Fernverkehr
Bund beantragt Förderung der Schieneninfrastruktur in Milliardenhöhe
25. Jun 2015
Ende 2013 wurden von der EU die Verordnung zu den Leitlinien für die Transeuropäischen Verkehrsnetze (TEN-V-Leitlinien) und die TEN-Finanzierungsverordnung „Connecting Europe Facility (CEF)“ erlassen. Das Verkehrsnetz entsprechend der TEN-V-Leitlinien umfasst alle Verkehrsträger und ist in ein Kernverkehrsnetz (geplante Umsetzung bis zum 31.12.2030) und ein Gesamtnetz (geplante Umsetzung bis zum 31.12.2050) unterteilt.
Das Kernverkehrsnetz bilden insgesamt neun Hauptkorridore (zwei in Nord-Süd- Richtung, drei in Ost-West-Richtung und vier diagonal verlaufende Korridore). Es
Allein 6 Korridore verlaufen dabei durch das Transitland Deutschland.
In diesem Kernverkehrsnetz werden derzeit bestehende Engpässe beseitigt, die Infrastruktur modernisiert und der grenzüberschreitende Verkehr flüssiger gestaltet.
In der CEF sind Regelungen getroffen, welche Vorhaben unter welchen Voraussetzungen gefördert werden können. Definiert sind auch entsprechende Förderhöchstsätze.
Gegenüber dem Finanzierungszeitraum 2007 bis 2013 wurden die für die Verkehrsinfrastruktur bereitgestellten Finanzmittel deutlich erhöht. So stehen für den Zeitraum 2014 bis 2020 nunmehr 26,2 Milliarden Euro zur Verfügung, was einer Verdreifachung entspricht. Um den Ost-West-Verbindungen Vorrang einzuräumen, ist fast die Hälfte der Fördermittel, nämlich 11,3 Milliarden Euro, für die so genannten Kohäsionsländer wie Estland, Lettland, Litauen oder Polen reserviert.
Der erste Aufruf über Förderanträge entsprechend der CEF ist im September 2014 erfolgt, Annahmeschluss war der 3. März 2015. Seitens des Bundes wurden insgesamt 31 Anträge für Verkehrsinfrastrukturprojekte mit einem Umfang von insgesamt 8,96 Milliarden Euro und einem Fördervolumen von rund 2,89 Milliarden Euro beantragt. Dazu gehören Projekte in den Bereichen Straße, Binnenwasserstraßen und Seehäfen sowie Schiene, diese mit einem Anteil von rund 2,6 Milliarden Euro Fördermittel – siehe Tabelle.
Mit diesen Schienenprojekten, zuzüglich der Anträge für Maßnahmen der anderen Verkehrsträger, beansprucht Deutschland mehr als ein Drittel der im Zuge der ersten Ausschreibung zur Verfügung stehenden 8,0 Milliarden Euro. Inwieweit das realistisch ist, wird sich voraussichtlich im Spätsommer 2015 zeigen. Bis dahin sollen die Entscheidungen über die eingereichten Förderanträge seitens der EU-Kommission getroffen sein.
Der nächste EU-Aufruf über Förderanträge zum Ausbau der Infrastruktur erfolgt dann voraussichtlich im Jahr 2016.
Grundsätzlich würde die Bewilligung der Förderanträge die Beschleunigung etlicher Schienenprojekte ermöglichen, deren Realisierung sich angesichts der chronischen Unterfinanzierung teilweise bereits über Jahrzehnte hinzieht. Beispielhaft seien hier die Ausbaustrecke Berlin—Dresden und der viergleisige Aus- bzw. Neubau der Rheintalbahn zwischen Karlsruhe und Basel genannt. Der zügige Abschluss dieser Bauprojekte trägt dazu bei, die Wettbewerbsfähigkeit der Schiene in diesen Relationen zu stärken.
Fragwürdig ist dagegen, dass auch so umstrittene Prestigeprojekte wie Stuttgart 21 nun mit Hilfe von EU-Fördermitteln in Milliardenhöhe finanziert werden sollen – in diesem Fall mit dem für Engpassbeseitigung zulässigen Förderhöchstsatz von 30 Prozent. Dieses Projekt ist damit der mit Abstand größte Einzelposten unter den von deutscher Seite eingereichten Förderanträgen.
Aber gerade dieses Projekt resultiert nicht aus dringenden Verkehrsbedürfnissen, sondern ist ein regionales Prestigeprojekt mit einem unzureichenden Nutzen-Kosten-Verhältnis. Ein Mehrwert für den Bahnkunden ist mit Stuttgart 21 (im Gegensatz zur Neubaustrecke Wendlingen—Ulm) nicht verbunden. Dies entspricht wohl kaum den EU-Zielen der Förderung transeuropäischer Verkehrsnetze.
Demgegenüber gibt es unter den deutschen Förderanträgen keine Projekte zur Reduzierung von Schienengüterverkehrslärm. Dabei sind sie zur Steigerung der Akzeptanz des Schienengüterverkehrs in der Bevölkerung dringend notwendig.
Deutscher Bahnkunden-Verband
und IGEB Fernverkehr
aus SIGNAL 3/2015 (Juli 2015), Seite 24-25