Tarife
VBB-Fahrpreisanhebung zum 1. Januar 2016 schröpft die Stammkunden
Alle Jahre wieder. Auch zum 1. Januar 2016 gibt es für die Fahrgäste der Bahnen und Busse in Berlin und Brandenburg eine Tariferhöhung. Sie erfolgt zum zweiten Mal auf der Grundlage eines Indexes, der dieses Mal 1,84 Prozent beträgt. Und wie vor einem Jahr gilt auch jetzt: Die Erhöhung ist eine verkehrs- und umweltpolitische Fehlentscheidung, das anscheinend transparente Index-Verfahren ist intransparent.
6. Jan 2016
Wer sich den Artikel in SIGNAL 6/2014 vornimmt, wird allein schon anhand der Überschriften feststellen, dass alle von der IGEB damals geäußerten Kritikpunkte leider auch ein Jahr später zutreffen:
Und für die Tariferhöhung 2016 gilt auch wie vor einem Jahr, dass die positiven Bilanzen der BVG und der S-Bahn GmbH keine Tariferhöhung begründen würden. „Bedürftig“ sind allein die brandenburgischen Verkehrsunternehmen.
Anders als 2015 bleiben bei der VBB-Tariferhöhung 2016 die Einzelfahrausweise in Berlin weitgehend stabil, während die
Stammkunden erneut überdurchschnittlich zur Kasse gebeten werden. Fast alle Tariferhöhungen liegen unter dem Index von 1,84 Prozent, aber die Abonnenten müssen bis zu 3 Prozent (Abo Berlin AB mit jährlicher Abbuchung) mehr bezahlen – siehe Tabelle.
Positiv und nachvollziehbar ist die Wahl der Kriterien, anhand derer der Index ermittelt wird: zu 83 Prozent durch die Entwicklung der Lebenshaltungskosten und zu je 8,5 Prozent durch die Entwicklung der Kraftstoff- bzw. Strompreise.
Negativ ist, dass es für niemanden außerhalb des VBB nachvollziehbar ist, wie die Umrechnung auf die einzelnen Fahrpreise erfolgt. Wie werden die einzelnen Tarife gewichtet, um am Ende auf einen Durchschnittswert von 1,84 Prozent zu kommen? Welche Annahmen werden der Berechnung zugrunde gelegt hinsichtlich erhöhter oder verminderter Nachfrage nach einem Tarifangebot? Werden erhöhte Erlöse durch mehr Fahrgäste berücksichtigt? Hierzu gibt der VBB keine Antwort.
Bei genauerer Betrachtung zeigt sich eine doppelte Fehlentwicklung.
Zum einen ist die Schwelle, ab der sich eine Monatskarte lohnt, in Berlin schon heute extrem hoch. So kann ein Fahrgast mit der 4-Fahrten-Karte Berlin AB monatlich 36 Fahrten machen, bevor sich die Anschaffung der jetzt 81 Euro teuren Monatskarte rechnet. Zum Vergleich: In Potsdam lohnt sich der Kauf der Monatskarte AB für künftig 29,80 Euro schon ab 16 Fahrten im Monat.
Zum anderen werden die Monatskarten im Abo stärker angehoben als die Monatskarten im Einzelverkauf. Ausgerechnet also die treuesten Kunden, deren Einnahmen für die Verkehrsunternehmen kalkulierbar sind und die ihr Geld im Voraus bezahlen, werden überdurchschnittlich geschröpft.
Damit wird deutlich, dass es bei den VBB-Tarifen schon längst nicht mehr um verkehrs- oder gar umweltpolitische Ziele geht, sondern allein um das Abschöpfen ergiebiger Kunden. Und das sind nun mal die Stammkunden im Abo.
Aber auch hier gilt das alte Sprichwort: Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht. Wenn der VBB diese Tarifpolitik fortsetzt, wird es einen Bruch geben. Dass man sich dieser Gefahr (ein wenig) bewusst ist, zeigt die Tatsache, dass die Monatskarte Berlin ABC dieses Mal nicht wieder um 1,50 Euro, sondern nur um 1,40 Euro erhöht wird, um mit 99,90 Euro unter der 100 zu bleiben.
Diese Überschrift findet sich seit Jahren in jedem IGEB-Artikel zu VBB-Tariferhöhungen. Die Unfähigkeit des VBB und seiner Verkehrsunternehmen, Ungereimtheiten und Ungerechtigkeiten im VBB-Tarif zu beseitigen, scheint inzwischen chronisch zu sein. Jede Verbesserung bzw. Vereinfachung wird abgelehnt, wenn auch nur ein Unternehmen minimale Fahrgeldeinbußen fürchtet. Dabei wären gerade nach der extremen 50-Prozent-Anhebung der Strafe für Schwarzfahrer auf nun 60 Euro Vereinfachungen im VBB-Tarif dringend geboten.
In nahezu jedem SIGNAL-Heft berichten wir über unlogische, ungerechte oder unverständliche VBB-Tarife, doch geändert wurde bisher fast nichts. Auch in diesem Heft wird auf den nachfolgenden Seiten ein Beispiel gezeigt, welchen Zumutungen Fahrgäste ausgesetzt werden.
Berliner Fahrgastverband IGEB
aus SIGNAL 6/2015 (Dezember 2015/Januar 2016), Seite 20