Der Bahnhofsvorsteher informiert
Online-Buchungsplattform „Captain Train“
Sie sagen, sie haben ein einfaches und dennoch ehrgeiziges Ziel: das führende
Zugbuchungsportal Europas zu werden. Captain Train, ein Startup-Unternehmen
aus Paris, greift damit die etablierten Buchungsplattformen im Internet und auf
dem Mobilen Markt an. Wie weit sie davon noch entfernt und ob sie auf dem richtigen
Weg sind, wollen wir ergründen. Dazu haben wir die Online-Plattform unter
www.captaintrain.com/de und die Handy-App getestet.
9. Jul 2016
Wer die Buchungsplattform oder die App Captain Train nutzen möchte, muss sich zunächst „offenbaren“ und anmelden. Dies kann über bestehende persönliche Accounts von Facebook oder Google+ erfolgen. Welche Daten da ausgetauscht werden, vermögen wir leider nicht nachzuvollziehen. Als dritte Möglichkeit kann man sich auch mit einer eigenen eMail-Adresse registrieren. Anschließend hat der Reisende die Möglichkeit, kurz ein paar Angaben zum Alter und zu vorhandenen Ermäßigungskarten (z. B. BahnCard) zu machen. Dabei wird sowohl für sich als auch für ggf. Mitreisende je ein eigenes Profil angelegt, das individuell bei jeder Buchung aktiviert oder deaktiviert werden kann. Die Eingabe mehrerer verschiedener Ermäßigungskarten aller beteiligter
Bahngesellschaften ist dabei möglich. Bei der Preisberechnung werden dann die relevanten berücksichtigt. Das mag zum Anfang aufwendig erscheinen, macht jedoch das weitere Vorgehen recht schnell und einfach. Seit Juni 2016, so verkündete Captain Train, ist es auch möglich, ohne Registrierung auf die Suche nach Verbindungen und Angeboten zu gehen. Während unserer Testreihen bis Ende Mai dieses Jahres war eine anfängliche Registrierung aber obligatorisch.
Damit haben wir auch schon das große Plus von Captain Train: Das betreiberübergreifende Buchen von Fahrscheinen in einer Reisekette. Man kann so mehrere aufeinander folgende Beförderungsverträge (Fahrscheine) z. B. von Berlin nach Madrid mit DB, SNCF und Renfe in einem Buchungschritt abschließen. Das parallele Jonglieren mit den Buchungswebseiten der Bahnen entfällt hier.
Wer jedoch die Suche etwas nach seinen Bedürfnissen anpassen möchte, wie z. B. längere Umsteigezeiten, bestimmte Umsteigebahnhöfe oder Aufenthalte unterwegs, der sucht diese Möglichkeit vergebens. Zumindest kann noch ein Via-Bahnhof bestimmt werden. Vorgesehen ist das durch die Macher anscheinend aber nicht, denn sie schreiben in ihren FAQ:
„Unser Ziel ist es, die effizienteste interne Suchmaschinenfunktion für die Buchung von Online-Bahntickets auf unserer Seite anzubieten. Unser System bietet Ihnen also systematisch die besten Strecken und Verbindungen an, damit Sie dies nicht selbst tun müssen. Sollten Sie über einen anderen Bahnhof reisen wollen, können Sie jederzeit zwei separate Tickets buchen. Das ist der einfachste und günstigste Weg, dies zu tun. Seien Sie sich bitte bewusst, dass wir Streckenfilter haben, die aktiviert sind und demnach gewisse Strecken weglassen.“
Das getrennte Buchen mag vielleicht für den Anbieter am einfachsten erscheinen, für den Kunden am günstigsten ist es wohl eher selten. Zumal die Preissystematik der Deutschen Bahn eine sogenannte Entfernungsdegression und eine Deckelung in Form eines Maximalpreises hat. Spätestens aber, wenn der Reisende umbuchen oder stornieren möchte, fallen dann zwei Stornoentgelte für zwei Tickets an.
Wie hoch das Entgelt im Einzelfall ist, wird in einer einfachen Kurzform eigentlich recht verständlich erklärt. Nur werden diese Informationen manchmal mehrfach untereinander aufgelistet, je nachdem wieviele Züge in der Verbindung sind, auch wenn mehrere Züge zu einem Angebot zusammen gehören. Setzt sich der Gesamtpreis bei internationalen Fahrten aus verschiedenen Angeboten zusammen, so ist dies dann auch etwas verwirrend, da vor der Buchung in der Verbindungsübersicht bei umsteigereichen Reisen schwer erkennbar ist, welche Züge/Streckenabschnitte zusammenhängend zu welchem Angebot und Konditionen gehören. Bei einigen Anbietern kann es vorkommen, dass die Stornokonditionen nicht in deutscher Sprache vorhanden sind. Hier gibt es noch dringenden Nachholbedarf, da es sonst zu unliebsamen Überraschungen für den Kunden kommen kann.
Captain Train behauptet stolz: „… Bei uns werden Sie immer den besten verfügbaren Preis erhalten. Manchmal werden wir sogar am günstigsten sein. Aber nie teurer.“ Das ist zwar oft, aber leider nicht immer so. Wir haben über einen Zeitraum von etwa zwei Monaten mehrere Testläufe verschiedener zufällig gewählter, sowohl innerdeutscher als auch internationaler Verbindungen durchgeführt. Zeitgleich haben wir die jeweiligen Relationen auch bei den Buchungs- Webseiten der jeweiligen Betreiberbahnen als auch in einem Reisebüro-Buchungssystem für DB-Fahrkarten abgefragt, um einen direkten Vergleich zu haben. Oft erhielten wir passable Ergebnisse, manche Anfragen zeichneten jedoch auch das eine oder andere Fragezeichen auf unsere Stirn.
Im Normalfall zeigt Captain Train dasselbe Angebot an wie jeder Zugbetreiber. Man kann vorgeben, ob man es günstig haben will, ein preiswertes aber umtauschbares Angebot favorisiert oder ein flexibles Ticket benötigt. Gibt es (i.d.R. grenzüberschreitend) für dieselbe Verbindung zwei verschiedene Preise, zeigt Captain Train das des günstigeren Anbieters an.
Es kann aber auch vorkommen, dass eine etwas langsamere und dafür preiswertere Verbindung auf der Betreiber-Webseite buchbar ist, von Captain Train diese jedoch verschwiegen wird. Umgekehrt haben wir aber auch erlebt, dass z. B. DB und SNCF zwischen Frankfurt am Main und Paris nur die eigenen Angebote darstellten, während auf der Buchungsplattform Captain Train der Reisende eine Verbindungskombination aus HKX und Thalys via Köln finden konnte, die rund ein Drittel günstiger war!
Für den Reisenden können im Profil mehrere Ermäßigungskarten der verschiedenen Bahnbetreiber hinterlegt werden. Die Eingabe von zwei verschiedenen BahnCards (z. B. BC25 und BC50 Business) ist gegenwärtig noch nicht möglich. Wir haben geprüft, ob Captain Tran nach dem Günstigkeitsprinzip die beste Karte auswählt. Beispiel: Sind im Reisendenprofil eine BC25 und eine niederländische Voordeelurencard (VDU) mit Rail+ hinterlegt, so bekommt man bei einer Reise Berlin—Amsterdam mit dem direkten InterCity einen Flexpreis für 90 Euro mit BC25 angezeigt. Erst wenn die BC25 aus dem Profil entfernt wird, erhält man den Preis von 84,60 Euro mit der VDU-Card. Anschließend muss dann das Profil wieder zeitraubend mit den BahnCard-Daten gefüttert werden. Auf bahn.de kann man die BC25 oder die VDU-Card einfach per Dropdown-Auswahl anklicken.
Sind eine BC50 und die VDU-Card hinterlegt, erhält man das Flexpreis-Ticket für 69,00 Euro unter Berücksichtigung der BC50. Kauft der Reisende hingegen sein Ticket online bei NS Internatinal oder mit persönlicher Beratung im Reisezentrum, kann er die Preisvorteile von BC50 und VDU-Card kombinieren und zahlt nur 63,60 Euro! Das geht bei Captain Train und bahn.de nicht.
Ein tariflicher Schwachpunkt ist das Fehlen von Angeboten. Zum einen hat Captain Train anscheinend nicht immer den vollen Zugriff auf alle besonderen Promotionaktionen (was wir bei einer Testbuchung in Spanien feststellten), zum anderen fehlen in der Tarifierung diverse regionale Angebote. So können beispielsweise auf bahn.de fahrplanbasierte Fahrkarten zum NRW-Tarif und Schleswig-Holstein-Tarif sowie pauschale Regio-Angebote wie Ländertickets, Schönes-Wochenende-Ticket, Quer-Durchs-Land-Ticket sowie das Ostseeticket gebucht werden – aufgrund technischer Restriktionen der Bahn jedoch nicht bei Captain Train.
Captain Train verwendet eigene Suchlogarithmen, um die für den Kunden „optimale“ (buchbare) Verbindung zu finden. Leider führt das mitunter dazu, dass man gar keine Verbindungen angezeigt bekommt. Nicht nur einmal mussten wir den kleinen enttäuschenden Kommentar lesen.
Zwei Beispiele: Von Verona nach Mailand haben wir sowohl auf der Webseite des Betreibers Trenitalia als auch im Verkaufssystem der DB direkte Verbindungen und Preise erhalten, bei Captain Train jedoch erst beim vierten Versuch nach etwa einer Stunde.
Von Prag nach Amsterdam waren erst nach Eingabe eines Via-Bahnhofes (Berlin Hbf) Verbindungen zu finden. Beim ersten Testlauf im April wurde Berlin in der Verbindung letztendlich ignoriert und eine Reise über Würzburg, Frankfurt am Main und Köln angeboten. Beim dritten Test Ende Mai haben wir dann Verbindungen über Berlin erhalten, aber anstatt bequem nur einmal in Berlin umzusteigen, wurde uns ab Berlin ein ICE nach Hannover auferlegt, wo wir dann in den InterCity umsteigen sollten, der von Berlin nach Amsterdam direkt fährt.
Wenn man sich nicht ganz sicher ist, ob die gewählten Verbindungen bzw. die gefundenen Angebote wirklich die besten sind, oder wenn man erst noch zur Reise das passende Hotel finden möchte, so kann man die Tickets in seinen Account zunächst einbuchen und später bezahlen. Die Lagerdauer im Warenkorb hängt dabei leider vom Verkehrsunternehmen und dem jeweiligen Angebot ab. So können Globalpreisreservierungen von der französischen SNCF und der spanischen Renfe beispielsweise tagelang „gebunkert“ werden, ohne sie zu bezahlen. Vor Ablauf der Zahlungsfrist erhält der Kunde von Captain Train dann zwei Erinnerungen per E-Mail: Die erste etwa 24 Stunden und die zweite noch einmal 7 Stunden, bevor die Tickets aus dem Kundenaccount verschwinden. Bei der Deutschen Bahn hingegen bleibt einem maximal eine Stunde Zeit, bevor das Angebot verfällt. Die Zahlungsfrist ist bei den jeweiligen Angeboten ersichtlich.
Hat der Fahrgast seine optimale Reise gefunden, kann er recht schnell zahlen. Zur Auswahl stehen dabei die gängigen Kreditkarten (Visa, MC, Amex) und PayPal. Zweites kann jedoch nicht verwendet werden, wenn man die Kreditkarte als Identifikationskarte für Onlinetickets angegeben hat.
Bei Buchungen über die Captain Train- App können IPhone-Besitzer die Zahlung per Touch-ID bestätigen. Wer ein Android-Gerät sein eigen nennt, kann die Fingerprint-Technologie nutzen. Alle anderen können, genau wie bei Buchungen auf dem Computer, die Zahlung per Sicherheitscode bestätigen. Captain Train versichert, dass die Zahlungsdaten wie Fort Knox gesichert seien. Dazu schreibt der Anbieter in seinen FAQ:
Wenn die Zahlung erfolgreich abgeschlossen ist, landen die Fahrkarten sofort in der Übersicht „Tickets“. Man kann diese (in Abhängigkeit der Verkehrsanbieter) auf A4 ausdrucken, den QR-Code direkt zur Kontrolle auf dem Handy anzeigen oder den Buchungscode einfach dem Kontrolleur nennen.
Parallel dazu erhält man eine E-Mail mit dem Ticket als PDF und mit einer Kurzfassung der Stornobedingungen. Ebenfalls ist in dieser E-Mail eine sogenannte ics-Kalender-Datei, mit der man die Reisedaten bequem in seinen digitalen Kalender importieren können soll. Der Import in den Outlook-Kalender auf dem Computer hat funktioniert. In der App gibt es keine Möglichkeit, die Reisedaten direkt an den Kalender auf dem Handy zu übertragen. Der Import der ics-Datei aus der E-Mail in den Google-Kalender ist bei uns leider gescheitert.
In einer weiteren E-Mail wenige Minuten später erhält der Kunde einen Zahlungsnachweis als PDF für seine Buchhaltung.
Entschließt sich der Reisende von der Fahrt zurückzutreten, kann er seine Fahrkarte ganz schnell wieder loswerden. Da diese in digitaler Form vorliegt, wird sie online oder in der App gleichermaßen einfach storniert. Ein aufwendiges Einsenden von Anträgen und Belegen ist nicht notwendig. Binnen einer Minute nach der Stornierung haben wir je eine Stornobestätigung von Captain Train und dem Verkehrsunternehmen per E-Mail erhalten.
Möchte man jedoch eine Erstattung bzw. eine Entschädigung wegen Verspätung oder Zugausfall geltend machen, verweist Captain Train an die Regulierungsstelle für Fahrgastrechte der jeweiligen Staaten, umdas Geld einzufordern. Das kann dann schon mal bis zu einem Monat dauern! Eine Auflistung der Kontaktdaten sind im Hilfe-Portal von Captain Train zu finden.
Für die gängigsten Fragen gibt es eine einfache FAQ-Hilfe zum „selber-lesenmüssen“ auf der Webseite, die kurz und leicht verständlich geschrieben ist. Für tiefergehende Fragestellungen gibt es sogenannte WOW-Spezialisten, die aber ausschließlich über ein Kontaktformularsystem erreichbar sind. Eine Telefonhotline, wo man einfach anrufen kann, gibt es nicht. Der Kundenservice umfasst jedoch nur die Funktionalitäten der Buchungsplattform selbst. Eine persönliche Beratung zu Tarifen und ob es günstigere Möglichkeiten, beispielsweise mit Regio- oder internationalen Pass-Angeboten gibt, erhält man leider nicht. Dafür empfiehlt sich der personenbediente Verkauf in einem Reisezentrum oder bei der Bahn-Hotline.
Die Idee ist gut, das Ziel ehrgeizig und der Weg dahin noch lang. Die Einfachheit der Abfrage für Verbindungen und Preise ist für nicht-versierte Reisende ein großes Plus. Auch das zusammenhängende Buchen verschiedener Zuganbieter in kürzester Zeit ist bisher einmalig. Die Verbindungsfilter hingegen bedürfen noch einer Überarbeitung. Wünschenswert ist das optionale Zuschalten weiterer Abfrageoptionen, die es ermöglichen, z. B. bestimmte Wege zu forcieren oder auszuschließen. Die Buchungsplattform bietet auf alle Fälle Potenzial für mehr. (BfVst)
Berliner Fahrgastverband IGEB
aus SIGNAL 3/2016 (Juli 2016), Seite 26-29