Nahverkehr
Am 30. Dezember 1998 bekommt Spandau als letzter Bezirk seine S-Bahn zurück. Die Havelstadt wartet seit 1980 auf die rot-gelben Züge. Einen Tag vor Silvester, sozusagen als verspätetes Weihnachtsgeschenk, wird die Strecke von Pichelsberg zum neuen Bahnhof Spandau an der Klosterstraße wieder in Betrieb genommen.
1. Dez 1998
Die Linien S5 (Spandau — Strausberg Nord) und S75 (Spandau — Wartenberg) bedienen den neuen Abschnitt jeweils alle 20 Minuten, so daß ein Zehn-Minuten-Takt entsteht. Erfreulich ist, daß dieser Takt von montags bis freitags von 5 Uhr bis Mitternacht und samstags/sonntags von 8 Uhr bis 24 Uhr angeboten wird. Damit hat Spandau als einziger Außenast einen abendlichen Zehn-Minuten-Takt. Darüber fährt die S75 alleine im Zwanzig-Minuten-Takt am Wochenende im Nachtverkehr.
RE 4/5 | 1999 | 11 Min | ca. alle 30 Min |
RB 13 | 1999 | 14 Min | ca. alle 60 Min (1) |
S-Bahn | 1999 | 21 Min | (2) |
S-Bahn | 1961 | 25 Min | ab Spandau West (3) |
U-Bahn | 1998 | 26 Min | (4) |
Bus 145 | 1998 | 37 Min |
(1) incl. Umsteigen in Charlottenburg
(2) incl. zwei Min Aufenthalt in Westkreuz
(3) incl. drei Min Aufenthalt in Westkreuz
(4) incl. Umsteigen in Bismarckstraße
An Stelle des alten Bahnhofs Spandau (bis 1936 Spandau Hauptbahnhof) entsteht der S-Bahn-Haltepunkt Stresow, der ebenfalls am 30. Dezember in Betrieb gehen soll. Die Bauarbeiten für Stresow haben sich lange hingezogen; hier gibt es bis zur Eröffnung noch einiges zu tun. Leider wurde auf einen zusätzlichen neuen Halt an der Charlottenburger Chaussee verzichtet (siehe SIGNAL 8-9/98). Dieser Bahnhof (Namensvorschlag: Teltower Schanze) läge zwischen Pichelsberg und Stresow. Die Hochhaussiedlung und das Gewerbegebiet („IKEA") würden einen zusätzlichen Halt rechtfertigen. Hinzu kommen die Bewohner der Spandauer Wilhelmstadt, die nicht den Umweg über Rathaus Spandau machen bräuchten.
Am 3. Dezember wird der Fahrstrom zwischen Pichelsberg und Spandau eingeschaltet. Der S-Bahn-Eröffnung am 30. Dezember folgt im Januar 1999 die offizielle Einweihung des neuen Spandauer Bahnhofes, weil sich der Innenausbau der Läden im Bahnhof verzögert.
Die zwei Bürgerbegehren, die die S-Bahn nach Spandau forderten, verhallten beim Senat seinerzeit ziemlich ungehört. Der Spandauer U7-Abschnitt, der bis dahin teuerste U-Bahn-Bau aus den West-Berliner "Fettlebejahren" (Eröffnung 1984), sollte seine Fahrgäste nicht an die S-Bahn verlieren. So wurde in der Senats-Verkehrsverwaltung die Spandauer S-Bahn verschleppt, um die U7 zu stützen. Jetzt droht der U-Bahn die Taktausdünnung. Manche Sparwütige haben sogar schon lautstark über die Stillegung zwischen Rohrdamm und Rathaus Spandau nachgedacht. Die BVG will einen 10-Minuten-Takt anbieten. Dabei erschließt die Strecke über Siemensstadt ein anderes Gebiet als die S-Bahn, stellt erschließungsmäßig keinen Parallelverkehr dar.
Nach Spandau verkehrte seit 1928 die elektrische S-Bahn und wurde als einer der letzten Äste zu Zeiten des S-Bahn-Boykotts im 10-Minuten-Takt betrieben, sonst waren nur 20 Minuten üblich. Bis 1961 hatte man von Spandau und Spandau West aus mit der S-Bahn vier verschiedene Richtungen zur Auswahl:
Mit dem Mauerbau "starb" die S-Bahn nach Falkensee. Der Fernverkehr nach Hamburg wurde nach der Flucht eines Personenzuges in Albrechtshof unterbrochen. Im Sommer 1995 war der Schienenstrang nach Hamburg über Albrechtshof wieder frei, im Regionalverkehr wird heute ein Halbstundentakt angeboten.
Eine Wiederinbetriebnahme der S-Bahn nach Falkensee steht "in den Sternen" und wird auf politischer Ebene auch nicht vorangetrieben. Offizielle Planungen künden von einem dehnbaren „nach 2004". Immerhin wurde die Trasse beim Wiederaufbau der Hamburger Fernbahn schon vorbereitet. Auf mehreren Kilometern ist der Damm für das S-Bahn-Gleis geschüttet und dient heute zum Teil dem Lärmschutz. Die neugebauten Stationen Albrechtshof Seegefeld und Falkensee müßten umgestaltet werden, denn Bahnsteige und Zugänge blockieren die S-Bahn-Trasse.
Der Staakener S-Bahn-Ast wurde mit der Anlage der Hochgeschwindigkeitsstrecke derart verbaut, daß eine S-Bahn hier leider keine Chance mehr hat.
Eine weitere Verbindung war die S-Bahn zwischen Spandau-West, Siemensstadt-Fürstenbrunn und Jungfernheide. Sie ermöglichte auf kürzestem Wege das Erreichen des Nordrings, ohne den Umweg über Westkreuz. Diese Strecke ist nicht mehr zur Gleichstrom-Elektrifizierung vorgesehen, soll aber mittelfristig mit Regionalbahnen bedient werden, allerdings ohne Halt in Siemensstadt-Fürstenbrunn.
Nichtsdestotrotz kann die Berliner S-Bahn ihre schmerzlichste verbliebene Lücke schließen. Der Sprung über die Havel nach 18 Jahren Pause bedeutet ein neues Kapitel für die Spandauer, das Havelland und für die S-Bahn, die damit ihren wichtigen Ast nach Westen wiederbekommt.
IGEB
Abteilung S-Bahn und Regionalverkehr
aus SIGNAL 10/1998 (Dezember 1998), Seite 9-10