Nahverkehr
Die vorgesehenen Veränderungen im BVG-Liniennetz zum Fahrplanwechsel erstrecken sich schwerpunktmäßig auf das Busnetz. Im Bereich Tram gibt es lediglich einen Endstellentausch zwischen den Linien 27 und 67, wodurch es zu besseren Anschlußbeziehungen zur S-Bahn kommen soll.
1. Mai 1998
In Pankow soll ein neues „Beschleunigungskonzept" für die Buslinie 107 angeboten werden. Um den Parallelverkehr zur Straßenbahnlinie 52 zu minimieren, werden die Haltestellen Pankow Kirche, Bürgerpark und Tschaikowskistr. ohne Halt durchfahren und ab 20 Uhr zur Dietzgenstr. zurückgezogen. Das Ergebnis dürfte hier jedoch mehr als bescheiden ausfallen; die Fahrzeitersparnis im Bereich von Sekunden zu messen sein. Die Verwirrung bei den Fahrgästen dagegen könnte problematisch werden: Nicht gesondert gekennzeichnete Linien, die nicht an allen Haltestellen halten, sind für den Fahrgast schwer erkennbar und Fahrgast/Fahrer- Konflikte sind geradezu vorprogrammiert. Sinnvoller erscheint es, zwischen S-Bf. Pankow und Ossietzkyplatz wenigstens alle fünf Unterwegshalte zu durchfahren und diese Linie dann als X7 zu führen. Das abendliche Zurückziehen zur Dietzgenstr. ist dann akzeptabel, wenn der Anschluß zur Straßenbahnlinie 52 oder zum Bus 250 gesichert ist, und zwar bitte in beiden Richtungen.
Die Rücknahme der Buslinie 259 zur Giersstr. und dafür die Bedienung des Wartenberger Astes durch die Buslinie 256 erfolgt unter Verweis auf den bestehenden Parallelverkehr mit den Straßenbahnlinien 3 und 4 in der Hansastr. Klar ist aber, daß durch Zurückziehung des 259ers für viele Fahrgäste zusätzliche Umsteigezwänge entstehen. Positiv zu vermerken ist jedoch die neue Führung des 256ers zur Siedlung Wartenberg, da sie sehr viel besser den bezirklichen Verkehrsströmen entspricht. Die im Berufsverkehr entfallenden Fahrten nach Ahrensfelde werden (wieder) durch Einsetzfahrten des 159ers übernommen.
Eindeutig negativ zu bewerten ist dagegen das abendliche und wohl auch am Wochenende geplante Zurückziehen der Buslinie 156 zum S-Bf. Prenzlauer Allee mit der Folge, daß der Bereich Ostseeplatz, Michelangelostr. und Storkower Str. ohne Busbedienung ist (sieht man vom Bus 100 ab, der aber andere Verkehrsbeziehungen bedient). Sicher ist diese Linie in den Abendstunden nicht der große Publikumsrenner, sie stellt aber die einzige Verbindung zur S-Bahn her. Hier sollte in den genannten Zeiten zumindest eine Kleinbus- Verbindung existieren.
Eine weitere bittere Pille betrifft ebenfalls den Ostteil der Stadt. Die Buslinie 295 wird gänzlich eingestellt. Die BVG verweist darauf, daß die Aufgaben auf die Linie 941 der Strausberger Verkehrsgesellschaft (SVG) übergehen. Das stimmt zwar, bei der Linienführung, hinsichtlich der Taktdichte ist dies geradezu sarkastisch: Einzelfahrten und am Wochenende kein Verkehr. Hönow, ein traditionell an das Berliner Busnetz gekoppelter Ort, wird dadurch faktisch vom ÖPNV abgehängt.
Ausdünnung auch im Brandenburger Teil der Linie 108: Die Endstelle Waldesruh wird künftig nicht mehr von allen Kursen bedient, dafür wird extra eine neue Endstelle Summter Straße an der Berliner Stadtgrenze eingerichtet - drei Haltestellen vor dem eigentlichen Endpunkt dieser Linie. Diese Verschlechterungen sind letztlich auf die Etatkürzungen der SPD-geführten Brandenburger Landesregierung zurückzuführen. In Anbetracht dieser elementar falschen Weichenstellung kann man mit Wirkung auch auf den Berliner ÖPNV schlicht verzweifeln.
Gänzlich auf der Strecke bleibt die bislang von dieser Linie bediente Hildegardstr. Während man bei der in Charlottenburg ebenfalls nicht mehr bedienten Haltestelle Holzendorffplatz den Hinweis auf alternative Fahtangebote in fußläufiger Entfernung noch akzeptieren kann, ist das im Bereich der Hildegardstr. so pauschal unrichtig. Es erscheint allerdings möglich, dieses Problem mit vorhandenen Mitteln zu lösen. Eine Führung der Buslinie 101 über Südwestkorso - Bundesplatz - Hildegardstr. und die Buslinie 348 über Laubacher Str.-Detmolder Str. - Bundesplatz würde nur einen geringen Mehraufwand verursachen, aber dafür diese Lücke schließen, ohne die eigenen Linienaufgaben nennenswert zu verändern.
Eine neue Expreßbuslinie wird in Steglitz eingeführt. Die Linie 183 fährt zwischen U-/S- Bf. Rathaus Steglitz und S-Bf. Lankwitz ohne Halt als X83. Dieser Abschnitt wird außerdem durch die Linie 283 und durch weiterhin bestehende Verstärkerwagen der Linie 183 bedient, so daß es sinnvoll ist, hier einen Teil der Fahrten zu beschleunigen. Man muß allerdings sehen, daß der ohne Halt durchfahrene abschnitt mit sechs Haltestellen recht kurz ist und durch die teilweise Enge der Straßen sowie vieler Ampeln eine wesentliche Fahrzeitersparnis kaum möglich sein dürfte.
Seitens der BVG ist durchaus das Bemühen erkennbar, in Zeiten ständiger Kürzungen doch Leistungen, wenn auch teilweise in veränderter Form, zu erhalten, ja sogar auszuweiten. Sichtbar ist das im Bereich Paulsborner Str. und Hohenstaufenstr. Bedauerlicherweise werden diesen Bemühungen von politischer Seite sowohl in Berlin als auch in Brandenburg Steine in den Weg gelegt. Das reicht von der Streichung vertraglich festgelegter und verbindlich zugesagter Zuschüsse bis zur beharrlichen Verweigerung der Bevorzugung des ÖPNV (siehe Endlosthema nicht errichtete Busspuren und Tram-Verlangsamung durch fehlende Beschleunigungsmaßnahmen). Auch die Linienänderung der Buslinie 187 paßt in dieses Schema. Auf Grund häufiger Verstopfung des Winterfeldplatzes durch Falschparker kapituliert der Verkehrsbetrieb und führt die Linie nunmehr über Hauptstraßen um dieses Gebiet herum. Ohne eine Änderung der politischen Rahmenbedingungen sieht die Zukunft des ÖPNV in dieser Stadt trostlos aus.
IGEB, Abteilung Stadtverkehr
aus SIGNAL 3/1998 (Mai 1998), Seite 6-7