Regionalverkehr
Mit dem neuen Fahrplan ab Ende Mai ändert sich im Land Brandenburg sehr viel. Fast überall müssen sich Pendler - einmal mehr - an neue Abfahrtszeiten und Linienführungen gewöhnen.Hintergrund ist die langersehnte Wiedereröffnung der Berliner Stadtbahn, auf der fünf RegionalExpreß(RE)-Linien Berlin durchqueren werden. So begrüßenswert die für viele Brandenburger Fahrgäste attraktiven neuen Linien auch sind, dürfen doch auch kritische Anmerkungen nicht fehlen.
1. Mai 1998
Ein Nachteil der langen RE-Läufe ist, daß die Trassenbelegung auf der Stadtbahn kein Spielraum für die Fahrplangestaltung läßt. So können, anders als heute, Überholungen von RE und RB durch Fernzüge nicht vermieden werden. Für Reisende beispielsweise aus Nauen relativiert sich durch Wartezeiten der Vorteil der direkten Erreichbarkeit des Berliner Zentrums wieder. Eine Fahrzeitverkürzung durch die stolz verkündete und teuer erkaufte Steigerung der Höchstgeschwindigkeit der RE auf 160 km/h gibt es kaum oder gar nicht.
Es ist natürlich unmöglich, allen berechtigten Wünschen nachzukommen, jedoch ist in einigen Fällen wieder kein Konzept bei der Angebotsgestaltung zu erkennen. Ein Beispiel ist die Strecke Potsdam - Brandenburg. Hier sollen die Züge des RE 1 im Halbstundentakt fahren, daneben noch stündlich InterRegio und die RB 16/RE 2. Dies stellt ein durch das Fahrgastaufkommen nicht gerechtfertigtes Überangebot und damit eine Verschwendung von Landesmitteln dar. Hinzu kommt, daß die Bahn nicht in der Lage ist, dies auch fahrplantechnisch zu beherrschen. Leidtragender ist der Regionalverkehr: Die Züge der RB 16 in Richtung Brandenburg werden vom IR und RE 1 unterwegs überholt. Resultat: Bis zu 52 Minuten Fahrzeit für die 35 km zwischen Potsdam und Brandenburg! Jede zweite Stunde werden die Züge der RB 16 durch den RE 2 ersetzt, der zwischen Potsdam und Brandenburg überall halten soll. Dieser wird jedoch auch in Groß Kreutz überholt - in Richtung Berlin wieder von den RE 1-Verstärkern. Obendrein entfallen die wichtigen Halte in Potsdam Charlottenhof und Wildpark ersatzlos! Ein Verzicht auf die Verstärkerzüge des RE 1 wäre hiervon unmittelbarem Vorteil.
Die von der Bahn als vorrangig genannten Ziele (Durchbindung über die Stadtbahn, Flughafenexpreß) haben zumindest beim RE 5 zu einem grotesken Resultat geführt: Die Züge in Richtung Neustrelitz - Stralsund fahren von der Stadtbahn über Falkensee - Hennigsdorf, Fahrzeit: Zoo bzw. Alex - Oranienburg 71 bzw. 84 Minuten (S-Bahn von Friedrichstr. 46 Minuten). Diese Umwegführung wird mit der Eröffnung der S-Bahn von Tegel nach Hennigsdorf (vsl. Dezember 1998) völlig ad absurdum geführt.
Die RB 33 aus Jüterbog - Beelitz Stadt fährt nicht mehr nach Potsdam, sondern über Michendorf nach Berlin-Wannsee. Dabei enden jedoch zwei Zugpaare von Jüterbog in Potsdam-Drewitz ohne Anschluß an die S-Bahn oder an andere Regionalzüge zu haben - im Berufsverkehr! Wenn ein an und für sich gutes Angebot gerade dann nicht gefahren werden kann, wenn es am meisten gebraucht wird, ist es peinlich. Daß der letzte Zug dieser Linie den Bf. Wannsee schon um 19.51 Uhr verläßt und der letzte Zug aus Jüterbog um 20.00 Uhr nach Wannsee abfährt, ist nicht bedarfsgerecht.
Caputh soll in Zukunft von der RB 22 von Potsdam Stadt über Michendorf nach Berlin-Schönefeld bedient werden. Durch diesen Umweg erhöht sich die Fahrzeit von Potsdam Pirschheide nach Flughafen Schönefeld von derzeit 28 auf 53 bis 60 Minuten! Für die täglichen Pendler zwischen Potsdam und dem Südosten Berlins, die bisher den Großteil der Reisenden ausmachten, ist dieses "Angebot" völlig unannehmbar. Auch die schnellen Verbindungen Schönefeld - Wannsee und Schönefeld - Werder (-Brandenburg) entfallen damit. Eine einfache Lösung wäre, die RB 22 auf diesem Abschnitt in der bisherigen Führung zu belassen und Caputh durch Züge zu bedienen, die sowohl in Potsdam als auch in Michendorf einen Anschluß nach Berlin ermöglichen können. Auf die Problematik vor allem bei der Gestaltung der Anschlüsse auf dem flachen Land wurde durch den DBV vor einem Jahr ausführlich eingegangen.
Bei den damals genannten Strecken gibt es nur sehr wenig Verbesserungen. Als löbliche Ausnahme seien die Anschlüsse aus Brandenburg Richtung Dessau in Belzig genannt. Auch die Ausdehnung des Zugangebotes zwischen Belzig und Brandenburg bis 23 Uhr ist zu begrüßen.
In mehreren Fällen haben sich die Befürchtungen jedoch leider bewahrheitet: Durch die miserablen Anschlüsse sind zwischen Wittstock und Mirow oder Herzberg Stadt und Falkenberg die Fahrgastzahlen derart zurückgegangen, daß nun die Züge vom Land abbestellt werden. Mitten auf der Strecke Berlin - Wriezen mußten die Fahrgäste in diesem Jahr in Tiefensee umsteigen. Daß das nicht gerade Kunden anlockt, dürfte klar sein. Resultat: Abbestellung.
Die Züge nach Wittenberge werden in Nauen von denen aus Potsdam um ganze vier Minuten verpaßt. Damit müssen Reisende aus der Landeshauptstadt in den Nordwesteil des Landes über Berlin fahren. Auf der RB 45 gibt es überhaupt keinen Takt mehr und knapp verpaßte Anschlüsse in Senftenberg aus (Lübbenau-) - Calau in Richtung Ruhland (- Dresden).
Bei der ebenfalls einstellungsbedrohten RB 50 aus Rathenow fallen die Anschlüsse in Neustadt(Dosse) nach Wittenberge weg.
Von einem Integralen Taktfahrplan (ITF) - wie er in anderen Bundesländern schon selbstverständlich ist - sind in Brandenburg auch im Fahrplanjahr 1998/99 nicht einmal Ansätze zu erkennen. Ein ITF, der in Knotenpunkten optimale Anschlüsse auch zu und von Bussen garantiert, hätte für die Fahrgäste einen deutlich größeren Nutzen als z.B. die Anhebung der Höchstgeschwindigkeit einiger RE auf 160 km/h, die nur auf wenigen Verbindungen ein paar Minuten Fahrzeitverkürzung bringt.
Deutscher Bahnkunden-Verband Landesverband Brandenburg
aus SIGNAL 3/1998 (Mai 1998), Seite 18