Nahverkehr

Überwiegend erfreulich

Der neue S-Bahn-Fahrplan


IGEB

1. Jul 1996

Der Sommer hat in diesem Jahr Verspätung, der Sommerfahrplan aber gilt pünktlich seit dem 2. Juni. Erhältlich war er sogar schon viel früher, jedenfalls für die S-Bahn. Während es beim BVG-Fahrplan die alljährlichen Verspätungen gab, hat die S-Bahn GmbH, und das soll hier als erstes Lob vermerkt werden, ihren Fahrplan wieder rechtzeitig unter die Kunden gebracht. Erstmals wurde die erneut kostenlose Broschüre - dafür das zweite Lob - am 12. Mai beim Tag der offenen Tür in der S-Bahn-Hauptwerkstatt in Schöneweide verteilt. Aber auch die Gestaltung verdient eine Würdigung: Da die Herstellung des Fahrplanheftes einiges kostet, dürften Anzeigenkunden immer willkommen sein. Dennoch gibt es relativ wenig Werbung, so daß das Heft übersichtlich bleibt und nicht unnötig schwer wird. Außerdem wurde das handliche Format beibehalten - ganz im Gegensatz zum Regionalkursbuch Berlin-Brandenburg der DB AG, das als ständiger Reisebegleiter jetzt unbrauchbar ist.

Als positive Neuerung bei der S-Bahn wurden ein- und aussetzende Züge mit abweichender Linienführung vollständig in den Fahrplan aufgenommen, zum Beispiel auf den Linien S45 und S9 die Fahrten von und nach Grünau, auf der S10 die Oranienburger Züge und auf der S6 die Fahrten ab und bis Hauptbahnhof. Auch die Angabe der verschiedenen Gleise der Südringverstärker in Baumschulenweg ist sehr nützlich. Die Parkeisenbahn in der Wuhlheide ist dankenswerterweise ebenfalls wieder enthalten - aber möglicherweise zum letzten Mal, denn dieser Verkehrs- und sozialpolitisch wichtigen Kinder- und Jugendarbeit droht nach Kürzung der Senatsgelder das "Aus".

Leider fehlt noch immer eine Fahrplantabelle für die Stadtbahn. Eine solche Übersicht mit dem Gesamtverkehr zwischen Westkreuz und Ostkreuz, besser noch bis Lichtenberg, wäre z.B. für Fahrten zu den Fernbahnhöfen sehr nützlich, insbesondere in Tagesrandlagen. Platz für einen solchen Fahrplan wäre vorhanden, z.B. auf den Seiten 91 bis 97, denn der Gesamtverkehr auf der Stadtbahn ist sicher wichtiger als der Abdruck des Fahrplanes der Buslinie 695, auch wenn diese für Potsdam-Besucher durchaus interessant ist.

Bemerkenswert sind die Verbesserungen im Verkehrsangebot. In erster Linie profitiert davon der Berliner Südostraum: Die Linie S6 wird im Sommer an den Wochenenden bis Zeuthen verlängert, ebenso der 10-Minuten-Takt der S3 bis Erkner, so daß hier künftig auch bei Ausflugswetter das Fahrgastaufkommen bewältigt werden dürfte. Im Abendverkehr fährt die Linie S8 von Bernau künftig wieder nach Berlin-Grünau statt nur bis Schöneweide,und auf dem Südring wird es auch am Sa/So-Morgen alle 10 statt bisher 20 Minuten einen Zug geben.

Zum besseren Überschauen des Angebotes auf der Stadtbahn wünscht der Berliner Fahrgastverband seit Jahren eine eigene Fahrplantabelle für alle S-Bahn-Angebote zwischen Westkreuz und Lichtenberg. Trotz dieses Defizites verdient das neue Fahrplanheft der S-Bahn ein Lob. Foto: Marc Heller

Freuen können sich die Stadtbahnfahrgäste auf zusätzliche Züge im morgendlichen Berufsverkehr von Ahrensfelde nach Charlottenburg, sobald der Baufortschritt auf der Stadtbahn dies erlaubt. Schließlich sei noch die Neuordnung des Fahrplanes auf der S1 erwähnt, die zwar eine geringfügige Fahrzeitverlängerung einschließt. aber zwischen Gesundbrunnen und Frohnau den 11/9-Minuten-Takt durch einen lO-Minuten Takt ersetzt und eine insgesamt bessere Fahrplaneinhaltung verspricht. Schön wäre es, wenn auf dem Südring nun auch noch der Tagesverkehr verdichtet würde, indem der 5-Minuten-Takt auf die Vormittagsstunden ausgedehnt wird - die im letzten Jahr spürbar gestiegenen Fahrgastzahlen rechtfertigen dies. Hier ist der Berliner Senat als Besteller gefordert.

Kleine Verbesserungen gibt es teilweise auch im Spätverkehr. So fährt z.B. auf der S3 montags bis freitags der letzte Zug nach Erkner ab Berlin Hbf erst um 0.56 statt bisher 0.38, der letzte nach Köpenick um 1.16 statt 0.58. Besser wurde das Angebot nach Mitternacht auch auf dem Südring - welch ein Kontrast zum provinziellen Spätverkehr der Berliner U-Bahn! Allerdings sollten Senat und S-Bahn darüber hinaus in den Nächten zu Sonnabend und Sonntag einen durchgehenden Halbstundentakt bieten, analog zum Angebot im Nachtbusnetz der BVG. Bei relativ niedrigen Betriebskosten - die Triebfahrzeugführer der abgestellten Züge bleiben in den wenigen Nachtstunden ohnehin im Führerstand - wäre eine deutliche Attraktivitätssteigerung gegeben.

Ärgerlich ist, daß auch im neuen Fahrplanjahr noch immer einige Bahnhöfe auf der Stadtbahn ohne Halt durchfahren werden und daß die Züge noch immer nicht z.B. nach Jungfernheide und Lichterfelde Süd fahren. Aber das haben andere, nicht die S-Bahn GmbH zu verantworten. In deren Zuständigkeitsbereich fällt jedoch, daß die Züge von Westend nach Flughafen Berlin-Schönefeld und von Königs Wusterhausen nach Westend noch eine Minute langsamer wurden. Besonders ärgerlich ist, daß den Fahrgästen der S45 in Baumschulenweg und denen der S3 und S7 in Westkreuz jeweils in einer Richtung nun ein dreiminütiges (!) Stehen zugemutet wird. Gleichgültig, welche Begründung es dafür gibt, hat die S-Bahn GmbH mit diesen Stehzeiten mindestens im Tagesverkehr die Schmerzgrenze für ein städtisches Schnellverkehrsmittel überschritten und einen Schatten auf den ansonsten - siehe oben - erfreulichen Fahrplanwechsel geworfen.

IGEB

aus SIGNAL 5/1996 (Juli 1996), Seite 22