Planen und Bauen

Lückenschluß auf der Anhalter Bahn verschoben?

1995 bestand noch Anlaß zum Feiern: Auf der Anhalter Bahn wurde die S-Bahn wenigstens bis Lichterfelde Ost wieder in Betrieb genommen. Zugleich wurde die Verlängerung nach Lichterfelde Süd noch für 1996 in Aussicht gestellt. Das war vor den Wahlen im Oktober. Danach wurde nur noch von Ende 1997 gesprochen, und inzwischen ist auch dieser Termin unrealistisch.


Deutscher Bahnkunden-Verband Brandenburg e.V.

1. Mär 1997

Noch im Mai 1996 hörten die Bürger von Ludwigsfelde, Luckenwalde und Jüterbog optimistisch stimmendes zum Dauerthema Lückenschluß auf der Anhalter Bahn. Anläßlich einer Veranstaltung des Deutschen Bahnkunden-Verbandes in Ludwigsfelde kündigten Vertreter der Deutschen Bahn AG und des brandenburgischen Verkehrsministeriums eine wesentliche Verbesserung an: Zum Jahresende 1997 solle ein Regionalbahn-Vorlaufbetrieb aus Richtung Jüterbog zum S-Bf Lichterfelde Süd aufgenommen werden, allerdings unter der Voraussetzung, daß die S-Bahn (S 25/26) den Betrieb zwischen Lichterfelde Ost und Lichterfelde Süd bis dahin aufgenommen hat, was zur damaligen Zeit als gegeben angenommen wurde. Ein Umsteigen am selben Bahnsteig sollte möglich werden.

Auch wenn dieser Zugzielanzeiger etwas anderes verspricht: Die Züge der S25 enden leider noch immer in Lichterfelde Ost. Foto: Marc Heller (3/97)

Geplant ist nun, als Vorausleistung des zweigleisigen Streckenausbaus der Anhalter Bahn zum zukünftigen Fernbahntunnel, dessen Abschluß inzwischen erst für 2003 vorgesehen ist, ein Gleis in endgültiger Lage und Ausbauqualität vom Nordkopf des Bahnhofes Großbeeren ausgehend zu einer Bahnsteigkante in Lichterfelde Süd als Interimslösung herzustellen. Die Anbindung an die vorhandenen Anlagen in Großbeeren läßt sich im erforderlichen Umfang provisorisch hersteilen.

Erste Skepsis kam auf, als im Sommer 1996 entgegen den Ankündigungen nicht mit den Bauarbeiten begonnen wurde. Es gab ein Hindernis: Im Planfeststellungsabschnitt südlich der Stadtgrenze, der die Einbindung der Industriebahn Teltow einschließt, gab es Verzögerungen bei der endgültigen Genehmigung. Strittig war die Neuerrichtung eines Überwerfimgsbauwerkes aufgrund der unsicheren Zukunft der Industriebahn für den regionalen Schienengüterverkehr. Inzwischen wurde eine Lösung gefunden. Das Gleis aus Teltow soll westlich der Hauptgleise geführt und erst im Nordkopf des Bahnhofes Ludwigsfelde zusammen mit dem nordwestlichen Verbindungsbogen vom Außenring eingebunden werden.

Foto: Jörg Rasch
Während die Arbeiten an der S-Bahn-Trasse in Lichterfelde Süd inzwischen gut vorangekommen (Bild oben), gefährdet der Streit um die Breite der Brücke über die Königsberger Straße den Terminfahrplan. Eine Wiederinbetriebnahme zwischen Lichterfelde Ost und Süd noch im Jahr 1997 ist somit kaum noch möglich. Foto: Jörg Rasch

Seit Oktober wird am eigentlichen Lückenschluß intensiv gebaut. Brückenbauwerke sind aufgenommen, der Bahndamm nimmt Gestalt an, die Vorbereitungen für zwei Brücken-Neubauten, Straßenbauten bzw. -Verschwenkungen und nicht zuletzt die Vorbereitungen für die Umleitung des Straßenverkehres haben begonnen. Auch innerhalb der Berliner Stadtgrenze sind Aktivitäten sichtbar. Da das Planum für zwei Ferngleise nur einen kleinen Teil der Gesamtfläche in Anspruch nimmt, die für bahnliche Verwendungszwecke seit Jahrzehnten festgestellt ist, konnten die jahreszeitlich abhängigen Baumfällungen und die Vermessungsarbeiten vorangetrieben werden.

Die Trasse der S-Bahn ist seit 1996 planungsrechtlich gesichert, die zu realisierenden Veränderungen an den Brückenwiderlagem Osdorfer Straße und die Anlage des dort geplanten neuen Haltepunktes, mit Zugang auch von beiden Straßenseiten der Osdorfer Straße, sind Schwerpunkte der noch zu erbringenden Bauleistung. Inzwischen wird am Westfalenring das Gelände zur Errichtung eines Gleichrichter-Unterwerkes vorbereitet. Arbeiten zur Freilegung des Planums für die S-Bahn haben begonnen.

Foto: Jörg Rasch
Überführung der Anhalter Bahn über die einst geplanten Verbindungsgleise zum Güteraußenring. Das Bauwerk zwischen Lichterfelde Süd und Teltow wurde jetzt im Zuge des Ausbaues der Anhalter Bahn für den Regionalverkehr gesprengt. Foto: Jörg Rasch

Hauptgrund für Zweifel an der Termineinhaltung für doe S-Bahn-Verlängerung ist der Baufortschritt an der Brücke über die Königsberger Straße in Lichterfelde - es gibt ihn nämlich nicht, weil noch das Baurecht fehlt. Eine frühere Entscheidung des Bezirkes Steglitz, die Straße von vier auf sechs Spuren zu verbreitern, verunsichert die Planungsträger. Verkehrlich und politisch ist zwar inzwischen ein Beibehalt der heutigen Straßenkapazität unumstritten, im Zweifel wird jedoch bei der Bahnplanung noch mit dem Ausbau gerechnet. Folge ist wiederum ein umfangreiches Planfeststellungsverfahren mit allen zu erwartenden zeitlichen und rechtlichen Risiken. Daß sowohl S- als auch Fernbahnanlagen mit ihren unterschiedlichen Planungsträgem wenigstens ein gemeinsames Verfahren anstreben - eine Entscheidung über die Zulässigkeit solchen Vorgehens ist noch offen - wirkt sich vielleicht positiv aus.

Sollte sich der S-Bahn-Ausbau weiter verzögern, ist als Minimallösung die Regionalbahn wie geplant bis zum Bahnhof Lichterfelde Süd zu führen und dort mit dem vorhandenen ÖPNV-Netz zu verknüpfen. Die Endhaltestelle Reaumurstraße von vier Buslinien (180, 280, 186, 277) läge nur 50 m vom Regionalbahnsteig entfernt. Alternativ wäre ein provisorischer Regionalbahnsteig unmittelbar südlich der Königsberger Straße in Nähe zum S-Bf Lichterfelde Ost denkbar, da die Fertigstellung des Fernbahntunnels ja noch viele Jahre dauern wird. Doch das sind natürlich nur Notlösungen. Vorrang hat die Forderung nach kurzfristiger Weiterführung der S-Bahn nach Lichterfelde Süd - und unmittelbar anschließend muß dann die Verlängerung bis Teltow Stadt erfolgen!

Deutscher Bahnkunden-Verband Brandenburg e.V.

aus SIGNAL 2/1997 (März 1997), Seite 17-18