Tarife
Der „Sparpreis“ für den Regionalverkehr, so lautet der inoffizielle Titel für das „Regio120-Ticket“ und das „Regio120plus-Ticket“, mit dem das „Bummelbahnfahren“ in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen schon seit einiger Zeit für den preisbewussten Reisenden attraktiver gemacht werden soll.
9. Jul 2016
Das Angebot zielt primär auf Kunden, die nur in eine Richtung reisen, nicht am selben Tag zurückfahren und somit nicht die Ländertickets nutzen. Das Regio120-Ticket kostet bis 120 Kilometer Streckenlänge 15 Euro und ab 121 Kilometer als Regio120plus-Ticket 20 Euro. Genutzt werden können beide Tickets an einem beliebigen Tag, montags bis freitags ab 9 Uhr, am Wochenende und an Feiertagen bereits ab 0 Uhr und bis 3 Uhr des Folgetages. Der Geltungsbereich erstreckt sich primär auf die drei genannten Bundesländer, hat aber zahlreiche Ausnahmeregelungen, die einer Professur in Geographie bedürfen, um nicht auf eine der „verbotenen“ Routen zu geraten.
Abgesehen von den ohnehin schon verwirrenden Geltungsbereichen in den Stammregionen hat sich DB Regio überlegt, mit dem Ticket auch Fahrten aus Richtung Sachsen-Anhalt nach Berlin zu ermöglichen. Am 31. Mai 2016 versendete die Deutsche
Bahn eine Pressemitteilung mit der Ankündigung, ihre beiden Angebote zum 12. Juni 2016 auf folgende Strecken auszuweiten: Dessau-Roßlau—Berlin (RE 7), Lutherstadt Wittenberg—Berlin (RE 5), Magdeburg— Berlin (RE 1) und Stendal—Berlin (RB 34 und RE 4).
Auf Nachfrage bei der Ostdeutschen Eisenbahn ODEG, welche die Linien RB 34 und RE 4 betreibt, ob „Regio120“ tatsächlich in ihren Zügen verkauft würde, gab diese bekannt, dass sie es nicht tun werde. Außerdem anerkenne sie dieses Ticket nur auf der Strecke zwischen Stendal und Schönhausen an der Elbe, nicht jedoch auf den ODEG-Streckenabschnitten in Brandenburg und Berlin, weil es keine vertragliche Regelung dazu gibt! Das scheint aber erst kurzfristig aufgefallen zu sein.
Am 13. Juni 2016 veröffentlichte die Deutsche Bahn eine weitere Pressemitteilung mit der Überschrift: „Das erfolgreiche Regio120- Ticket ist weiterhin erhältlich“. Der Inhalt sieht auf den ersten Blick genauso aus wie bei der Pressemitteilung vom 31. Mai. Aber man hat tatsächlich etwas geändert: Stendal als Ausgangspunkt in der Liste der Strecken nach Berlin wurde herausgenommen. Kein Wort darüber, dass sich in der ersten Pressemitteilung ein Fehler befand und das Ticket nicht in den Zügen der ODEG anerkannt wird.
Auf den ersten Blick war nun alles klar. Aber bei Testbuchungen auf www.bahn.de mussten wir feststellen, dass für eine Fahrt von Salzwedel via Stendal und Rathenow nach Berlin am 13. Juni um 13:35 Uhr neben dem Flexpreis für 32,90 Euro auch das verlockende Regio120plus-Ticket offeriert wurde. Da staunten wir nicht schlecht: Die DB bot das Regio120plus-Ticket an, obwohl es bei der ODEG keine Gültigkeit hat und obwohl es nach den Tarifbestimmungen ab dem ersten Geltungstag nicht mehr umgetauscht oder storniert werden kann – eigentlich. Denn unseres Wissens nach können Kunden, die sich am Automaten oder online das Ticket kauften, es aber nicht nutzen konnten, „Regio120“ entgegen der Tarifbestimmungen auch nach der Reise noch umtauschen bzw. erstatten lassen. Aber das wird seitens der Bahn leider nirgends bekannt gegeben. Auch auf Nachfrage bei der Pressestelle haben wir bis zum Redaktionsschluss keine Antwort bekommen.
Verwirrung pur. Und der Dumme ist der Fahrgast, der seinem Geld hinterherrennen muss.
Immerhin wurde der fehlerhafte Fahrscheinverkauf von Seiten der DB inzwischen korrigiert. Im fahrplanbasierten Verkauf wird das Regio120-plus-Ticket von Stendal nur noch via Magdeburg nach Berlin angeboten, nicht aber mehr via Rathenow. (md/BfVst)
IGEB S-Bahn und Regionalverkehr
aus SIGNAL 3/2016 (Juli 2016), Seite 30