Aktuell

Ein neuer Bahnhof für die Berliner S-Bahn

Privat finanzierte Station Bernau-Friedenstal in Rekordzeit erbaut


IGEB

1. Dez 1997

Foto: Marc Heller

Kämen doch nur andere Bahnbauvorhaben in Berlin und dem Umland ebenso zügig voran! In Bernau-Friedenstal wurde dank des Engagements privater Investoren endlich mal Tempo gemacht. In nur vier Monaten entstand dort eine neue S-Bahn-Station. Die Bewohner des Schöneberger "Insel-Kiezes" - um nur ein besonders trauriges Beispiel zu nennen - warten dagegen seit nunmehr zehn Jahren auf den versprochenen S-Bahnhof Kolonnenstraße.

Am 27. Mai 1997 war Grundsteinlegung, und am 30. September ging der zusätzliche Haltepunkt an der S8 zwischen Bernau und Zepernick in Betrieb. Gut drei Jahre zuvor hatte die Deutsche Bahn AG dafür noch einen Investitionsbedarf von 26 Millionen DM veranschlagt, tatsächlich kostete der mit einfachem Wartehäuschen und Sitzbänken ausgestattete Bahnsteig nun lediglich 3,7 Millionen DM. Diese Summe zahlte die Wohnpark Bernau-Friedenstal Immobilien GmbH (WBF). Die DB AG bzw. ihre S-Bahn-Tochter mußten lediglich Fahrscheinautomaten und -entwerter aufstellen.

Der neue S-Bahnhof am eingleisigen Streckenabschnitt zwischen Bernau und Zepernick. Foto: Marc Heller (11/97)

Gemessen an den mit 800 Millionen DM bezifferten Gesamtkosten für den Wohnpark nahe des nordöstlichen Berliner Stadtrands fällt der für den Haltepunkt ausgegebene Betrag kaum ins Gewicht. Zudem legt ihn die WBF letztlich auf die Kaufpreise oder Mieten um. Dafür bekommen die Bewohner des Neubaugebietes einen attraktiven Schnellbahnanschluß, so daß der Investor - eine Tochtergesellschaft von Buck-Inpar (Pinnow) und Grundkreditbank - die Wohnungen und Reihenhäuser besser vermarkten kann. Bis zu 10.000 Menschen sollen einmal in Bernau-Friedenstal leben, die meisten davon nur fünf bis sieben Fußwegminuten von der S-Bahn entfernt. Hätte sich die WBF auf die Bereitstellung öffentlicher Mittel verlassen, wäre die attraktive Verkehrsanbindung wohl erst weit nach der Jahrtausendwende gekommen. Selbst Brandenburgs Ministerpräsident Manfred Stolpe räumte dies ein und pries den Bau der Station als "Beispiel für die Wohnungspolitik für ganz Brandenburg und darüber hinaus". Denn Wohnparks sollten eben nicht beliebig in die Landschaft gestellt werden, sondern Anschluß an öffentliche Verkehrsmittel haben.

Modellhaft nannte auch Bundesverkehrsminister Matthias Wissmann den mit Untemehmerkapital finanzierten Haltepunkt, im Mai war er eigens zum ersten Spatenstich erschienen. Nachahmer seien bei derartigen Inffastrukturverbesserungen unbedingt erwünscht, erklärte Wissmann.

Foto: Marc Heller (11/97)

Bernau-Friedenstal als Musterprojekt? Solange die öffentliche Hand zwar den Straßenbau in Neubaugebiete finanziert, Schienenwege und Bahnhöfe dagegen hintanstellt, können wir den nur bedingt zustimmen. Daß Wohnungsbaugesellschaffen die gute ÖPNV-Anbindung heute als entscheidenden Marktvorteil ansehen, ist durchaus zu begrüßen - auch das Tempo, das speziell die WBF nun beim Einlösen ihres Versprechens vorlegte. Die als vorbildlich angesehene öffentlich-private Kooperation darf aber nicht dazu führen, daß Bund und Land bei S-Bahnhöfen (abgesehen vom reinen Wiederaufbauprogramm) generell auf private Geldgeber hoffen. Bedarf für neue Stationen gibt es beileibe nicht nur in für die Investoren profitträchtigen Wohnparks, sondern - siehe Kolonnenstraße - auch in unzureichend erschlossenen Altbaugebieten.

IGEB

aus SIGNAL 7/1997 (Dezember 1997), Seite 4-5