Reise & Bericht
Das kurze Resümee eines Besuchs von Mitgliedern der IGEB bei den Verkehrsbetrieben von Saarbrücken, Straßburg und Karlsruhe zwingt dem Gast aus Berlin/Brandenburg automatisch eine Sicht auf, die von Beeindrucktsein zu nicht gerade neidloser Anerkennung reicht.
1. Sep 1998
Erfahrungen mit vierzig Jahren des Versuches, autogerechte Verkehrswege und Strukturen von Siedlungsräumen zu planen und politisch durchzusetzen gab es reichlich. In Saarbrücken und Straßburg wurde die Straßenbahn völlig aus dem Stadtbild verbannt. Irgendwann kam dann jedoch die Rückbesinnung auf die Vorteile dieses Systems.
Der Betrieb in Saarbrücken baute kein gegebenes Netz wieder auf, man entwickelte einen Standard für zukunftsträchtige Lösungen, erwog und verwirklichte den Schritt zum Zwei-System-Schienenverkehr und überschritt die Grenze zum benachbarten Frankreich. Kompromisse wurden geschlossen, Zugeständnisse gemacht, Ängste abgebaut, das öffentliche Interesse konsequent in den Vordergrund gestellt. Abgeordnete, Politiker und auch die Verwaltung zogen im richtigen Moment an einem Strang, ließen sich überzeugen und halfen Beschlüsse durchzusetzen. Die realen und die scheinbaren Kosten eines schienengebundenen ÖPNV wurden einer realistischen und ehrlichen Wertung unterzogen. Die Saarbrückener Stadtbahn führt über einen Hügel am Hauptbahnhof und läßt den Autoverkehr im Tunnel unter sich.
Die Grenzstadt am Rhein verfuhr analog, blieb auf eigenen Gleisen und bleibt auch zukünftig am betriebseigenen Unterwerk. Sie ist nichts destoweniger dabei, ein regionales Netz aufzubauen. Dem propagierten Tunnelwunder der sechziger Jahre wurde in den achtziger Jahren ein Konzept gegenüber gestellt, das Investitionskosten, und verkehriiche Vor- und Nachteile in einen vernünftigen Zusammenhang bringt. Die im Stadtraum störenden Rampen wurden zum Gegenargument für eine komplette Tunnelbahn. Die Straßburger Stadtbahn unterfährt nur die umfangreichen Bahnanlagen des Hauptbahnhofes und taucht in der Fußgängerzone wieder auf.
Bezogen auf Saarbrücken und Straßburg konnte die Region Karlsruhe beim Bewährten bleiben. Der vorhandene Betrieb wurde erneuert und wird ständig ausgebaut.
Der Betrieb war schon früh auch Betreiber von Anschlußgleisen, Eigentümer von Nebenbahnen unterschiedlicher Spurweiten und betrieb die kommunale Rhein-Hafenbahn. Es gab Eigentümerwechsel und Umspurungen, gemischten Betrieb und gemeinsame Nutzung von Gleisanlagen. Über Allem standen Optimismus, Erfindergeist und solides Fachwissen. Der Karlsruher Verkehrsbetrieb und der heutige Verkehrsverbund leben von und mit den Erfahrungen eines kontinuierlichen Vertrauens auf Schienenverkehr. Ein eisenbahnkonformes Radprofil im kurvenreichen innerstädtischen Rillenschienennetz, Weichen mit Verschluß und ausladende Herzstücke, das alles konnte mit auf Sachkenntnis gestützter Überzeugung durchgesetzt werden, und wird als akzeptierbar angenommen. Das beneidenswerte Verkehrsangebot, die umsteigefreien Regionalverbindungen, hohe Reisegeschwindigkeit, der Service im „Speisewagen", vermitteln eine positive öffentliche Resonanz. Sauberkeit und unbeeinträchtigter Optimalzustand aller für den Fahrgast wichtigen Anlagen und der Fahrzeuge schaffen Akzeptanz für den Tarif und Optimismus für Ausbau und Netzerweiterung. Letzteres gilt für alle drei Betriebe; als Hiesiger fühlt man sich dort wie in einer anderen Welt.
Es gibt sie doch - Kommunen und Regionen, Bürger und Politiker, für die Betrieb und Neuaufbau von Straßen- und Stadtbahnen keine Fehlhandlung abwegig nostalgiebesessener Außenseiter ist!
Der Berliner Fahrgastverband IGEB und der Denkmalpflege-Verein Nahverkehr Berlin danken den Leitern und Mitarbeitern der Straßenbahnbethebe in Saarbrücken, Straßburg und Kahsruhe für die überaus freundliche Aufnahme und die vielen ausfühhichen Erklärungen.
IGEB
aus SIGNAL 7/1998 (September 1998), Seite 15