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Unverantwortliche Preistreiberei

Erst zu Jahresbeginn sind die Fahrpreise der Verkehrsgemeinschaft Berlin-Brandenburg (VBB) drastisch erhöht worden. Nun wurden sie bereits nach neun Monaten schon wieder angehoben. Und die nächste Erhöhung droht für 1997. Doch die Politiker in Berlin und Brandenburg scheinen weder die Verkehrs- noch die umweltpolitische Dimension und schon gar nicht die sozialen Folgen dieser Fehlentwicklung zu begreifen.


IGEB

1. Okt 1996

Zunächst hieß es, daß "nur" die Ost-Tarife an die West-Tarife "angepaßt" würden. Schon dieser Schritt war zum jetzigen Zeitpunkt falsch, da die Löhne, Gehälter und Renten im VBB-Raum vielfach noch längst nicht auf" 100-Prozent-Westniveau" sind. Doch zusätzlich wurden die Zeitkarten im West-Tarif verteuert, so daß der Sprung für die "Anpassung" der Ost-Tarife noch größer wurde. Diese Preistreiberei bedeutet für viele Fahrgäste eine hohe finanzielle Belastung, während andererseits die Einkommenssituation der Menschen durch Null-Runden und Leistungskürzungen geprägt wird. Die einen werden nun auf den Luxus einer Bahn- oder Busfahrt verzichten und auf das Auto abwandern, die anderen, die sich kein Auto leisten können, werden in ihrer Bewegungsfreiheit massiv eingeschränkt. Bei vielen Menschen, insbesondere Familien und Senioren, herrscht Wut und Verzweiflung angesichts dieser Preispolitik.

Berlin im März 1996. Foto: Marc Heller

Schon heute gehört die BVG zu den wenigen deutschen Verkehrsbetrieben mit Fahrgast Verlusten. Weitere Verluste werden jetzt mit Sicherheit folgen. Berlins Verkehrspolitik rast mit großer Geschwindigkeit in eine soziale, ökonomische und umweltpolitische Sackgasse. Es ist unbegreiflich, daß die Politiker dieser Stadt diesen Scherbenhaufen nicht sehen und ihn mit der erneuten Erhöhung nun noch vergrößerten.

Um das ganze Ausmaß der unverantwortlichen Preistreiberei zu verdeutlichen, hat der Berliner Fahrgastverband IGEB eine Tabelle der Preisentwicklung bei den Zeitkarten seit 1994 zusammengestellt und ausgewählte Beispiele in den Fußnoten zu der Tabelle näher erläutert. Es wird deutlich, daß gerade die Stammkunden, z.B. die Besitzer einer Umweltkarte und die Auszubildenden, besonders hart getroffen werden.

Erwähnt werden muß auch, daß die von der VBB als Vereinheitlichung angepriesene Änderung beim Kurzstreckentarif den Fahrgästen im Ostteil Berlin seine weitere drastische Preiserhöhung bescherte, da diese mit dem Kurzstreckenfahrschein bisher eine komplette Linie befahren konnten.

Die Tariferhöhung zum l. Oktober war dreist, aber geschickt während der Sommerpause und unter Ausnutzung der Tarifangleichung im öffentlichen Dienst von Berlin eingefädelt worden. Nachdem sie nicht verhindert werden konnte, muß die Aufmerksamkeit vor allem der weiteren Entwicklung gelten. Insbesondere müssen die Begründungen für die Tariferhöhungen mehr denn je hinterfragt werden. Besonders ärgerlich ist hier immer wieder der Verweis auf die Tarifhöhe z.B. in Düsseldorf, Frankfurt am Main oder München. Verschwiegen wird dabei stets, daß die Menschen dort durchschnittlich sehr viel mehr verdienen als in Berlin und Brandenburg und entsprechend mehr zahlen können. Warum vergleicht niemand die Berliner Tarife mit Leipzig oder Dresden?

IGEB

aus SIGNAL 7/1996 (Oktober 1996), Seite 4-5