeltzahlungen unterstützt.

Der Bund sollte sich umgehend mit der beteiligten Privatwirtschaft auf ein abgestimmtes Nutzungsentgeltkonzept einigen und zur eigenen Risikominimierung die Schaffung von Voraussetzungen für einen rentablen Betrieb des Gesamtsystems unterstützen.

Der Bundesrechnungshof empfiehlt, in die Satzung der Betriebsgesellschaft eine Verlustausgleichsverpflichtung für die Privatwirtschaft als Anteilseigner aufzunehmen.

Sollte der Bund im Verlauf weiterer Verhandlungen mit der Privatwirtschaft im Interesse des Gesamtprojekterfolges weitere Risiken eingehen müssen, regt der Bundesrechnungshof zu deren Ausgleich an, sich am späteren Exportgeschäft des Transrapid eine Erfolgsbeteiligung einräumen zu lassen.

0.9

Für die Stromversorgung der Magnetschwebebahnverbindung Berlin - Hamburg liegt bisher nur ein Angebot regionaler Energieversorgungsunternehmen vor. Es fehlt zum Vergleich ein Angebot der DB AG über die Versorgung mit Bahnstrom.

Der Bundesrechnungshof hebt hervor, daß eine günstige Stromversorgung entscheidende Auswirkungen auf die Rentabilität des späteren Betriebes haben wird. Darüber hinaus wären Zeitverzögerungen im Raumordnungsverfahren durch das Nichtvorliegen des Vergleichsangebotes der DB AG denkbar.

Der Bundesrechnungshof empfiehlt dem Bund, eine wirtschaftliche Stromversorgung prüfen zu lassen und dabei auch ein Vergleichsangebot der DB AG in seine Überlegungen einzubeziehen.

0.10

Die Ausgestaltung des künftigen Ausschreibungsverfahrens über den Gesamtauftrag zur Erstellung der Magnetschwebebahnverbindung Berlin - Hamburg ist zwischen dem Bund und der beteiligten Privatwirtschaft noch nicht abschließend geklärt. Ebenso ist das Ausschreibungsverfahren auf europäischer Ebene bisher nicht abgesichert. Die Übernahme der Risiken daraus ist offen.

Der Bundesrechnungshof hält eine rechtlich verbindliche Absicherung des späteren Ausschreibungsverfahrens auf nationaler und europäischer Ebene vor dessen Durchführung und vor Vertragsabschluß für unverzichtbar. Im Falle einer Wettbewerbsklage der EU wären sonst Zeitverzögerungen und Preissteigerungen zu befürchten.

Der Bund sollte das Ausschreibungsverfahren vor dessen Durchführung und vor Vertragsabschluß auf nationaler und europäischer Ebene rechtlich verbindlich absichern, um einen Wettbewerb sicherzustellen sowie Zeitverzögerungen und zusätliche Risiken zu vermeiden.

0.11

Hauptziel des Finanzierungskonzeptes ist es, einen Beitrag zur Sicherung des Wirtschaftsstandortes Deutschland zu leisten sowie die Erschließung von Exportmärkten für den Transrapid zu ermöglichen. Die beteiligte Industrie hat bisher nicht nachgewiesen, daß nach Inbetriebnahme der Magnetschwebebahnverbindung Berlin - Hamburg als behauptete Voraussetzung für einen Export des Gesamtssystems auch Exporterfolge wahrscheinlich sein werden. Sie ist Systemhersteller für das Magnetschwebebahnsystem und gleichzeitig für das Rad/Schiene-System.

Eine Anbindung der geplanten Anwendungsstrecke an die internationalen Flughäfen wurde derzeit noch nicht abschließend untersucht.

Der Bundesrechnungshof meint, daß ein nennenswerter Beitrag zur Sicherung des Wirtschaftsstandortes Deutschland erst mit tatsächlichen Exporterfolgen des Gesamtsystems geleistet wird. Auf gewissen Strecken stellt das Rad/Schiene-System eine ernst zu nehmende Konkurrenz zum Magnetschwebebahnsystem dar. Es ist nicht bekannt, welchem System die Industrie selbst aus haftungsrechtlichen und strategischen Überlegungen heraus bei der Vermarktung den Vorzug gegeben wird. Da der Bund zur Verwirklichung seines Hauptzieles einen Mittelsatz in Milliardenhöhe plant, wäre eine Gewißheit über den Grad der Wahrscheinlichkeit künftiger Exporterfolge wünschenswert.

Der Bundesrechnungshof sieht den Nutzen des Transrapid auf der Magnetschwebebahnverbindung Berlin - Hamburg im Hinblick auf seine Eignung als An- und Verbinder innerdeutscher Flughäfen solange als gering an, wie eine Flughafenanbindung fehlt.

Der Bund sollte im Rahmen regelmäßig stattfindender Kontakte mit der Industrie sicherstellen, daß diese die für einen Exporterfolg erforderlichen Anstrengungen unternimmt. Er sollte sich über deren Vermarktungsstrategie und -aktivitäten informieren lassen. Der Bundesrechnungshof weist im übrigen darauf hin, daß die ausgewählte Vorzugstrasse keine Schlüsse auf die Eignung des Transrapid zur An- und Verbindung von Flughäfen zuläßt.

0.12

Das deutsche Magnetbahnsystem soll der Konkurrenz nach den Ausführungen des BMV technisch überlegen sein. Insbesondere gegenüber dem in der Erprobungsphase befindlichen japanischen System soll es wirtschaftlicher und der Fahrweg mit niedrigeren Investitionskosten zu erstellen sein.

Im BMV ist mit der Betreuung des Transrapid-Projektes ein Unterabteilungsleiter als Projektbeauftragter befaßt, der diese Aufgabe zusammen mit einem Referatsleiter und einem technischen Mitarbeiter neben den üblich anfallenden Arbeiten erledigt. Mit Teilproblemen befassen sidh zwei interministerielle Arbeitsgruppen und ein Gutachter. Zur weiteren Projektabwicklung notwendige Vorarbeiten, die die bisher noch nicht gegründete Fahrweg- und die Betriebsgesellschaft bereits im Jahre 1995 übernehmen sollten, sind dringend zu leisten.

Der Bundesrechnungshof ist der Auffassung, daß auch ein vermeintlich schlechteres Konkurrenzprodukt, das zum Verkauf angeboten werden kann, gute Verkaufschancen hat, wenn ein besseres System auf seine Markteinführung noch warten muß. Eine pünktliche Inbetriebnahme der Referenzstrecke als Grundlage für Exporterfolge wird daher um so wichtiger. Erfahrungsgemäß ist davon auszugehen, daß die Industrie mit personell und funktionell hoch ausgestatteten Arbeitseinheiten das Großprojekt und die eigenen Interessen mit intensiven Vorbereitungsarbeiten absichern wird. Der Bundesrechnungshofhat Bedenken, daß dem beschriebenen Personenkreis beim BMV neben seiner üblichen Tätigkeit eine vergleichbare Vorbereitung gelingen wird.

Der Bundesrechnungshof empfiehlt dem Bund, intensiv auf eine pünktliche Inbetriebnahme der Magnetschwebebahnverbindung Berlin - Hamburg hinzuarbeiten. Der Bund sollte prüfen, ob zur Vorbereitung und Begleitung des Großprojektes eine ausreichend ausgestattete Projektgruppe effizient wäre.

IGEB

aus SIGNAL 3-04/1996 (Mai 1996), Seite 19-24