Nahverkehr

BVG plus?
BVG minus!

Es ist zum junge Hunde kriegen. Der junge Hund (die Hündin) heißt Elsa. Mitten im sprichwörtlichen Sommerloch zierte sie die Titelseite eines Druckerzeugnisses, das sich bei näherer Betrachtung als eine neue Kundenzeitschrift der BVG entpuppte. Der Titel „BVG plus“ irritierte zunächst etwas und ließ an irgendeinen Katalog mit Zusatzangeboten, wie Stadtrundfahrten oder ähnlichem, denken.


IGEB

1. Nov 1996

Das erwähnte Tier zierte einst eines der gelungenen BVG-Plakate zur Sicherheitsproblematik. Da man, in steter Sorge um die Kunden befindlich, von eben diesen angeblich signalisiert bekam, daß es inmitten von Stau, Schienenersatzverkehr und überfüllten Bahnen keine größere Sorge gebe, als zu erfahren, was aus diesem süßen Hund wurde, war gleich die erste Titelstory geboren. Damit nicht genug, den arglosen BVG-Kunden wurde schon ein Heft später unterstellt, "Elsa" so ins Herz geschlossen zu haben, daß es keinen anderen Ausweg gebe, als das wehrlose geschöpf zum BVG-Maskottchen zu erklären. Um dem Blatt die richtige Würze zu geben, wird dann in den Überschriften derart munter drauflosgekalauert, daß es schon peinlich ist.

Ein Schelm, der Arges denkt, wenn er liest: "Die BVG ist auf den Hund gekommen" und "BVG erstmals mit weißer Weste". Es war wohl ironisch gemeint, aber gerade das will beherrscht werden. Zu Erstens: stimmt; zu Zweitens: naja.

Im September dann das dritte Heft und die Krönung. Elsa auf den Spuren Goethes. Nur mit der Schuhgröße stimmt was nicht. Über ganze zwei Seiten werden Verse geschmiedet, streng nach der Devise: reim dich oder ich fress dich. Die Poesiealben pubemerender Schulmädchen werden da nonchalant in den Schatten gestellt. Kostproben: "... dann machen Sie eine Rundfahrt mit dem BVG-Cabriolet, der Obolus dafür tut Ihnen bestimmt nicht weh" oder "Kommen Sie zu einem Familienausflug hin, ich möchte die BVG-Fahrgäste kennenlernen. deren Maskottchen ich jetzt bin". Herrlich! Genauer: selten dämlich. Um den Horror perfekt zu machen, werden die Leser aufgefordert. dem Wahnsinn Methode zu verleihen, unter dem Motto: "Ich bin fit und mache mit".

Auch genaues Lesen der übrigen Beiträge lohnt sich: Interessanterweise wurden die Bahnsteige auf der U6 verlängert, "da die Abstimmungen bei der Durchführung der gesamten Baumaßnahmen zur Bahnsteigverlängerung zwischen allen beteiligten Verwaltungen und Behörden gut geklappt haben und auch die Anlieger großes Verständnis aufbrachten". Daß eigentlich das nach Maueröffnung rasant gestiegene Verkehrsaufkommen ursächlich ist, wird erst später beiläufig erwähnt.

Nach der BVG-internen Grammatik-Reform heißt es nun "... gilt ihre Eintrittskarte als Fahrausweis ... (ausgenommen der regionalen Omnibuslinien der HVG, den Ausflugs- und Sonderlinien)". Nachzulesen auf Seite 7. Nächstes Highlight im BVG-Veranstaltungsprogramm: feierliches Rädern und Vierteilen eines Dudens auf dem U-Bahnhof Kleistpark.

Eigentlich hätte man es ahnen müssen. "VBB aktuell" war gerade recht gut geworden. Reichlich Kritik an dem Blatt hatte über den Umweg des mehrfachen Wechsels der herstellenden Agenturen ein durchaus informatives und lesenswertes Kundenblättchen bewirkt. Doch da beschloß der BVG-Vorstand den einseitigen Ausstieg aus dieser Veröffentlichung und bewirkte damit deren Ende. Angst vor dem kommenden Verkehrs verbünd?

Andere Verkehrsbetriebe in der VBB haben die eigenen Kundenzeitungen nie eingehen lassen, nicht zuletzt, da sie mit ihren ortsspezifischen Informationen immer etwas kurz kamen. Also spricht auch nichts gegen eine eigene BVG- Schrift. Daß aber die positiven Ansätze des "VBB aktuell" im wörtlichen Sinne vor die Hunde gehen, ist nicht akzeptabel. Dabei enthält "BVG plus" in seiner Septemberausgabe durchaus interessante Ideen. So die Kinderseite, den Ausflugstip (Volkspark Friedrichshain) mit hervorragend gestalteter Karte, den Standortplan Zoo oder den Gaststättenführer zur Nachtlinie N52. Die im übrigen übersichtlichen Informationen zu Bauarbeiten der Straßenbahn leiden unter der alten Krankheit: bei Erscheinen des Heftes laufen einige der Baustellen schon (auf Linie 1 ab 2. September; das Heft erschien um den 4.9.).

Es sollte doch wieder dahin gearbeitet werden, die inhaltliche Qualität des leider zu früh verstorbenen "VBB aktuell" mit den Ansätzen des neuen Blattes zu verknüpfen und damit sowohl notwendige Informationen, Hintergrundwissen und Ausflugstips zu vermitteln als auch die mitunter recht lange Reise durch Berlin mit unterhaltsamen Beiträgen zu verkürzen. Unterhaltsam muß nicht gleichgesetzt werden mit niveaulos. Außerdem sollten die Fahrgäste auch wieder wie in "VBB aktuell" die Möglichkeit erhalten, sich gegenüber ihrem Verkehrsbetrieb mit Anrufen und Leserbriefen zu artikulieren, die dann auch wiedergegeben werden. Selbst wenn sie nicht nur kitschige Gefühlsduselei über ein "Maskottchen" zum Inhalt haben, sondern sich tatsächlich mit den alltäglichen Erfahrungen, positiven wie negativen, im Berliner Stadtverkehr, der nun einmal von der BVG dominiert wird, auseinandersetzen. Es wäre ein Gewinn für alle.

IGEB

aus SIGNAL 8/1996 (November 1996), Seite 19