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Berliner Senat bricht Vertrag mit BVG
1. Apr 1997
Berlin muß sparen. Richtig. Über die Art und Weise läßt sich, wie über vieles, streiten. Nur über eines nicht: die Einhaltung von Verträgen. Und genau da reißen Sitten ein, die mit den Grundsätzen eines Rechtsstaates nichts mehr zu tun haben.
Erst 1995 schaffte es der neu berufene BVG-Vorstandsvorsitzende Rüdiger vorm Walde, dem Berliner Senat einen Unternehmensvertrag abzuhandeln, der den Finanzrahmen bis 1999 klar absteckt und damit der BVG zwar drastische innerbetriebliche Einsparungen vorschreibt, aber auch eine klare Planung für Investitionen und Umstrukturierung Für diesen Zeitraum ermöglichte. Am Ende sollte ein kostengünstiger arbeitendes, kundenorientiertes und wettbewerbsfähiges Verkehrsunternehmen stehen. Ob dieses Ziel mit den der BVG altgedienten Köpfen tatsächlich erreichbar ist, sei dahingestellt. Dies kann nur die tägliche Praxis zeigen. Zugestanden werden muß dem Unternehmen diese Chance aber, denn wer sollte sonst das komplexe Gebilde Berliner Nahverkehr aus dem Stand beherrschen? Auf private oder auswärtige Anbieter sollte mit der gebotenen Vorsicht geschaut werden. Neue Besen kehren gut, aber die alten wissen, wo der Dreck liegt.
Es sieht nun aber so aus, als wolle man die BVG mit Gewalt aus dem Rennen werfen und zum Abbau bestehender Angebote zwingen. Denn an den Vertrag, dessen Kernpunkt die jährlichen Zuschüsse sind, fühlt man sich auf Senatsseite nicht mehr gebunden. Der jährliche Zuschuß wurde lässig um 48,5 Millionen DM gekürzt. Die BVG sieht nun keinen anderen Ausweg mehr, als bestehende Angebote einzuschränken. Jahrelange Bemühungen um Angebotsverbesserungen, sichtbares Umdenken auch bei Entscheidungsträgem der BVG - alles umsonst?
Scheinbar ist es so. Denn Einsparmöglichkeiten bestehen durchaus noch, vor allem durch die immer wieder vom Senat verschleppten Beschleunigungsmaßnahmen. Doch bevor diese greifen können, muß auch erst investiert werden. Und diese Investitionen dürften nun ebenfalls wieder gefährdet sein. Bevor der Betrieb "kaputtgespart" wird, sollte erneut nach dem Sinn solcher Tunnelbaustellen wie U2- und U5-Verlängerung gefragt werden. Denn hier werden Summen verbaut, die wiederum laufende Betriebskosten erzeugen, gegen die der jetzt eingesparte Betrag bei den Betriebskostenzuschüssen unter die sprichwörtlichen Erdnüsse, also "peanuts", fällt.
Das politische Ziel, den ÖPNV-Anteil in Berlin deutlich zu steigern, ist mit Kahlschlagmethoden nicht zu erreichen. Bestehende Angebote müssen erhalten und sogar noch ausgebaut werden. Bereits jetzt herrscht in Spitzenzeiten auf zahlreichen Linien völlige Überfüllung, was weitere Taktverdichtungen nötig werden läßt. Und viele Wohnungsbaustandorte, vor allem in Norden und Südosten Berlins, verlangen nach neuen und besseren Angeboten, soll Berlin nicht völlig im Stau ersticken. Wie groß diese Gefahr ist, zeigen die bei der BVG gegen den allgemeinen Trend rückläufigen Fahrgastzahlen.
Die Einsparungen im BVG-Angebot sind das falsche Signal für die Zukunft. Und: Ist ein Vertragsbrüchiger Senat eigentlich noch glaubwürdig?
IGEB
aus SIGNAL 3/1997 (April 1997), Seite 7