Planung und Bauten

Eine Straßenbahn nach Moabit!
Ergebnisse einer Diplomarbeit

Untersucht wird, ob und wie eine Straßenbahnstrecke vom Virchow-Klinikum zum Lehrter Bahnhof geführt werden kann. Vorgestellt werden einige besonders interessante Lösungsvorschläge der ”Moabiter Masche“. Die Senatsplanung zur Strecke Chausseestraße-Invalidenstraße-Lehrter Bahnhof wird übernommen und hier nicht weiter betrachtet.


Florian Müller

1. Mai 1998

Seestraße

Die Neubaustrecke bindet in die Wendeschleife Eckernförder Platz ein. Die Gleise schwenken von der Mittellage an den äußeren Fahrbahnrand auf die bisherige Busspur. Zur sicherung der Fahrbahnquerung dienen die stehenden Lichtsignalanlagen an der Sylter Str. und Dohnagestell. Zwischen Dohnagestell und Nordufer wird eine Haltestelle in Seitenlage gebaut. Ausgestiegen wird auf den Gehweg, der auf Bahnsteighöhe gebracht wird.

Die Strecke führt weiter am rechten Fahrbahnrand als ÖV-Fahrstreifen. Für den übrigen Kfz-Verkehr bleiben zwei Fahrstreifen. Der Radverkehr verbleibt auf den bestehenden, separaten Radwegen im Seitenraum.

Der ÖV-Fahrstreifen wird mit einem halbhohen, überfahrbaren Bord vom Kfz-Fahrstreifen abgetrennt, um die Störanfälligkeit durch den Kfz-Verkehr zu minimieren. An der bestehenden Bushaltestelle Seestr/Beusselstr. wird eine kombinierte Straßenbahn-/Bushaltestelle in Seitenlage auf dem Gehwegbereich angelegt. Hier fährt die Bahn nach Süden in die Beusselstr. hinein.

Beusselstraße

Die Trasse bleibt am jeweils rechten Fahrbahnrand, wo jetzt eine Busspur in Betrieb ist. Am S-Bf. Beusselstr. (Inbetriebnahme der S-Bahn voraussichtlich im Mai 1999) hält die Tram gemeinsam mit den Bussen auf der Beusselbrücke direkt vor dem Eingang zum S-Bahnhof. Auch hier bildet der erhöhte Gehweg den Bahnsteig (Abb. 1).

Am Knoten Beussel-/Siemens-/Sickingenstr. wechselt die Gleislage vom jeweils rechten Fahrbahnrand in die Mittellage und bleibt dort bis zum Knoten Turmstr./Beusselstr. Die Aufteilung der Fahrstreifen ist im Querschnitt unsymmetrisch, um den Interessen des Radfahr- und Lieferverkehrs gerecht zu werden (Abb. 2).

An der Wittstocker Str./Post liegt die Haltestelle in Mittellage und wird mit einer Zeitinsel gesichert. Fahrgäste erreichen im Schutz einer Ampel die Straßenbahn. Für einen Bahnsteig ist kein Platz vorhanden.

Turmstraße

An der Turmstr. fährt die Bahn nach Osten, wo zwischen Beusselstr. und Waldstr./Gotzkowskystr. zwei Haltestelleninseln in Mittellage angelegt werden (Abb. 3). Der Radverkehr wird auf einem Fahrradstreifen auf der Fahrbahn geführt. Somit entfallen die bisher auftretenden Konflikte auf dem Gehweg mit dem abmarkierten Radweg. Der Fußweg wird breiter (6 statt bisher 4 Meter) und erhält mehr Aufenthaltsqualität.

Um den Baumbestand auf dem Mittelstreifen der Turmstr. zu schützen und das Straßenumfeld nicht nachteilig zu beeinflussen, wurde der Mittelstreifen belassen. Zusätzlich nimmt er die Oberleitungsmaste für die Straßenbahn auf. Die Bäume im Seitenraum bleiben unangetastet (siehe Abb. 4).

Die Einschränkung für den MIV von zwei auf künftig einen Fahrstreifen ist als Verkehrsberuhigung von vielen Seiten im Bezirk gewünscht. Die Leistungsfähigkeit der Turmstraße reduziert sich auf ca. 60 %. Die Qualität der Straße für Geschäftsleute, Kunden und Anwohner wird vom sinkenden Lärmpegel und deutlich mehr Radverkehr profitieren.

Auf einen abgetrennten, durchgehenden ÖV-Fahrstreifen wurde zugunsten eines Radfahrstreifens und eines für den ruhenden und Lieferverkehr sowie den Erhalt des Baumbestandes auf dem Mittelstreifen verzichtet. Der hohe Radfahreranteil und das hohe Radfahrerpotential rechtfertigen diese Maßnahme.

Entsprechend den bisherigen Bushaltestellen werden Tram-Haltestellen mit Kap eingerichtet, einzig die Haltestelle Rathaus Tiergarten entfällt wegen ihrer unmittelbaren Nähe zur Haltestelle U Turmstr.

In den Haltestellenbereichen der Turmstr. wird der Park-/Lieferstreifen für ein Haltestellenkap unterbrochen und der Radweg hinter der Wartefläche vorbeigeführt. Der Fahrstreifen für ÖV und MIV liegt in Mittellage.

Die Tram fährt weiter am Gericht in der Turmstr. vorbei und biegt in die Rathenower Str. nach Süden ein.

Rathenower Straße, Alt-Moabit

Mit dem Kfz-Aufkommen in der Rathenower Str. läßt sich die Straßenbahn in den allgemeinen Fahrstreifen integrieren. Pro Fahrtrichtung werden zwei Fahrstreifen angelegt. Der jeweils rechte Fahrstreifen ist mit 4 Metern überbreit, auf dem mittleren Fahrstreifen mit 3,5 Metern werden die Schienen verlegt. Alle Fahrstreifen sind für den allgemeinen Kfz-Verkehr und ÖV freigegeben.

An der Kreuzung Alt-Moabit schwenkt die Trasse nach Osten und erhält auf dem breiten Mittelstreifen von Alt-Moabit eine Haltestelle in Mittellage. Die Trasse bindet dann in die geplante Schleife Invalidenstr. ein, um am Lehrter Bahnhof vorbei zur Chausseestr. zu führen.

Die Verkehrsberuhigung der Turmstraße wird von vielen Seiten im Bezirk gewünscht, denn:

Daten zur "Moabiter Masche"

Streckenführung: Virchow-Klinikum - Seestraße - Beusselstr. - Turmstr. - Rathenower Str. - Alt-Moabit - Invalidenstr. - Lehrter Bf. Erschließung eines Gebietes mit ca. 32.800 Einwohnern, Baukosten 65 Mio. DM. Streckenlänge 5,0 km, Fahrzeit ca. 18 Min., Takt: 3 bis 5 Minuten in der Hauptverkehrszeit, 10 Haltestellen, mind. 7.000 Fahrgäste pro Tag in der Turmstraße, 13 zusätzliche Umläufe, Bahnkörper mit geschlossenem Oberbau (ÖPNV-Fahrstreifen für Tram und Bus).

Mögliche Verlängerungen

Die "Moabiter Masche" bildet die günstige Ausgangssituation zum schnellen Ausbau der Straßenbahn über Gotzkowskystr. und Ernst-Reuter-Platz zum Zoo, über Stromstr. und Perleberger Str. in den Wedding, zum Reichstag und Bf. Friedrichstr., zum Bf. Jungfernheide und nach Spandau.

Tram oder U5 für Moabit?

Der Senat möchte die U5 vom Bf. Alexanderplatz zum Lehrter Bf. und weiter über Moabit und Jungfernheide zum Flughafen Tegel verlängern. Ein Termin und die Finanzierung des Projekts stehen in den Sternen. Anstatt ca. 1,1 Mrd. Mark für den U-Bahn-Bau vom Lehrter Bahnhof bis Jungfernheide auszugeben, kann eine Straßenbahn diese Verkehrsaufgabe für ca. 90 Mio. Mark besser, kostengünstiger und damit schneller erfüllen. Auch die Betriebskosten der Tram sind bedeutend geringer.

Übrigens: Die "Moabiter Masche" ließe sich bereits bis zum Jahre 2001 "stricken". Eine U-Bahn käme kaum vor dem Jahr 2012!

Florian Müller

aus SIGNAL 3/1998 (Mai 1998), Seite 9-13