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Express-S-Bahn nach Strausberg Nord
Alternative oder Ergänzung zum StadtExpress?
Bemerkenswerte Studie zum Betriebskonzept S-Bahn

Mit dem im Berliner Raum bisher nicht eingeführten StadtExpress (SE) will die Deutsche Bahn den Regionalverkehr zwischen Innenstadt und Umland verbessern. Grundsätzlich hält der SE im Einzugsbereich von S-Bahn-Netzen nur an bestimmten, außerhalb aber an allen Stationen. Der Nahverkehrsplan des Landes Brandenburg sieht unter anderem eine StadtExpress-Linie von Berlin Wriezener Bahnhof über Lichtenberg nach Küstrin-Kietz bzw. bis Kostrzyn vor (siehe SIGNAL 5/96). Diese würde auch Strausberg zugutekommen. Nun überlegt die S-Bahn GmbH, ob sie im Rahmen ihres Betriebskonzepts nicht ebenfalls nur an ausgewählten Stationen haltende Züge anbieten kann: als Express-S-Bahn nach Strausberg Nord. Die Deutsche Eisenbahn-Consulting GmbH (DE-Consult) hat die Realisierbarkeit untersucht.


IGEB

1. Sep 1996

Die projektierte StadtExpress-Linie nach Küstrin/Kostrzyn soll bis Strausberg parallel zur Trasse der Gleichstrom-S-Bahn verlaufen und langfristig elektrifiziert werden. Überlegt wird in diesem Zusammenhang auch, den Abschnitt Strausberg - Strausberg Nord aus dem S-Bahn-Netz herauszunehmen und künftig ebenfalls mit StadtExpress-Zügen zu befahren. Zwei sich überlagernde SE-Linien würden auf der Strecke zwischen Berlin Wriezener Bahnhof und Strausberg dann einen 30-Minuten-Takt herstellen. Dieses Betriebsprogramm gilt nur den Regionalverkehr - speziell hier für das Produkt StadtExpress - als mustergültig.

Abfahrbereiter Zug in Strausberg Nord. Die Fahrt bis Berlin-Charlottenburg dauert heute eine Stunde und 19 Minuten. Mit der Express-S-Bahn soll es rund 11 bis 12 Minuten schneller gehen. Foto: Marc Heller

Auch mit Blick aufeinen künftigen Halt am Ostkreuz mit Umsteigemöglichkeit zur Ringbahn soll die "Musterstrecke" über Lichlenberg hinaus in Richtung Innenstadt geführt werden, für eine direkte Einfadelung in den Hauptbahnhof wären aber sehr aufwendige Kreuzungsbauwerke über/unter den S-Bahn-Gleisen der Stadtbahn erforderlich. Die Führung zum Wriezener Bahnhof bietet sich als kostengünstigere Variante an, da in diesem Fall vorhandene Gleise nördlich der S-Bahn genutzt werden könnten. Errichet werden müßte aber immerhin ein Personenbahnsteig auf dem Areal des alten Wriezener Kopfbahnhofs, auch der Umsteigeweg zum ca. 200 Meter entfernten Hauptbahnhof wäre zumutbar zu gestalten (das niveaugleiche Überqueren der Straße der Pariser Kommune ist kaum akzeptabel).

Ausbau und Elektrifizierung der Ostbahn-Strecke nach Kostrzyn erfordern hohe Investitionen. Soll bis Strausberg Nord weiterhin die S-Bahn fahren, müssen im Bahnhof Strausberg zumindest Gleich- und Wechselstromsystem voneinander isoliert werden. Um komplizierte "Trenntransformatoren" (wie in Birkenwerder und Erkner) zu vermeiden, kommt als letztlich befriedigende Lösung hier nur eine Umgestaltung der Gleisanlagen in Betracht. Gegenwärtig nutzen die bis Strausberg Nord durchlaufenden S-Bahn-Züge gemeinsam einen Gleisabschnitt mit den dieselbetriebenen Regionalzügem nach Kostrzyn.

Ein Makel des ansonsten vielversprechenden Konzeptes: Den Umsteigebahnhof Wuhletal müssen die Express-S-Bahn-Züge ohne Halt durchfahren, um in dem komplizierten Fahrplangefüge untergebracht zu werden. Foto: Marc Heller

Auch auf anderen Streckenabschnitten wären beide Stromsysteme voneinander zu trennen. Mittels Kabelverbindungen sind S-Bahn- und Fernbahngleise nämlich noch verbunden. Auf diese Weise kann die S-Bahn das nicht elektrifizierte Ferngleis als sogenannten "Rückleiterquerschnitt" mitnutzen. Wird dieser verringen, entstehen aber höhere Energieverluste - ein Problem, mit dem die Berliner S-Bahn ja inzwischen auf vielen Strecken konfrontiert ist.

Schätzungsweise würden die für einen elektrischen StadtExpress bis Kostrzyn nötigen Infrastrukturmaßnahmen 250 Millionen DM kosten. Damit ist der Investitionsbedarf für eine Express-S-Bahn nach Strausberg Nord natürlich nicht direkt vergleichbar. Doch auch wenn man berücksichtigt, daß die Strecke kürzer ist, überrascht die Studie der DE-Consult mit einem sehr geringen Kostenansatz für die Infrastrukturanpassung.

Express-S-Bahn alle 40-Minuten?
Vier untersuchte Varianten

Das Gutachten untersucht, unter welchen Bedingungen eine zusätzliche Zuggruppe, die nur in Mahlsdorf, Hoppegarten und Strausberg hält, eingerichtet werden kann. Da sich in der Simulation gezeigt hat. daß die Fahrzeitwerte für die Baureihen 475 bis 477, 480 und 485 aufgrund der wenigen Anfahrvorgänge und bei einer zulässigen Streckenhöchstgeschwindigkeit (!) von unverändert 80 km/h nur geringfügig differieren, wurden generell die Werte für Altbaufahrzeugen zugrundegelegt.

Zunächst sind vier Varianten für eine Express-S-Bahn (Zuggruppe Ex) im 40-Minuten-Takt durchgerechnet worden. Rücksicht nehmen muß diese vor allem auf das Fahrplangefüge der derzeitigen Zuggruppen E (intern noch so bezeichnete Stammzüge der S5) und E 1 (Verstärkerzüge von/nach Hoppegarten): auch die Zuggruppenstruktur im Bereich Lichtenberg soll möglichst wenig verändert werden. Zu beachten ist ferner der eingleisige Abschnitt östlich von Hoppegarten.

Kurzcharakteristik der Varianten

Die Konfliktpunkte respektive "feindliche Fahrplanlagen" - vor allem in den Bereichen Neuenhagen sowie zwischen Fredersdorf und Strausberg - zu minimieren, ist bei allen vorstehenden Varianten in größerem Umfang ein zweigleisiger Ausbau erforderlich. Beim ebenfalls untersuchten Einsatz einer Duo-S-Bahn (wahlweise Energie aus Stromschiene oder Dieselaggregat) ließe er sich durch die Mitbenutzung des Ferngleises verringern.

Präferenz für Stundentakt, aber halbstündlich zwischen Strausberg und Strausberg Nord

Insgesamt ziehen die Gutachter das Fazit, daß die bisher geschilderten Lösungen nicht befriedigen. Deshalb schlagen sie vor, das von einem 40-Minuten-Takt der Express-S-Bahn ausgehende Betriebsprogramm zu modifizieren. Dies fuhrt zu einer weiteren Variante: Zwischen Lichtenberg und Strausberg läßt sich die Express-S-Bahn bei minimale Infrastrukturausbau einmal pro Stunde die Überholvorgänge ins Fahrplangefüge der bis Hoppegarten 10-minütig, darüber hinaus 20-minütig verkehrenden S5 einpassen. Insbesondere der kritische eingleisige Abschnitt zwischen Hoppegarten und Strausberg würde nur mit einer zusätzlichen Zugfahrt pro Stunde belastet.

Im Streckenabschnitt Strausberg - Strausberg Nord stellen die im Stundentakt verkehrende Zuggruppe Ex und die dann hier ebenfalls stündlich verkehrende Zuggruppe E gemeinsam einen 30-Minutcn-Takt her. Dabei werden die Unterwegshalte Hegermühle und Strausberg Stadt auch von der Zuggruppe Ex bedient. Außerdem läßt sich der Stundentakt der Express-S-Bahn zwischen Strausberg und Berlin-Lichtenberg auf einen ebenfalls stündlich verkehrenden (zumindest vorerst dieselbetriebenen) StadtExpress von/nach Kostrzyn so abstimmen, daß alle 30 Minuten eine beschleunigte Verbindung angeboten wird.

Vorzugslösung

Foto: DE-Consult 1/96
Foto: DE-Consult 1/96
Die drei Zeichnungen zeigen den heutigen Zustand der Strecke von Biesdorf bis Strausberg Nord. Markiert sind die Bereiche mit den für die „Vorzugslösung Express-S-Bahn“ nötigen Infrastrukturmaßnahmen: 1. Blockteilung Birkenstein (Einteilung der Teilstrecke Mahlsdorf - Hoppegarten in drei Blockabschnitte), 2. Kreuzungsgleis Neuenhagen, 3. Kreuzungsgleis westlich Strausberg. Foto: DE-Consult 1/96

Für das Betriebsprogramm "Express-S-Bahn im Stundentakt" hat die DE-Consult weiter Detailuntersuchungen angestellt, aus denen sieh als günstigste Variante die sogenannte Vorzugslösung herauskristallisierte. Sie erfordert lediglich eine Unterteilung des Abschnitts Mahlsdorf - Hoppegarten in drei Blockabschnitte sowie je ein neues Kreuzungsgleis in Neuenhagen und westlich vor dem Bahnhof Strausberg.

Für die Kreuzung vor Strausberg gibt es zwei Vorschläge: Ersterer sieht Für die Zuggruppe E der S5 einen kurzen Betriebshalt vor und kommt deshalb mit einem nur 550 Meter kurzen Kreuzungsgleis aus, letzterer würde dank eines neuen 1.900 Meter langen Gleises eine "fliegende Kreuzung" ermöglichen. Für die Vorzugslösung mit kurzem Kreuzungsgleis vor Strausberg beträgt der Investitionsbedarf insgesamt 4,36 Mio DM, für die Vorzugslösung mit langem Kreuzungsgleis 6,855 Mio DM - jeweils einschließlich Weichen und Signalen, Blockteilung und Kreuzung Neuenhagen.

Nach den Berechnungen der DE-Consult benötigt die Express-S-Bahn bei zwei Zwischenstops in Hoppegarten und Mahlsdorf für die Strecke Strausberg - Lichtenberg exakt 24,3 bzw. 24,4 Minuten. Richtung Berlin wäre sie damit um 13,9 Minuten, in der Gegenrichtung um 9,2 Minuten schneller als die überall haltenden S-Bahn-Züge. Die Differenzwerte beziehen sich noch auf den Jahresfahrplan 1995/96, verglichen mit dem derzeit gültigen verändern sie sich auf ca. 11 bzw. 12 Minuten. Durch geänderte Haltezeiten der jetzigen S5 können sich die Unterschiede natürlich nochmals verschieben. Wie schon erwähnt, liegen die technischen Parameter der Altbauzüge und eine Streckenhöchstgeschwindigkeit von 80 km/h zugrunde. Beim Einsatz "spurtfreudigerer" Neubaufahrzeuge auf der S5 könnte die Express-S-Bahn aber nur noch bei höherem Spitzentempo einen nennenswerten Zeitvorteil erzielen. Dann müßten sowohl Streckenhöchstgeschwindigkeit als auch die Durchfahrgeschwindigkeit an Bahnsteigen (gegenwärtig maximal 50 km/h) erhöht werden.

Bei manchem Leser mag die Express-S-Bahn Erinnerungen an die "Bankierszüge" der Vorkriegszeit wecken. Die fuhren einst nonstop zwischen Zehlendorf und Potsdamer Bahnhof - allerdings auf eigens dafür mit Gleichstrom elektrifizierten Ferngleisen. Das für die Strausberger Strecke erarbeitete Konzept setzt dagegen auf weitgehend vorhandene S-Bahn-Infrastruktur. Obendrein ergibt sich dadurch der Vorteil, die Züge über Lichtenberg und Hauptbahnhof hinaus wie gewöhnliche S-Bahnen auf die Stadtbahn weiterführen zu können und so den Fahrgästen ins Zentrum das Umsteigen zu ersparen.

Wie geht es weiter?

Das Projekt liegt den Bestellern der Verkehrsleistung, den Ländern Berlin und Brandenburg, zur Prüfung vor. Wenn dort keine gravierenden Probleme entdeckt werden, dann sollte die Express-S-Bahn nach Strausberg jetzt eine Chance bekommen, denn der Zeitbedarf und die Kosten für die Realisierung sind so viel niedriger als beim Stadt-Express-Projekt der DB, daß eine schnelle Realisierung des S-Bahn-Ausbaus auch dann sinnvoll ist, wenn eines fernen Tages doch noch Geld für den SE zur Verfügung stehen sollte und dieser bei der schnellen Anbindung von Strausberg den Vorzug erhalten würde.

IGEB

aus SIGNAL 6/1996 (September 1996), Seite 4-7