Stadtverkehr
Vorschläge zur Verkürzung der Umsteigewege am Bahnhof Warschauer Straße
9. Jul 2016
Der S-Bahnhof Warschauer Straße ist seit Jahren eine Baustelle. Seit gut einem Jahr wird auch die Warschauer Straße nördlich der Brücke umgebaut. Sie erhält eine neue Fahrbahn und einen durchgehenden Fahrradstreifen. Für die Fahrgäste führte das neben den langen Wegen auch immer wieder zu langen Wartezeiten, weil die Fahrbahn auf der Warschauer Brücke auf eine Fahrspur eingeengt wurde und sich die Straßenbahn so im Autostau anstellen musste.
Gebaut wird bekanntlich für die Zukunft. Und so nährt sich Tag für Tag die Hoffnung, dass es irgendwann besser wird, wenn die Bauarbeiten erst einmal abgeschlossen sind. Doch leider bleiben die Planungen, die jetzt ausgeführt werden, weit hinter der dynamischen Entwicklung des Umfeldes zurück, und in beliebter Manier
schieben sich die Verantwortlichen bei Bahn und Land gegenseitig die Schuld in die Schuhe, anstatt Verantwortung zu übernehmen. Für die Krönung sorgt allerdings die BVG, die seit über einem Jahr eine U-Bahn-Verlängerung von der Warschauer Straße zum Ostkreuz fordert, womit die Umsteigewege von der U-Bahn zur S-Bahn und zur Straßenbahn noch länger werden würden (siehe SIGNAL 2/2015). Dabei lassen sich die Probleme an der Warschauer Straße durchaus lösen – und das für deutlich weniger Geld als eine U-Bahn-Verlängerung kostet.
Der Umsteigeweg zwischen S- und U-Bahn ließe sich auf gut 100 Meter verkürzen und attraktiver gestalten. Dafür müsste der bestehende Steg mit den Treppen zur Tamara-Danz-Straße lediglich um etwa 30 Meter über die Fernbahngleise hinweg verlängert werden und dort als Seiteneingang in das Empfangsgebäude münden. Eine zusätzliche Überdachung wäre als Witterungsschutz wünschenswert. Eine Verschiebung des U-Bahnhofs über den Bahngraben wäre damit verzichtbar.
Ein neues Einkaufszentrum wird für zusätzliche Fahrgäste sorgen. Es entsteht auf dem bisherigen Parkplatz zwischen Tamara-Danz-Straße und Helen-Ernst-Straße und erhält einen Direktzugang auf den westlichen Gehweg der Warschauer Brücke. Dummerweise befinden sich aber alle Bahnhofszugänge auf der Ostseite der Brücke, womit künftig deutlich mehr Fußgänger die eher unübersichtliche Fahrbahn der Warschauer Brücke queren werden. Auch Vergitterungsorgien werden die Menschen nicht davon abhalten abzukürzen, wenn sie sonst lange Umwege in Kauf nehmen müssten.
Um das Einkaufszentrum vom S- und U-Bahnhof gut erreichen zu können, wäre es sinnvoll, den westlichen Gehweg mit Zugängen zum S-Bahnhof auszustatten. Der Platz zwischen den S-Bahn-Gleisen ist zwar knapp bemessen, reicht aber aus, um ein solches Bauwerk herzustellen und an die beiden Bahnsteige anzuschließen. Aufzüge wären zwar wünschenswert, lassen sich aber aus Platzgründen vermutlich nicht realisieren. Sie sind hier verzichtbar, wenn die barrierefrei nutzbaren Wege durch das Empfangsgebäude auf der Ostseite nicht deutlich länger werden.
Die Planungen für einen westlichen Zugang zum S-Bahnhof Warschauer Straße müssen unverzüglich beginnen, um die Bauarbeiten soweit wie möglich in die laufenden Maßnahmen einzutakten und so zusätzliche Sperrungen zu reduzieren. Die Kosten sollten im Wesentlichen von dem Investor des Einkaufszentrums getragen werden.
Die beiden Maßnahmen führen bereits zu deutlichen Verbesserungen für die Fahrgäste, aber auch für die Verkehrsteilnehmer auf der Warschauer Brücke, und sie sollten verhältnismäßig einfach umsetzbar sein.
Schwierig wird es, die Umsteigewege zu Straßenbahn und Bussen zu verkürzen. Die ursprüngliche Idee einer separaten Straßenbahnbrücke ist nicht mehr möglich, da das Empfangsgebäude des S-Bahnhofs direkt an der Warschauer Brücke steht. Kurze Umsteigewege zu den Straßenbahnlinien M 10 und M 13 sowie den Buslinien 347 und N 1 lassen sich aber nur dann realisieren, wenn diese direkt auf der Brücke halten können. Hierfür müssten die Gleise, wie in Karlshorst geplant, in den jeweils rechten Fahrstreifen verlegt werden, um einen barrierefreien Zugang über ein Sonderbord am Fahrbahnrand zu ermöglichen. Der südliche Teil der Warschauer Brücke zwischen S-Bahn-Zugang und U-Bahnhof bietet die für eine Kombihaltestelle notwendige Länge von 80 Metern. Die Ein- und Ausfädelung kann dabei wie heute nördlich und südlich der Brücke ampelgesichert per Sonderphase erfolgen.
Nicht nur wegen des finanziellen Aufwands ist das nicht kurzfristig machbar, denn vor einem Umbau muss auch noch eine Lösung für die Radwegführung gefunden werden, denn diese kann nur in Form eines überfahrbaren Kaps erfolgen, was beim hier hohen Aufkommen an Fahrgästen, Fußgängern und Radfahrern sicher zu Konflikten im Haltestellenbereich führt. Andererseits ist die heutige Starthaltestelle am U-Bahnhof zu schmal für den Andrang von zwei Straßenbahnlinien. Eine Verbreiterung ist nur mit Verzicht auf einen Fahrstreifen oder mit Einengung von Rad- und Gehweg möglich. Es gilt daher, bei der Lösungsfindung zwischen den verschiedenen Interessengruppen abzuwägen und einen stadtverträglichen Konsens zu finden.
Berliner Fahrgastverband IGEB
aus SIGNAL 3/2016 (Juli 2016), Seite 12-13