Aktuell
Empfehlungen des VBB-Fahrgastbeirates für das zukünftige VBB-Tarifsystem
In der bisherigen Tarifdiskussion wurden einseitig nur die Belange und
Bedürfnisse der Verkehrsunternehmen berücksichtigt. Die politisch
Verantwortlichen haben sich bedauerlicherweise zurückgehalten, und so ist
es nicht weiter verwunderlich, wenn Stadt-, Verkehrs- und umweltpolitische
Gesichtspunkte ebenso unberücksichtigt blieben wie die Belange der Fahrgäste.
VBB-Fahrgastbeirat
1. Mär 1997
Vor diesem Hintergrund hat der VBB-Fahrgastbeirat
(siehe
SIGNAL 1/97 , Seite 8) in
seiner Sitzung am 18.2.1997 einstimmig die folgenden Empfehlungen
für die zu erarbeitende VBB-Tarifstruktur ausgesprochen:
- Das Tarifsystem soll für die Fahrgäste einfach, nachvollziehbar
und handhabbar sein. (vgl. § 2 ÖPNV-Gesetz Berlin)
- Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln des Regional- und Nahverkehrs
zwischen beliebigen Punkten in Berlin und Brandenburg sollen grundsätzlich
mit einem einzigen Fahrschein möglich sein. Dieser muß überall
erhältlich sein.
- Bei allen im Verbund angebotenen Verkehrsmitteln und -unternehmen sollen
einheitliche Beförderungsbedingungen und Tarifbestimmungen gelten.
Dazu gehören z.B.
- einheitliche Regelungen für Kindertarife (unter
6 Jahren frei; 6-14 Jahre Ermäßigungstarif),
- einheitliche Regelungen für Sozialtarife, Arbeitslosentarif,
- freie Gepäck- und Kinderwagenmitnahme,
- einheitliche Mitnahme- und Tarifregelungen für Fahrräder (Mitnahme soll
bei allen Schienenverkehrsmitteln im Rahmen der technischen Gegebenheiten
grundsätzlich zulässig sein / Ausnahmen ggf. während der HVZ Sperrzeiten
bei U-Bahn und Straßenbahnen; bei Monats- und Jahreskarten soll
die Mitnahme frei sein, ansonsten Ermäßigungstarif).
- Für das Verbundgebiet soll ein Zonentarifsystem eingeführt werden, das
- für alle Fahrscheinarten in gleicher Weise angewandt werden soll,
- Tarifzonen mit einheitlicher "Wertigkeit" vorsieht (vgl. Negativ-Beispiel
mit unterschiedlichen Tarifgebietsarten im Rhein-Main-Verkehrsverbund),
- durch die Art, Größe und Lage der Tarifzonen einerseits den Fahrgästen
eine nachvollziehbare und überschaubare Fahrpreisermittlung ermöglicht
und andererseits einen weitestgehend "gerechten" Fahrpreis sichergestellt,
- das tarifliche Härten vermeidet (z.B. durch Kurzstreckentarife und Lage
der Tarifgrenzen entlang von Bahn- oder Buslinien (Überlappungsbereiche)),
- für Fahrten innerhalb des Berliner Stadtgebietes (mit
Ausnahme der Kurzstrecke) nur eine
Preisstufe vorsieht ("Einheitstarif"),
- für größere Gemeinden (insbesondere kreisfreie Städte) Binnentarife
ermöglicht, um drastische Preissprünge zum zu erwartenden
VBB-Tarifniveau zu vermeiden,
- keine Zuschläge für bestimmte Verkehrsmittel oder -Zeiten vorsieht.
Als besonders fahrgastfreundlich hat sich dabei das Tarifsystem des
Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr mit nur 3 Preisstufen erwiesen (eine
Stadt bzw. mehrere Gemeinden / angrenzende Städte bzw. Gemeinden /
Gesamtgebiet), das allerdings wegen des kleineren Verbundgebietes
nicht direkt übertragbar ist.
- Um sowohl regelmäßigen ÖPNV-Nutzern wie auch Gelegenheitsfahrgästen
adäquate Tarife anzubieten, sollte folgendes Fahrscheinsortiment angeboten
werden:
Zeitkarten
-
Jahreskarten/Jahresabonnement (Normaltarif/Schülertarif)
- Monatskarte (Normaltarif/Schülertarif)
- 9-Uhr-Spar-(Monats-)Karte (Normaltarif)
- 7-Tage-Karte (Normaltarif; Gültigkeitsbeginn an beliebigem Wochentag)
- Schönes-Wochenende-Ticket (Normaltarif)
- 24-Stunden-Karte/24-Stunden-Gruppenkarte (Normaltarif/Ermäßigungstarif)
Einzelfahrscheine/Sammelkarten mit zeitlicher Gültigkeit in Abhängigkeit
von der Zonenanzahl (nicht strecken- oder richtungsbezogen, ggf.
Ausnahme: Kurzstrecke)
- Sammelkarte (Normaltarif/Ermäßigungstarif; auch Kurzstrecke)
- Einzelfahrschein (Normaltarif/Ermäßigungstarif; auch Kurzstrecke)
-
Die drastischen Tariferhöhungen der letzten
Jahre führen für einige Fahrgastgruppen (z.B. Rentner, Arbeitslose,
Familien mit Kindern) zu besonderen Härten. Um insbesondere diese
Fahrgäste nicht zu verlieren bzw. wieder für den ÖPNV zurückzugewinnen,
werden folgende tarifliche Maßnahmen empfohlen:
-
Einführung einer 9-Uhr-Spar-(Monats-)Karte (Mo-Fr erst ab 9 Uhr gültig;
Wochenende ganztägig),
- Einführung von Semester- und Jobtickets,
-
Einführung eines rabattierten "Familien-/Haushaltsabos" (Familienmitglieder
bzw. in Haushaltsgemeinschaft lebende Personen sollten zu einer bereits
abonnierten Jahreskarte einen Rabatt für jedes weitere Jahresabo erhalten).
- Alle (nicht ermäßigten) Fahrausweise sollen übertragbar, also
nicht personengebunden sein.
- Bei Einzelfahrscheinen/Sammelkarten soll die BahnCard anerkannt werden
und zu einer Fahrpreisrabattierung führen (z.B. Ermäßigungstarif, vgl.
Rhein-Main-Verkehrsverbund). Bei der Preiskalkulation der Monatskarten
ist der durch BahnCard ermäßigte Einzelfahrschein zugrundezulegen.
- Zur Auslastung der öffentlichen Verkehrsmittel während der verkehrsschwachen
Zeiten (z.B. ab 19 Uhr und am Wochenende) sollen bei Jahres- und Monatskarten
ein zweiter Erwachsener und bis zu 3 Kinder unentgeltlich mitgenommen
werden können.
- Damit Fahrgäste bei Fahrten über den Geltungsbereich ihrer Zeitkarte
hinaus nicht den vollen Preis der Gesamtstrecke zahlen müssen bzw. auf
Unterwegsbahnhöfen ein Verkehrsmittel zum Nachlösen eines günstigeren
Fahrscheines verlassen müssen, sollen entweder preisgünstige
Anschlußfahrscheine oder entsprechende tarifliche Regelungen für
Zeitkartenbenutzer eingeführt werden.
VBB-Fahrgastbeirat
aus SIGNAL 2/1997 (März 1997), Seite 7-8