Regionalverkehr
Auf der Sitzung des SPNV-Beirates am 28. Januar 1998 wurden die Mitglieder über die derzeit laufenden Prüfungen möglicher weiterer Abbestellungen im Schienen-Personennahverkehr informiert. Zwar sind im gültigen SPNV-Plan einige Strecken als „kritische Strecken mit Handlungsbedarf” dargestellt. Doch darf dabei nicht übersehen werden, daß schlechte Fahrplangestaltung und fehlende Anschlüsse mit dazu beigetragen haben, diese Strecken unattraktiv zu machen. So kommt es, daß das vom Land an die DB AG für die SPNV-Leistungen zu zahlende Geld teilweise uneffektiv eingesetzt wurde. Zusätzliche Abbestellungen bedeuten eine bequeme, doch falsche Reaktion!
5. Mär 1998
1996 ist der Verkehr auf 141 km Strecken abbestellt worden. Dabei hat sich gezeigt, daß die Verkleinerung des Netzes zum Fahrgastrückgang auf anderen Streckenteilen führt und durch die Umstellung auf Busverkehr die Fahrgastzahlen weiter sinken.
Gefragt sind für schwächer genutzte Strecken andere Konzepte, die Fahrgastzahlen steigen lassen, so daß der Betrieb sich wieder lohnt und die Zuschüsse rechtfertigt.
„Das Eisenbahnnetz bildet die grundlegende Raumerschließungskomponente im öffentlichen Personennahverkehr für das ganze Land. Zur Erbringung von Verkehrsleistungen im Schienenpersonennahverkehr soll es nachfrage- und bedarfsgerecht sowie leistungsfähig erhalten und ausgebaut werden" (§ 2 Absatz 6 ÖPNV-Gesetz). Ohne eine offensive und innovative Herangehensweise wird dieses Ziel nicht erreicht.
Das Schienennetz in der Region ist im Rahmen einer verantwortungsvollen Landespolitik wichtig und darf nicht vernachlässigt werden. Die angedachten Abbestellungen zeigen, daß die Verantwortlichen die Bedeutung unterschätzen. Das landespolitische Ziel, die berlinfernen Regionen zu stärken, verlangt eine eindeutige Förderung abseits der Hauptstrecken und verbietet Streckenstillegungen.
Die Verbesserungen im Berlinverkehr führen mit Sicherheit auch zu steigenden Fahrgastzahlen auf den Zweigstrecken, sofern es abgestimmte Fahrpläne gibt. Da die meisten der zur Diskussion stehenden Strecken eine wichtige Zubringerfunktion zu Knotenpunkten haben und das Fahrgastpotential nicht allein im lokalen Kurzstreckenverkehr liegt, steht und fällt die Bedeutung dieser Strecken mit den gebotenen Anschlüssen.
In manchen Brandenburger Landkreisen - wie etwa Prignitz und Ostprignitz-Ruppin - kämen die geplanten Abbestellungen einem Kahlschlag gleich. Damit würden die (infra-)strukturellen Unterschiede zwischen dem Speckgürtel um Berlin und dem Rest des Landes immer größer. Der Landkreis Ostprignitz- Ruppin hat sich ausdrücklich für den Erhalt der Bahnstrecken ausgesprochen, da sie eine entscheidende Bedeutung für den Wirtschaftsstandort und zum Erhalt von Arbeitsplätzen in der Region haben.
Damit das Ziel eines leistungsfähigen Eisenbahnnetzes keine Illusion bleibt, muß konsequent auf die Attraktivitätssteigerung aller Strecken gesetzt werden. Mit einem Integralen Taktfahrplan werden optimale Anschlüsse (auch zu Bussen) und damit kurze Reisezeiten garantiert. Absolut notwendig ist es, parallele Busverkehre einzustellen. Neue Haltepunkte sollten angelegt werden, wenn Ortschaften günstiger erreichbar sind. Es muß verstärkt versucht werden, ein attraktives Angebot im Schüler- und Berufsverkehr anzubieten. Ein Zwei-Stunden-Takt ist zu wenig!
Erfahrungen zeigen, daß durch die Ausschreibung der Bedarf an Zuschüssen reduziert werden konnte. Regionale Eisenbahnunternehmen sind durch die bessere Kostenstruktur und den Erlösausgleich von Personen- und Güterverkehr oft in der Lage, die Kosten zu senken.
Im Land Brandenburg brachten zwei Ausschreibungen im letzten Jahr erste Einsparungen. Daran müssen sich Verträge für andere Strecken orientieren. Im Zuge dieser Ausschreibung bekam die DB AG den Zuschlag für den Betrieb auf zwei der jetzt zu prüfenden Strecken (Rathenow-Neustadt (Dosse) und Brandenburg-Belzig). Bei einer Abbestellung vom Land werden die geweckten Erwartungen bei Fahrgästen und Kommunen enttäuscht, zumal der Betrieb mit neuen Fahrzeugen bei deutlich günstigeren öffentlichen Zuschüssen durch die DB AG in Aussicht gestellt wurde.
Andere Einsparpotentiale sollten jedoch im gesamten Netz genutzt werden. Das größte Potential für das Land bietet der Abschluß neuer Verträge. Die Angebote von anderen Anbietern sind einzuholen, Angebote der DB AG zu prüfen. Für einige Strecken ist es erforderlich, die Anschlüsse bzw. Verkehrszeiten für Pendler festzuschreiben, ansonsten könnte das Angebot am Bedarf Vorbeigehen. Es muß für Brandenburg ein Integraler Taktfahrplan mit Einbeziehung der Busverkehre realisiert werden.
Auch auf den Hauptstrecken bieten sich Einsparpotentiale. Es ist z. B. geplant, zwischen Potsdam Stadt und Brandenburg Hbf einen 30-Minuten-RE1-Takt anzubieten, überlagert von einem Zwei-Stunden-Takt der RB16/RE2. Die heutigen und prognostizierten Fahrgastzahlen zwischen Potsdam und Brandenburg rechtfertigen höchstens einen 30-Minuten-RE 1-Takt (neben IC und IR). Im vorliegenden Fahrplanentwurf kommt es außerdem zu Zugfolgeproblemen.
Fazit: Im Sinne einer erfolgreichen Strukturpolitik und im Interesse von Arbeitsplätzen ist auf Abbestellungen von SPNV-Leistungen im Land Brandenburg zum Fahrplanwechsel zu verzichten und durch die vom Bahnkunden-Verband aufgezeigten Maßnahmen dem Abwärtstrend gegenzusteuern.
Deutscher Bahnkunden-Verband
Landesverband Brandenburg
aus SIGNAL 2/1998 (März 1998), Seite 15-16