Regionalverkehr
Mittlerweile ist über die nähere Zukunft der Bahnstrecken in Brandenburg entschieden worden
1. Mai 1998
Schon am 19. April wurden die Strecken Sperenberg - Zossen, Wriezen - Tiefensee und Herzberg (E) Stadt - Falkenberg (Elster) auf Busbetrieb umgestellt. Das Problem, daß zwischen Wriezen und Tiefensee keine bahnparallele Straßenverbindung besteht, soll durch zwei sich ergänzende Busverkehre gelöst werden: Ein Bus fährt zwischen Tiefensee und Bad Freienwalde, ein zweiter zwischen Wriezen und Strausberg-Nord.
Für Hohenbocka - Kamenz und Wittstock (Dosse) - Mirow wird es zum Fahrplan Wechsel zur Umstellung auf Busverkehr kommen. Das Land Mecklenburg-Vorpommern wird auf dem Abschnitt Neustrelitz - Mirow weiterhin Schienenverkehr bestellen und bedauert die Abbestellung von Brandenburger Seite.
Für Wittstock (Dosse) - Mirow gilt das gleiche wie für Wriezen - Tiefensee: es gibt keine bahnparallele Straßenverbindung. Angedacht ist eine Busverbindung von Mirow nach Rheinsberg und von Wittstock (Dosse) nach Rheinsberg. Ein Ersatz für die wegfallende Bahnverbindung ist dies keinesfalls.
Auf der Strecke Müncheberg - Buckow (Märk. Schweiz) wird es nur bis zum Herbst an Wochenenden Schienenverkehr geben.
Die Verbindung Templin - Prenzlau bekommt noch eine "Gnadenfrist" von einem Jahr, um durch Attraktivitätssteigerung die Fahrgastzahlen zu erhöhen. Sollte das nicht gelingen, ist wohl in einem Jahr dort ebenfalls Schluß. Wie mittlerweile feststeht, wird es aus "umlauftechnischen Gründen" zwischen Templin und Prenzlau ab Fahrplanwechsel zu einem Umsteigezwang in Haßleben kommen. Diese Maßnahme ist natürlich alles andere als attraktivitätssteigernd.
Die Strecken Belzig - Brandenburg und Rathenow - Neustadt (Dosse) werden vorerst durch die DB AG weiterbetrieben. Diese Strecken waren im letzten Jahr Bestandteil der ersten Ausschreibung von SPNV-Leistungen in Brandenburg. Zwischen Belzig und Brandenburg wird deshalb das Angebot sogar verbessert. Sollten die Fahrgastzahlen nicht deutlich steigen, zeichnet sich für das nächste Jahr eine erneute Diskussion über den Weiterbetrieb dieser Strecken ab. Da im Bf. Neustadt in diesem Jahr Umbauarbeiten stattfinden, wird es zur längeren Unterbrechung des Zugverkehrs aus Rathenow kommen. Zusammen mit der Tatsache, daß es im neuen Fahrplan keinen Anschluß mehr nach Wittenberge geben soll, verliert die Strecke Rathenow - Neustadt dieses Jahr erheblich an Attraktivität, und eine höhere Fahrgastnutzung wird unmöglich.
Bei der Entscheidung über eine Bestellung der Strecken von Pritzwalk nach Putlitz, Meyenburg und Neustadt (Dosse) sowie Neustadt (Dosse) - Neuruppin - Herzberg (Mark) ließ sich der Verkehrsminister sehr viel Zeit. Er traf sie erst am 20.4.98, also knapp 5 Wochen vordem Fahrplanwechsel. Das Land nahm das Angebot der Prignitzer Eisenbahn GmbH (PEG) für den Betrieb auf den Pritzwalker Strecken an, das eine SPNV-Bestellung zu wesentlich günstigeren Bedingungen und Zuschußkosten als bei der DB AG bietet. Das Eisenbahnreferat im Verkehrsministerium empfahl Minister Meyer dieses Angebot anzunehmen, zumal sich auch die Landkreise für den Weiterbetrieb der strukturell für die Region bedeutenden Eisenbahnstrecken ausgesprochen haben und das Potential noch nicht ausgeschöpft ist.
Die DB AG setzte hingegen alles daran, eine direkte Landesbestellung an die PEG zu verhindern, um den Wettbewerb auf der Schiene im Land Brandenburg - der in anderen Bundesländern schon erfolgreich praktiziert wird - gar nicht erst zu ermöglichen. Weiterer Druck auf das Land wird vom DB-Geschäftsbereich Netz durch die Baumaßnahmen im Zusammenhang mit der Realisierung des Prignitz-Expresses ausgeübt. In den Verknüpfungsbahnhöfen mit anderen Strecken (Neuruppin, Wittstock, Pritzwalk) verursacht die Einbindung natürlich Kosten durch zusätzlichen Weicheneinbau mit Sicherungstechnik. Das Land darf sich nicht in dieser Form unter Druck setzen lassen, der umgekehrte Weg ist richtig: Das Land muß beim Geschäftsbereich Netz auch bei Nebenbahnen auf Standards wie mindestens 80 km/h Streckengeschwindigkeit und gesicherte Bahnübergänge bestehen, um eine langfristige Bestellung auszulösen, da ansonsten das Hauptproblem für die heutigen geringen Fahrgastzahlen nicht gelöst wird!
Angesichts der Tatsache, daß für den Prignitz-Expreß zuerst nur der Abschnitt von Neuruppin bis Hennigsdorf realisiert wird und eine Durchbindung nach Berlin nicht absehbar ist, wird mit den jetzt getätigten Investitionen von etwa 65 Millionen Mark ein doch eher nur geringer Nutzen erzielt. Die Einbindung der gefährdeten Nebenstrecken würde den Nutzen und die Fahrgastzahlen sowohl im Prignitz-Expreß als auch auf den Nebenstrecken selbst jedoch erhöhen, die geringfügig steigenden Baukosten würden sich schon bald rentieren.
Das anstehende Fontanejahr in Neuruppin sowie die erst im Herbst 1998 beginnenden Bauarbeiten für den Prignitz-Expreß im Stadtgebiet veranlaßten den Bahnkunden-Verband nochmals, sich beim Verkehrsministerium für den Erhalt des Schienenverkehrs einzusetzen. Mit Erfolg: Vorerst befristet soll auch im Sommer 1998 das Angebot zwischen Neuruppin und Herzberg aufrechterhalten werden - Zeit, um das endgültige Aus durch neue Konzepte zu verhindern!
Die Abbestellung des SPNV auf dem südlichen Abschnitt der Niederlausitzer Eisenbahn (NLE) kommt zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Im Mai übernimmt DBV- eigene Deutsche Regionalbahn GmbH (DR) die Infrastruktur der NLE von Beeskow über Lübben - Luckau - Uckro bis Herzberg Stadt. Der SPNV auf diesen Abschnitten wurde vom Land in den Jahren 1995 und 1996 abbestellt; die DB AG hat daraufhin die Übernahme der Infrastruktur angeboten. Seit 19. April kann nun auch der Eisenbahnknoten Falkenberg (E) von Herzberg Stadt nicht mehr auf der Schiene erreicht werden, denn der Personenverkehr wurde auf die Straße verlagert. Die DR machte dem Land ein günstiges Angebot zum Weiterbetrieb - bisher jedoch ohne Resonanz seitens des Landes.
Ärgerlich ist die Tatsache, daß das Land von Herzberg (E) nach Falkenberg (E) krampfhaft Geld sparen möchte, zwischen Falkenberg (Elster) und Bad Liebenwerda aber ein Doppelangebot finanziert: RE 4 (aus Wittenberge - Berlin - Jüterbog in Bad Liebenwerda endend) und RB 49 (aus Leipzig Richtung Elsterwerda-Biehla - Senftenberg) fahren zwischen Falkenberg und Bad Liebenwerda mit nur wenigen Minuten Abstand.
Durch die Umstellung der genannten Bahnstrecken auf Busverkehr erhofft sich Brandenburg eine jährliche Einsparung von 5,5 Mio. DM. Angesichts des Gesamtetats für Zuschüsse zum SPNV in den Ländern Berlin und Brandenburg von mehr als 660 Mio. DM ist das wenig im Vergleich zu den zu Nachteilen für die Fahrgäste.
Die Umstellung auf Busverkehr ist in erster Linie ein großer Gefallen für die DB, um das Bahnangebot auf die gut frequentierten Hauptstrecken beschränken und konzentrieren zu können - der Fahrgast in der Region bleibt vielfach auf der Strecke. Und auch der auf den ersten Blick zu erkennende Kostenvorteil für das Land könnte kein wirklicher sein: Bei weiterem Fahrgastrückgang wird im Bus der Zuschuß pro Fahrzeugkilometer zwar billiger bleiben als auf der Schiene, pro Fahrgast würde er aber höher sein.
Das Land als Aufgabenträger sollte stattdessen darauf achten, daß die tatsächlich für SPNV ausgegebenen Mittel auch auf Hauptstrecken effektiv verwendet werden. Im kommenden Fahrplan wird z.B zwischen Potsdam und Brandenburg ein durch die Fahrgastzahlen nicht gerechtfertigtes Überangebot von RE 1 im 30-Minutentakt, RE 2 mit RB 16 im Stundentakt plus IR-Verbindungen angeboten. Folge sind unsinnige zeitaufwendige Überholungen der Regionalzüge und sogar die Einschränkung der Bedienung der Bahnhöfe Wildpark und Charlottenhof - eine maßvolle Korrektur des Angebotes würde allein 8,5 Mio. DM pro Jahr einsparen.
Deutscher Bahnkunden-Verband Landesverband Brandenburg
aus SIGNAL 3/1998 (Mai 1998), Seite 16-17