söp
9. Jul 2016
Der Beschwerdeführer und seine Frau wollten mit ihren Fahrrädern mit der Bahn von Salzwedel nach Jena fahren und die dafür erforderliche Fahrkarte am Fahrkartenschalter in Salzwedel erwerben. Von der Mitarbeiterin vor Ort wurde ihnen eine Verbindung mit fünf Umstiegen und zwei Schienenersatzverkehren empfohlen (Fahrzeit 8:20 h).
Da der Beschwerdeführer befürchten musste, dass eine Fahrradmitnahme im SEV schwierig werden könnte, fragte er nach einer alternativen Verbindung. Seiner Frau und ihm wurde daraufhin nur eine Verbindung mit einem IC angeboten, die allerdings nicht mehr gebucht werden konnte,
weil keine Fahrradstellplätze mehr vorhanden waren. Daher entschieden sich der Beschwerdeführer und seine Frau für die erste angebotene Verbindung und kauften ein Quer-durchs-Land-Ticket (54 Euro) sowie zwei Fahrradkarten (10 Euro).
Nach dem Kauf der Fahrkarte suchte der Beschwerdeführer dann selbstständig an einem Fahrkartenautomaten nach einer anderen Verbindung. Der Automat zeigte eine Verbindung an, die von der Schaltermitarbeiterin nicht genannt worden ist. Diese Verbindung enthielt keinen Schienenersatzverkehr, auch die Fahrzeit war deutlich kürzer (6:36 h). Für diese Verbindung hätte ein „Drei-Länder-Ticket“ zum Preis von 27 Euro ohne Fahrradkarten ausgereicht. Da der Fahrkartenschalter zwischenzeitlich geschlossen hatte, war ein Umtausch der Fahrkarten nicht mehr möglich. Der Beschwerdeführer und seine Frau traten die Fahrt daher mit dem Quer-durchs-Land-Ticket an, nutzten aber die schnellere Verbindung.
Im Zug sei ihnen vom Zugbegleitpersonal in Aussicht gestellt worden, dass der zu viel gezahlte Betrag erstattet werden würde. Daher wandte sich der Beschwerdeführer nach der Fahrt an das Verkehrsunternehmen, um eine Erstattung des Mehrbetrages i.H.v. 37 Euro zu erreichen.
Der Kundendialog des Verkehrsunternehmens lehnte eine Erstattung i.H.v. 37 Euro zunächst ohne Begründung ab. Erst im Verlauf der weiteren Korrespondenz teilte das Verkehrsunternehmen mit, dass es sich bei dem Fahrkartenschalter in Salzwedel um eine selbstständige Agentur handele, auf deren Entscheidung das Verkehrsunternehmen keinen Einfluss nehmen könne.
Die söp prüfte das Anliegen des Beschwerdeführers und kam zu dem Ergebnis, dass ein Anspruch auf Erstattung der Mehrkosten nicht ausgeschlossen ist. Anhang II zur Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 (VO) bestimmt, dass Fahrkartenverkäufer vor Fahrtantritt bestimmte Mindestinformationen zu erteilen haben. Hierzu gehören unter anderem Informationen zu Fahrplänen und Bedingungen der Fahrt mit der kürzesten Fahrzeit sowie zu den Fahrplänen und Bedingungen der Fahrt zum günstigsten Fahrpreis.
Nach den Schilderungen des Beschwerdeführers ist nicht ausgeschlossen, dass die Servicemitarbeiterin vorliegend diese Informationen trotz Nachfrage nicht erteilt hat. Die Fahrzeit der angebotenen Reiseverbindung war um ca. 2 Stunden länger als die letztlich genutzte. Darüber hinaus hätte es ein kostengünstigeres Ticket gegeben. Nach der aktuellen Tarifauskunft werden für eine ähnliche Verbindung drei verschiedene Ländertickets angeboten, die preislich zwischen 28 Euro und 52 Euro liegen. Eine mangelhafte Beratung konnte daher nicht ausgeschlossen werden.
Soweit das Verkehrsunternehmen darauf verwies, dass lediglich ein Partnerunternehmen die Fahrkarte verkauft habe, überzeugte dieser Einwand nicht. Da der Verkauf der Fahrkarte wohl im Namen des Verkehrsunternehmens stattgefunden hat und das „Lizenzunternehmen“ als Vermittler aufgetreten ist, dürfte sich das Verkehrsunternehmen eine etwaige Falschberatung nach § 278 BGB auch zurechnen lassen müssen. Im Übrigen war auf der Fahrkarte deutlich das Logo des Verkehrsunternehmens zu erkennen, was ebenfalls dafür spricht, dass dieses für seine Leistungen auch einstehen müsste. Ein Erstattungsanspruch i.H.v. 37 Euro ist daher jedenfalls nicht gänzlich ausgeschlossen.
Das Verkehrsunternehmen teilte mit, dass zwar das Verkaufsgespräch nicht mehr rekonstruiert werden könne. Allerdings sei die angebotene Verbindung mit fünf Umstiegen und dem Schienenersatzverkehr auf einer Teilstrecke nicht nachvollziehbar, da auch nach Recherchen des Verkehrsunternehmens die letztlich von den Reisenden genutzte Reiseroute die sinnvollste war. Ein Verkaufsfehler durch die Agenturmitarbeiterin in Salzwedel sei daher nicht vollständig auszuschließen. Für die Fahrt von Salzwedel nach Jena über Magdeburg kann das Sachsen-Anhalt-Ticket genutzt werden. Nach den gültigen Angebotsbedingungen für dieses Ticket, ist auch bei Fahrten nach Thüringen die Fahrradmitnahme kostenlos. Der zusätzliche Erwerb einer Fahrradtageskarte für den Nahverkehr wäre damit nicht notwendig gewesen.
Das Verkehrsunternehmen stimmte daher einer Erstattung des zu viel gezahlten Betrages i.H.v. 37 Euro zu. Da sich auch der Beschwerdeführer mit diesem Vorschlag einverstanden erklärte, konnte das Schlichtungsverfahren einvernehmlich beendet werden.
Dr. Katja Schmidt
söp Schlichtungsstelle für den öffentlichen
Personenverkehr e. V.
Fasanenstraße 81, 10623 Berlin
E-Mail: kontakt@soep-online.de
Internet: www.soep-online.de
söp Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr e. V.
aus SIGNAL 3/2016 (Juli 2016), Seite 31