Nahverkehr

Dieser Zug hat fünf Jahre Verspätung


BUND Berlin

2. Jan 1998

"Zurückbleiben, bitte", diese freundliche Aufforderung des Bahnsteigpersonals ist offensichtlich auch das Motto für die Politik des Berliner Senates gegenüber dem Öffentlichen Nahverkehr. Am 18. Dezember 1997 wurde der S-Bahn-Südring zwischen den Stationen Neukölln und Treptower Park mit fünf Jahren Verspätung in Betrieb genommen. Die Wiederinbetriebnahme dieser wichtigen Ost-West-Verbindung wäre bereits im Jahr 1992 möglich gewesen. Sie wurde jedoch Jahr um Jahr verschoben, da zunächst eine neue Brücke über eine geplante Verlängerung der Stadtautobahn nach Treptow entworfen werden mußte. Eine Autobahnverlängerung, die weder beschlossen noch finanziert ist, war der Großen Koalition demnach wichtiger als schnelle Verbesserungen für den Öffentlichen Nahverkehr, der allen Berlinerinnen und Berlinern zugute kommt.

S-Bf Sonnenallee. Start zur Aufnahme des Regelverkehrs. Bitte lächeln. Foto: Irmgard Schmidt
Foto: Irmgard Schmidt

Nach den offiziellen Planungen wird auch in Zukunft der Wideraufbau des S-Bahn-Netzes nur im Schneckentempo erfolgen. Der S-Bahn-Nordring soll zum Beispiel erst im Jahr 2000 vollendet werden, nachdem im Jahre 1991 zunächst das Jahr 1995 als Eröffnungstermin avisiert wurde. Technische Schwierigkeiten werden dabei nur vorgeschoben, um die wahren Gründe zu verschleiern. Das Geld für den Ausbau des Nordringes, insgesamt 350 Mio DM, wurde kurzerhand zur Finanzierung des Autotunnels unter dem Tiergarten abgezogen. Der in politischen Sonntagsreden beschworene Vorrang für den Öffentlichen Nahverkehr hält also der Realitität nicht stand. Ob die geplanten Netzerweiterungen der S-Bahn nach Lichterfelde Süd und Hennigsdorf termingerecht fertiggestellt werden, ist mehr als fraglich. Für wichtige Streckenverlängerungen in das Berliner Umland wie etwa nach Falkensee oder Teltow ist noch lange kein Baubeginn in Aussicht.

Statt diese wichtigen Projekte voranzutreiben, steckt der Senat seine Finanzmittel in verkehrspolitisch unsinnige Projekte wie den Bau zweier U-Bahn-Röhren zwischen Pariser Platz und Lehrter Stadtbahnhof (U5), in denen auf absehbare Zeit kein Zug fahren wird (Kostenpunkt: 390 Mio DM). Ein anderer Fall sinnloser Geldverschwendung ist die Verlängerung der U2 zum S-Bahnhof Pankow (130 Mio DM), obwohl das dort erwartete Fahrgastaufkommen nur dem einer mittelmäßig beutzten Buslinie entspricht.

Gleichzeitig werden die öffentlichen Zuschüsse zum Betrieb von Bussen und Bahnen permanent gekürzt. Dabei wurde der Berliner Senat sogar vertragsbrüchig und zahlte der BVG weniger Zuschüsse als vereinbart worden war. Ausbaden müssen es die Fahrgäste, denen - bezogen auf den Westteil der Stadt - seit 1990 eine Verdoppelung der Tarife zugemutet wurde, während gleichzeitig Takte ausgedünnt und der Betriebsschluß vorverlegt wurde. Diese Politik muß ein Ende haben!

Der BUND Berlin fordert

BUND Berlin

aus SIGNAL 9-10/1997 (Januar 1998), Seite 27