Aktuell

S-Presso
Mehr als Imbißverkauf


IGEB

1. Okt 1996

Seit März 1996 erregt ein Pilotprojekt bei der Berliner S-Bahn Aufsehen, das es in dieser Form in Berlin noch nicht gab: aktive Fahrgastbetreuung als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme (vgl. SIGNAL 5/96 ). Sinnvoll ist dies gerade deshalb, weil für beide Bereiche, den ÖPNV und die Arbeitsförderung, immer weniger Geld zur Verfügung steht und mit diesem Projekt zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden. Zunächst betrachteten die Berliner das Projekt wie alles Neue - mit Skepsis. Doch im Gespräch mit Frau Bernhard von S-Presso bestätigte Sie unseren Eindruck, daß dieser Service schon nach kurzer Zeit gut ankam. Uns liegen inzwischen zahlreiche Briefe vor, die S-Presso befürworten. Besonders nach der Ausweitung des Angebots auf die Abendstunden seit Anfang Mai kam zu dem klassischen Arbeitsfeld auch die Erhöhung des Sicherheitsgefühls der S-Bahn-Fahrgäste dazu. Überhaupt liegt der Erfolg von S-Presso im Mehrfachangebot begründet:

  1. Langzeitarbeitslose werden wieder in das Arbeitsleben geführt. Dabei werden sie nicht - wie in den gewinnorientierten Privatbetrieben - als Billigkräfte verheizt, sondern erhalten menschenwürdige Arbeitsbedingungen und eine Ausbildung, die ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhöht. Diese umfaßt vor allem die kommunikativen Fähigkeiten, die bei S-Presso im Kundendienst gebraucht werden.
  2. In den Zügen der S7 vom Potsdam nach Ahrensfelde können die Fahrgäste den Service von S-Presso genießen. Foto: Marc Heller
  3. Den Fahrgästen der Berliner S-Bahn wird eine umfassende Betreuung und Beratung geboten. Damit der Umgang mit den Kunden auch unter Streß gut klappt, werden die Mitarbeiter neben der allgemeinen Ausbildung vor jedem Arbeitstag noch einmal motiviert, ihre Sorgen ernst genommen, und auch nach dem Dienst hat der Vorgesetzte regelmäßig Zeit für sie. Die Leistungsnachweise zeigen ein ganz beachtliches Arbeitspensum auf: Allein im Monat Juli 1996 wurde 95 Mal Rollstuhlfahrern geholfen, 280 Mal Eltern mit Kinderwagen, 31 Unfälle wurden verhindert und allein zur S-Bahn 7.817 Auskünfte gegeben!
  4. Die Anwesenheit von Mitarbeitern, die über Funk jederzeit Hilfe holen können, wirkt sich (wie schon angesprochen) positiv auf das Sicherheitsgefühl der Fahrgäste aus. Positiv wirkt sich weiterhin aus, daß die Mitarbeiter meist als ständige Teams auftreten, die sich kennen und aufeinander eingespielt sind.
  5. Zu guter Letzt sei auch noch der (preiswerte) Imbißverkauf erwähnt, der außer seinen sonstigen Vorzügen auch den Effekt hat, daß die Kunden leichter die Hemmschwelle überwinden, die S-Presso-Mitarbeiter anzusprechen.

Auch wenn sich im Einzelfall Mitarbeiter nicht richtig verhalten oder nicht geholfen haben oder Fragen nicht beantworten konnten, so überwiegen doch die positiven Erfahrungen. Es ist festzustellen, daß S-Presso sich bei den Fahrgästen wie auch den S-Bahnern gut etabliert hat. So bleibt zu wünschen, daß das Arbeitsamt als Geldgeber die Ausweitung des Service auf andere Linien und Bereiche, zum Beispiel die Regionalbahn, unterstützt.

IGEB

aus SIGNAL 7/1996 (Oktober 1996), Seite 10