Titelthema Fahrgastinformation
Vor einem Jahr berichteten wir, mit welchen Apps sich VBB-Fahrgäste über Fahrtrouten, Abfahrtzeiten und Störungen bei Bahnen und Bussen informieren können („Fahrgastinfo-Apps im Test“, SIGNAL 3/2014). Damals lag der Fokus auf denjenigen Apps, die BVG, S-Bahn und VBB anbieten. In diesem Heft möchten wir Ihnen vorstellen, welche Alternativen abseits dieser Unternehmen für Smartphones angeboten werden.
8. Sep 2015
Weit verbreitet ist die App „Öffi“ von Andreas Schildbach, die es nur für Android gibt. Die App ist ein privates Freizeitprojekt, es steckt also keine direkte Gewinnabsicht dahinter. Die App bietet das Standardwerk an: Fahrplanauskünfte, Abfahrtzeiten und Liniennetzpläne. Dabei ist die App vom Design her sehr schlicht gehalten. Die Verbindungen der Fahrplanauskunft werden in einer scrollbaren vertikalen Balkenansicht dargestellt.
Die Aufbereitung von Echtzeitabfahrten ist bei Öffi etwas unübersichtlich: gestapelte Zeilen, sortiert nach Entfernung vom ermittelten Standort. An großen Umsteigepunkten kann es mühselig werden, die nächste Abfahrt „seiner“Linie zu finden. Öffi bietet die Möglichkeit, innerhalb der App den Datenlieferanten (z. B. Deutsche Bahn oder VBB und viele andere) zu wechseln. Hierzu muss die oberste Leiste angetippt werden.
In Öffi lassen sich viele verschiedene Liniennetze (z. B. auch das Nachtliniennetz) und einige Standortpläne abrufen. Beim Kartenmaterial greift die App auf Google Maps zurück. Wer viel bundesweit oder international unterwegs ist, wird auch auf Reisen schnell den passenden Datenlieferanten finden, ohne jedes Mal erst eine für die Region passende App zusätzlich installieren zu müssen.
Die App „Citymapper“ ist auf ausgewählte internationale Städte zugeschnitten. Sie wird von der Citymapper Limited bereitgestellt, einem Unternehmen mit Sitz in London, das 10 Mio Dollar Risikokapital eingesammelt hat. Womit dieses Unternehmen mal Geld verdienen möchte, ist nicht ersichtlich. Ein Geschäftsmodell kostenloser Dienste ist es meist, Daten der Nutzer zu sammeln und zu verkaufen. Dies ist auch hier anzunehmen.
Derzeit sind für Deutschland die Städte Berlin und Hamburg enthalten. Die Abfahrtzeiten der BVG werden immerhin „haltestellenmastscharf“ dargestellt. Das erleichtert die Orientierung, da sich dadurch teilweise eine Sortierung nach Richtung ergibt.
Zur Fahrplansuche tippt man auf „Bring mich wohin“. Alternativ lassen sich auch vordefinierte Orte auf einen Button legen. In der Fahrplansuche lässt sich u. a. eine (Google-)Karte zu einem beliebigen Platz scrollen und ein Punkt als Start oder Ziel auswählen. Sehr praktisch! Es erscheint dann eine Übersicht von Möglichkeiten zu Fuß, mit Fahrrad, Taxi (mit Preisangabe) oder ÖPNV. Die Verbindungsansicht für den ÖPNV ist ohne Uhrzeiten, was ungewohnt ist und in bestimmten Fällen auch sehr nachteilig sein kann.
Beachtenswert ist, wie in Verbindungsauskünften Linien gruppiert werden. Wer beispielsweise von Schöneweide nach Hackescher Markt möchte, dem erklärt die App, dass man alle 10 Minuten mit S 8 und S 9 nach Ostkreuz fahren kann und von Ostkreuz mit der S 5, S 7 und S 75 nach Hackescher Markt. Die Verbindungsauskunft mischt eine streckenbasierte Auskunft mit Angabe der aktuellen Abfahrtzeiten an den Umsteigepunkten. Gut für Verbindungen mit dichten Takten, aber unbrauchbar, wenn sich beispielsweise eine Regionalbahn im Stundentakt in der Verbindung befindet.
Wann man idealerweise z. B. mit der S-Bahn zum Regionalbahnhof anreist, um dort möglichst wenig zu warten, verrät die App nicht. Ebenso nicht hilfreich ist, dass Verbindungen angegeben werden, die z. B. wegen Bauarbeiten nicht existieren. Die App weist zwar beim Liniensymbol daraufhin, und es ist per Tippen auf „Sperrung umgehen“ möglich, sich eine Alternativroute geben zu lassen, doch warum zunächst nicht fahrbare Routen ausgegeben werden, erschließt sich nicht.
Die App weist einige interessante Mehrinformationen auf, die darauf hinweisen, dass sich die App-Entwickler mit den lokalen Begebenheiten auseinander gesetzt haben: So lässt sich unter dem Reiter „Stadt“ für alle U- und S-Bahn-Linien sofort ablesen, ob jetzt und in Zukunft Bauarbeiten anstehen oder eine Störung vorliegt. Außerdem werden die letzten Twittermeldungen der S-Bahn und BVG angezeigt.
Diejenigen, für die auch der Mietwagen, die Taxifahrt und das Fahrrad zur täglichen Verkehrsmittelwahl gehören, sollten sich „Moovel“ anschauen. Diese App, die von der moovel GmbH, einem Tochterunternehmen der Daimler AG, veröffentlicht wurde, zeigt Mietwagen (nur Car2go & Flinkster), Mitfahrgelegenheiten, Taxi, Fahrrad und ÖPNV im Vergleich der Kosten und Fahrtdauer an. Innerhalb einer Fahrt werden diese Möglichkeiten jedoch nicht kombiniert. Das charmante ist, dass zu allen Fahrtmöglichkeiten auch sofort der Preis genannt wird. Möchte ich also vom Zoo zum Alex gern für 17 Euro das Taxi, für 5,80 Euro das Mietauto, für 2,70 Euro die Bahn oder für 1 Euro das Leihrad nehmen?
Zeiten und Preise sind sehr transparent dargestellt, aber die Buchung ist noch nicht für all diese Systeme aus der App möglich. Doch Ziel von Moovel ist es, ein Vertriebsdienstleister für alle Verkehrsarten zu werden. Es soll also später mal möglich sein, auch jedes gewählte Verkehrsmittel aus der App heraus zu buchen, egal ob Verbundticket, Taxi, Mietauto oder Rad. Der Anbieter würde an der Vermittlungsprovision verdienen. In Berlin funktioniert das bisher zumindest für das Taxi und das Mietauto. Bei dem Versuch, das Fahrrad aus der App heraus zu buchen, stürzte die App in unseren Versuchen immer ab. Fahrkarten für den VBB lassen sich über die App nicht erwerben.
Sehr ähnlich wie Moovel ist „quixxit“ aufgebaut, eine App der DB Vertrieb, einem Tochterunternehmen der DB zum Verkauf von Fahrkarten. Auch diese App beansprucht für sich, alle Formen der Mobilität zu bündeln. Quixxit ist jedoch mit seiner Integration von Fernbus und Flugzeug auch für längere
Der Sinn manch ausgegebener Verbindung ist zweifelhaft: Warum sollte jemand, der vom Alexanderplatz zum Zoo möchte, mit der S-Bahn bis Tiergarten fahren, anschließend 17 Minuten zu einem Leihauto laufen und dann den Rest mit diesem fahren? Da könnte man genauso gut in der S-Bahn sitzen bleiben oder gleich zum Zoo laufen.
Hier liegt der Verdacht nahe, dass die App versucht, das Routing auf DB-Verkehrsmittel (insbesondere DB Mietautos) zu lenken. Daher ist gerade bei Anbietern wie Moovel und quixxit, die sich als neutraler Mobilitätsvergleich darstellen, immer kritisch zu hinterfragen, ob die Fahrempfehlung tatsächlich neutral und objektiv erfolgt. Sowohl hinter Moovel als auch hinter quixxit stecken schließlich Unternehmen, die (auch) ihre eigenen Produkte verkaufen wollen.
Alle genannten Apps haben also (noch?) unterschiedliche Schwächen. Doch wie sähe eigentlich die perfekte App für den Fahrgast aus?
Beispiel Fahrplanauskunft. Hier müsste die App selbstständig, also in Abhängigkeit von der Route, den besten Datenlieferanten mit den aktuellsten SOLL- und ISTDaten auswählen. So müsste der Fahrgast nicht überlegen, wenn er zum Beispiel von Berlin nach Wismar möchte, ob er als Datenlieferant in der App Öffi nun lieber den VBB, die DB oder Mecklenburg-Vorpommern einstellt.
Beispiel Abfahrten. Anzeige der Abfahrten richtungsscharf sowie mastscharf. So kann der Fahrgast auf der Karte auch erkennen, ob die Haltestelle nördlich oder südlich des Bahnhofs liegt.
Beispiel Intermodales Routing. Das steckt jedoch noch in den Kinderschuhen. Der Umstieg z. B. vom ÖPNV auf das Mietauto erscheint recht willkürlich bzw. die Information ist für den Fahrgast teilweise völlig sinnlos – siehe das oben genannte Beispiel.
Beispiel Ticketkauf. Hier ist die Integration eines verkehrsmittel- und verkehrsträgerübergreifenden Verkaufssystems noch nicht gelungen. Vermutlich werden hier aber schneller Fortschritte erzielt, als bei den anderen Beispielen, da hier Geld in Form von Vertriebsprovisionen zu holen ist.
Berliner Fahrgastverband IGEB
aus SIGNAL 4/2015 (September 2015), Seite 6-7